Öffentlicher Personenverkehr:Ist jetzt schon jeder Wintereinbruch eine Katastrophe?

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Wenn 50 Zentimeter Neuschnee innerhalb kurzer Zeit auf München niedergehen, erlahmt der Verkehr für ein paar Tage - war das früher besser? (Foto: Stephan Rumpf)

Früher waren Winter noch Winter - und die Bahn fuhr trotzdem. Jetzt bewaffnen sich SZ-Leser selbst mit der Eishacke, weil nicht einmal Gehwege geräumt werden.

"Was die Stadt nächstes Mal besser machen kann" vom 9./10. Dezember, "Schleudertrauma" vom 8. Dezember, "Seit Tagen in der Warteschlange" vom 7. Dezember, "Bahn kapituliert vor dem Schnee" vom 5. Dezember:

Lernen und besser machen

Der Beitrag "Was die Stadt nächstes Mal besser machen kann" trifft den Nagel auf den Kopf. Zwar kann man Witterungskapriolen nicht voraussehen, aber Sicherungen muss es geben. Diejenigen, die Schienen per Hand freikratzen, können einem leidtun. Wenige Fahrzeuge mit autonomer Fahrweise muss es geben, mit denen per Blasen oder Erhitzen die fahrbahngleichen Schienen schnee- und eisfrei gemacht werden können. Selbst die Bundesbahn verfügt in schneegefährdeten Gebieten über Räumfahrzeuge. Lernen, lernen und nochmals lernen!

Manfred Leiss, Sulzbach-Rosenberg

Resignation und schräger Humor

Der Titel Ihres am 5. Dezember erschienenen Artikels, "Bahn kapituliert vor dem Schnee", trifft auch auf das östliche Oberbayern zu. Die dort für den Regionalverkehr zuständige DB-Tochterorganisation "Südostbayernbahn" reagierte bis vor einigen Jahren auf widrige Witterungsverhältnissen mit einer Jetzt-erst-recht-Einstellung und war dann stolz darauf, einigermaßen zuverlässig unterwegs zu sein. Inzwischen scheint diese Motivation verflogen zu sein.

Denn auf die komplette Betriebseinstellung am Wochenende, 2./3. Dezember, folgte zwischen Mühldorf und München in der gesamten folgenden Woche ein zum Unmut der Fahrgäste "witterungsbedingt" deutlich reduzierter Fahrplan - auch als ab spätestens Dienstag auf den Straßen längst wieder alles fuhr.

Irgendwo saß dann auch jemand mit seltsamem Humor: Als am Montagvormittag zwischen 9 und 11 Uhr nach gut 48 Stunden Betriebsruhe der erste Zug von Mühldorf nach München schlich, lautete die Begründung für die zunächst eine, am Ziel dann zwei Stunden Fahrplanabweichung tatsächlich "Verspätung eines vorausfahrenden Zuges".

Georg Ringler, Dorfen

Selbst hacken und schaufeln

Ich gehöre zu den leidgeprüften Münchnern, die eine Woche nach dem Schneefall immer noch über Eisflächen auf Gehwegen stolperten, die großzügig mit scharfkantigem Split bedacht wurden. Stattdessen wäre es viel hilfreicher gewesen, die Gehwege freizuräumen, bevor der Schnee durch das Drübergehen komprimiert wird und immer fester gefriert.

Zu der Frage, wer mehr Gerät bezahlen soll, mein dezenter Einwand, dass ich als Steuerzahler schon davon ausgehe, dass mit dem Geld, das ich bezahle, eine gewisse Daseinsvorsorge getroffen wird. Und zu den Geschwadern an mit Warnjacken bewehrten Schneeschippern: Ich wohne scheinbar in einer Gegend (München-Obergiesing), in die es diese Geschwader nicht verschlagen hat, denn ich habe niemanden gesehen, selten ein maschinelles Räumfahrzeug. Ich erlitt dann beinahe einen Herzinfarkt, als ich am Tag sieben nach dem Schneefall wieder in eine Straßenbahn einsteigen konnte, so überrascht war ich.

Letzter Hinweis: Ich wohne an einer Metro-Bus-Strecke. In meiner Naivität ging ich davon aus, dass nach dem Mittleren Ring als Nächstes diese Hauptbusspuren freigeräumt werden, aber da war ich wohl zu blauäugig; die Hauptarbeit übernahmen das Tauwetter und jene Busse, die sich über die Straßen quälten.

Als ich dann wieder spazieren ging, habe ich eine Hacke mitgenommen, um Eisplatten zu entfernen, über die ich mich zu gehen weigerte. Vermutlich werde ich im Frühjahr eine private Schneeschippe erwerben, um im nächsten Winter in meinem Umfeld selbst Schnee zu räumen. Vielleicht sollten die Stadtwerke einfach zugeben, dass es ihnen bei starkem Schneefall nicht möglich ist, ihren Aufgaben vollumfänglich nachzukommen, und dies an die Einwohner Münchens delegieren - es wäre zumindest ehrlich.

