Gender-Spottlied:Da lotet ein SPD-Stadtrat die Schmerzgrenze aus

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Münchens SPD-Stadtrat und Liedermacher Roland Hefter hat ein Spottlied über die angebliche "Genderpolizei" geschrieben. (Foto: Lorenz Frankenberger)

Roland Hefter erntet Zuspruch für seinen Song - und herbe Kritik, weil er mit realitätsfernen Übertreibungen das Gesellschaftsbild seiner Partei lächerlich macht.

"SPD-Stadtrat singt Spottlied übers Gendern" vom 8. Februar:

Absurde Entgleisungen

Das Traurige beim Gendern ist ja, dass die Realität noch viel absurder ist, als es Stadtrat Hefter in seinem Lied darstellt, weshalb sich das Thema dem Kabarett fast entzieht. Wenn Sie von der Stadt München persönlich angeschrieben werden, erfolgt das mit der Anrede "Guten Tag, Eva Mustermann" statt "Sehr geehrte Frau Mustermann". Auf Rückfrage heißt es, dass nur so Genderneutralität gewährleistet ist. Bei "Sehr geehrte Damen* und Herren*" werden unter dem Sternchen auch alle Gendermöglichkeiten aufgeführt, zum Teil wieder mit Sternchen, da man zwischen innen und außen liegenden Geschlechtsorganen unterscheiden muss.

In einer Bezirksausschusssitzung sprach die Vorsitzende kürzlich zwei Bürgerinnen, die als Gast der Sitzung beiwohnen wollten, als "Gästinnen" an. Es gibt auch immer mal Anschreiben von der Stadt an die "sehr geehrten Mitglieder und Mitgliederinnen" des Bezirksausschusses. Dass das Mitglied sächlich ist, scheint nicht bekannt zu sein. Vielleicht wäre hier "liebe Mitglieder und Ohneglieder" eine Lösung.

Ich habe aber auch schon einen Willkommensbrief für einen Neubürger gesehen, in dem es, bezogen auf den Stadtteil, heißt, dass es sich um eine besonders schöne Nachbar*innenschaft handelt. Nun frage ich mich, ob wir uns in Zukunft auch über Partner*innenstädte oder Freund*innenschaft unterhalten sollten.

Um mit einer satirischen Note zu enden, sollten wir in Zukunft Bürgermeister als "liebe Bürgermeister, liebe Bürgermeisterinnen, liebe Bürgerinnenmeister und liebe Bürgerinnenmeisterinnen" ansprechen. - Einer Germanistin wie mir tut das Ganze echt weh.

Sabine Geißler, München

Eine Polizei, die es gar nicht gibt

Wie sicher in anderen Sprachvarianten (Jugendsprache, Fachsprache) lässt sich im aufmerksamen Betrachten auch bei sprachsensiblen Endungen manchmal eine noch zu findende Übereinstimmung suchen. Wenn allerdings Stadtrat Roland Hefter an Haaren herbeigezogene Beispiele verwendet, wird das die sachliche Diskussion nicht befruchten, sondern verstärkt eher den Eindruck der von ihm zu Recht ins Abseits gestellten Partei.

Schon auf dem Schild sind gleich mehrere Fehler abgedruckt, da weder ein männlicher Singularbegriff (vergleichbar Knabe) "Bua" anders ausgedrückt wird, wenn damit ein Bub gemeint ist, sondern dann mit "Madl" bezeichnet wird. Noch wird im Singular der Plural angehängt, weil es sich ja nur um einen "Bua" handelt. Entweder liegt hier eine absichtsvolle Verzerrung vor, dann sollte prinzipiell die Nähe zu populistischen Formulierungen vermieden werden, oder es handelt sich um eine grundlegende Unwissenheit über die bairische Minimal-Grammatik, dann wäre eine nochmalige Beschäftigung mit den Regeln angesagt, bevor das in dieser Weise in die Öffentlichkeit getragen wird. Schließlich ist niemand damit gedient, die eigentlich ständig stattfindende Diskussion über Sprachentwicklungen auf unzutreffenden Behauptungen aufzubauen.

Weitere Einblicke in den Liedtext lassen eher den Schluss zu, dass eine direkte Beschäftigung mit den gängigen Bezeichnungen kaum oder gar nicht stattgefunden hat, wie auch die Beispiele "Tant*innen" oder "Kinderkrankenschwester*in" zeigen. Diese werden überhaupt nicht verwendet, da sie bereits eine klare weibliche Zuordnung ermöglichen, weshalb es nicht notwendig ist, dieses Wort extra zu kennzeichnen (wie etwa bei "Student*in").

Darüber hinaus sollte dargelegt werden, wo und wie die angebliche "Genderpolizei" agiert, denn abseits von gelegentlichen Ermahnungen oder Korrekturen wird niemand strafrechtlich belangt oder gar verhaftet, wie es sonst durch Ordnungskräfte passiert. Diese Verschiebung von Ebenen beschäftigt sich eben gerade nicht mit den realen Hintergründen der Sprachvarianten. Dass viele Menschen nicht so reden möchten, ist sicher laut Umfragen korrekt. Sie müssen aber auch nicht. Ein bisschen "komplizierter" als scheinbar skandalöse sprachliche Verunstaltungen aneinanderzureihen, ist es vielleicht also schon. Es darf ja auch gesungen werden, denn das gehört auch zur Meinungsfreiheit dazu. Eine begründete Meinung und falsche Informationen sind aber immer noch zwei Paar Stiefel.

Stefan Angstl, Burghausen

Aushelfer und Fachkräftige

Unsere an sich schöne Sprache kennt halt das generische Maskulinum, das beide Geschlechter einschließt. Von den Genderfanatikern wird aber gerne übersehen, dass es auch das generische Femininum gibt. Beispiel: die Aushilfe, die Fachkraft - ich bitte darum, dass es dem Gendertrend zukünftig entsprechend heißt: die Aushilfe, der Aushelfer; die Fachkraft, der Fachkräftige. Unsere Sprache wird immer schöner!

Dr. Friedl Brych, München

Ball flach halten

Endlich meldet sich mal ein Politiker zum Thema Gendern zu Wort, und auch noch aus der SPD, die ja so progressiv ist. Hat es nicht gereicht, dass man der Bevölkerung im Jahr 1996 eine Rechtschreibreform übergestülpt hat, die niemand wollte und die dann noch korrigiert werden musste? Und jetzt will man uns das Gendern beibringen? In Gesprächen mit den verschiedensten Berufs- und Altersgruppen stelle ich fest, wie sehr dies die meisten nervt. Was das Fernsehen angeht, scheint es inzwischen wichtiger zu sein zu gendern, als grammatikalisch korrektes Deutsch zu sprechen. Man muss nicht Germanistik studiert haben, um dies festzustellen. Haltet doch mal den Ball flach. Das Geld, das der Münchner Stadtrat in dieses Thema steckt, hätte er besser für andere Zwecke verwendet, etwa für Schulen, Förderung des Vereinssports...

Burkhard Colditz, Sindelsdorf

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