Erich Würth, München

Überforderter Flughafen

Dem sehr zutreffenden Artikel über das Desaster am Münchner Flughafen ("Seit Tagen in der Warteschlange") möchte ich noch eigene Erlebnisse hinzufügen. Wir sind am Sonntag, an dem es bekanntlich nicht mehr geschneit hat, nach einem fünfstündigen Flug am späten Abend in München gelandet und mussten dann drei volle Stunden im Flugzeug warten, weil niemand eine Treppe zum Aussteigen bereitstellen konnte oder wollte. Nur den geduldigen Passagieren war es zu verdanken, dass kein Tumult ausbrach. Das Kabinenpersonal bekam keinerlei Informationen, wie lange es dauern könnte.

Als der Ausstieg schließlich doch möglich war, warteten wir eine Stunde auf unsere Koffer, bis schließlich klar war, dass diese nicht mehr ausgeladen würden. Wiederum gab es keinerlei Info. Einige Passagiere waren gezwungen, auf Pritschen im Flughafen zu übernachten, da sie kein Hotelzimmer im Hilton für 350 Euro zahlen wollten oder konnten.

Auch am darauffolgenden Tag war es uns nicht möglich, die Koffer abzuholen, wir konnten nur eine Vermisstenanzeige aufgeben. So warten wir bis heute vergeblich auf unser Gepäck. Das Versagen des Flughafens ist offensichtlich und mit nichts zu entschuldigen. Es fehlt überall an Personal, was angesichts der niedrigen Löhne nicht verwunderlich ist. Wie dieser Flughafen die Auszeichnungen bekommen kann, derer er sich ständig rühmt, ist völlig rätselhaft.

Johann Betz, Freising

Früher war weniger Ärger

Als Ursache des Eisenbahnchaos der letzten Tage wird immer wieder angeführt, dass die Oberleitungen durch abgebrochene Äste beschädigt wurden und diese Reparaturen sehr lange brauchen und/oder dass die Leitungen vereist sind. Schon bei dem Sturm im Sommer waren die elektrifizierten Strecken das größte und am längsten bestehende Problem. Ich möchte daran erinnern, dass in den letzten Jahren bis in die jüngste Zeit es beim bayerischen Journalistenvolk (auch der SZ) üblich war, sich über den hohen Anteil nicht elektrifizierter Strecken zu erregen (gerne gesprochen wurde von Strecken mit Dieselstinkern). Ein umgestürzter Baum, ein abgebrochener Ast ist schnell von Gleisen entfernt. Aber eine Oberleitung... Bei Sturm und ein bisschen Winter zeigen sich die Vorteile dieser "unzeitgemäßen" Bahnlinien.

"Ein bisschen Winter" - ich kann nicht verstehen, warum die jetzt benannten Probleme den Bahnverkehr lahmlegen können. Waren es doch die Strecken im Voralpenland, die sehr früh elektrifiziert wurden (Murnau-Oberammergau in Betrieb seit 1905, und seit 1924 Murnau-Garmisch) und die in Zeiten mit noch richtigen Wintern (für mich: ab den 50er-Jahren) meistens funktionierten.

Hartwig Hagenguth, Grafrath

Der Tiroler wundert sich

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Eine kleine Beobachtung: Ich lebe in Tirol, gestern (am Samstag, 2. Dezember; d. Red.) hätten meine Tochter und Schwiegersohn wegen meiner Geburtstagsfeier aus Amsterdam mit dem Nachtreisezug nach Innsbruck fahren sollen, waren in Nürnberg gestrandet mussten fast fünf Stunden im Zug warten, eher sie weiter nach Ingolstadt gebracht wurden; dort war dann ersatzlos und ohne weitere Informationen oder gar Hilfe Endstation, ebenso für hunderte andere Reisende. Ich habe die Nacht von Freitag auf Samstag in Tirol mit fast 50 Zentimeter Neuschnee auch erlebt. Es ist Wintereinbruch, klar, aber bei uns: Die Busse fahren, soweit nicht international abgesagt, zu 80 Prozent, die Züge und die Straßenbahnen auch, die Straßen, die Autobahnen sind geräumt, die Feuerwehren entsorgten schnell und fachgerecht Bäume.

Weil ich meine Tochter nicht in Ingolstadt am Bahnhof lassen wollte (Mietautos, Busse, Flix-Bus, Taxis ausgebucht), fuhr ich selber gestern mit dem Auto nach Ingolstadt, sie zu holen - und ich wunderte mich über das organisatorische Chaos, das in Deutschland wegen eines starken Wintereinbruchs herrschte. Was macht man in Deutschland, wenn wirklich eine Katastrophe eintritt? Und die Deutsche Bahn: Das ist wirklich ein unbeschreiblich jämmerlicher Haufen geworden!

Kleiner Nachtrag: Zwischenzeitlich von Freunden gehört, die in Wien am Flughafen gestrandet sind - wir sind also nur graduell besser.

Heinz Kofler, Götzens (Tirol)

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