Leserbriefe:Gebt uns Georg Schramm und Dieter Hildebrandt zurück

Lesezeit: 5 min

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte (Illustration))

Hans Well erntet viel Lob für seine kritische Analyse. Aber auch den Vorwurf, selbst an der geforderten Toleranz zu scheitern.

"Kabarett spießig" vom 25. August, Gastkommentar von Hans Well:

Nach rechts abgedriftet

Die Analyse von Hans Well zu spießigen, leider auch bayerischen Kabarettistinnen und Kabarettisten findet meine uneingeschränkte Zustimmung. Entsetzt ist zu registrieren, dass etwa Monika Gruber oder Helmut Schleich nach rechts abdriften.

Wie sehr würde ich mir wünschen, dass sich Georg Schramm wieder zu Wort meldet und zumindest temporär - weil's brennt - auf die Brett'l-Bühne zurückkehrt. Dieter Hildebrandt würde im weiß-blauen Himmel "lachen" und "schießen". Frank-Markus Barwasser weilt glücklicherweise unter den Lebenden. Die aktuelle Situation ruft nach einem Diskurs zwischen seinen Kunstfiguren "Pelzig, Hartmut, Doktor Göbel" zur AfD. Zurück mit ihm ins Hauptprogramm des ZDF oder der ARD - statt des immer problematischeren Dieter Nuhr.

Oder Martina Schwarzmann. Diese geistvolle "Frau vom Land" könnte wunderbar dem Profi-Landwirt Hubert Aiwanger, einem rechten Wolf im demokratischen Schafpelz, Paroli bieten. Nun habe ich Altmeister Polt, Tausendsassa Ringlstetter und viele andere großartige Kabarett-Kräfte in und um Bayern noch gar nicht bemüht. Ich denke aber, mein Appell ist klar: Meldet Euch zu Wort, wenn es Euch zum Beispiel ernst damit ist, dass der Schutz von Klima, Umwelt und Artenreichtum vor Wachstumshysterie und Genuss-Sucht gehen soll. Auf dass Ihr im Sinn von Adornos "Dass immer möglich ist, was einmal möglich war" Mahnerinnen und Mahner bleibt, um mit spitzer Feder im Sinne von Werner Finck auf rechte "Phrasenjagd" zu gehen.

Nehmt bitte dem Kabarett im Freistaat und über seine Grenzen hinaus den Makel, der Eurer wunderbaren Kunstform durch die zu "Wutbürgern degenerierten Satiriker" droht, wie Hans Well sie in seinem Beitrag trefflich charakterisiert.

Dr. Bernhard Conrads, Marburg

Selbstgerechte Schelte

Kurt Tucholsky, der Kämpfer für Meinungsfreiheit, hat ausgedient. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Antwort auf die Frage "Was darf Satire?" ganz selbstverständlich lautete: "Alles." Heute darf Satire nur das, was im Sinne linksliberaler Wokeness, eines politisch korrekten urbanen Lifestyles, nicht der Cancel Culture unterliegt. Wer wie Monika Gruber, Bruno Jonas und Helmut Schleich das Herz am - Achtung, kein Wortspiel - rechten Fleck und das Ohr bei den Alltagssorgen und Bedürfnissen der kleinen Leute und der bürgerlichen Mittelschicht hat, wird mit der Populismuskeule überzogen. Hans Well und Konsorten können sich locker mehrere Wärmepumpen leisten und müssen sich nicht von Klimaklebern bei Alltagsbesorgungen oder Versorgungsfahrten stören lassen. Satire darf alles, was der Würde und den Rechten der Menschen dient, und wenn es "spießig" ist, wie die Satiriker des vermeintlichen Zeitgeistes vom hohen Ross ihrer Saturiertheit arrogant und selbstgerecht herunterposaunen.

Thomas Gottfried, Freising

Bierzelt-Populismus

Hans Well trifft den Nagel auf den Kopf: Wie hoch haben wir Kabarettisten geschätzt, die die Schwächen der angeblich Mächtigen aufgedeckt und künstlerisch in ihrer Satire aufgespießt haben! Und wie sehr werden wir in jüngster Zeit durch die nämlichen Kleinkünstler enttäuscht, ja sogar verschreckt, wenn sie sprachlich und inhaltlich primitiv, teils sogar ordinär dem Bierzelt-Populismus staatstragender Politiker folgen. Früher hätten sie über diese Feinde echter Demokratie ihren Spott ausgegossen, jetzt kriechen sie auf deren Schleimspur. Dank an Hans Well, der die Fakten nüchtern hingeblättert hat.

Dr. Ambros Brucker, Gräfelfing

Angstmacherei

Herzlichen Dank an Hans Well für diesen scharfsinnigen Kommentar zu Monika Gruber, Helmut Schleich und Co. Wie traurig, dass diese es unseren führenden Landespolitikern gleichtun, die die Menschen in ihrer Angst vor der dringend nötigen Veränderung bestärken und einer angeblichen "schweigenden Mehrheit" nach dem Mund reden, anstatt wirklich mutig voranzugehen, anderen Mut zu machen und die großen Chancen einer ökologischen Transformation zu betonen.

Robert Bauer, Nürnberg

Ideologischer Weltretter

Dem "Musiker und Texter" Hans Well kann man mit seiner Kolleg/-innen-Philippika "Kabarett spießig" nur raten: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Heißt: Der Welten-, weil Klimaretter - ehemals Biermösl-Blosn - kritisiert grünkritische Satiriker/-innen wie Gruber, Schleich oder Jonas oder Nuhr, weil sie sein ideologisches Weltrettungsdogma kabarettistisch wütend auf die Schippe nehmen. Hoffentlich klebt er sich bald auf Münchner Straßen an - und dann sollte man nicht polizeilich eingreifen, sondern ihn kleben lassen.

Richard Auer, Nürnberg

Auf billigen Applaus aus

Vielen Dank, lieber Hans Well, für diese Einordnung aktueller bayerischer Satirik. Schon seit Längerem irritiert es mich, wie sich bestimmte Kabarettisten am Zeitgeist bedienen und billigen Applaus durch Verunglimpfung angeblich ideologisch agierender Personen und Parteien abgreifen. Von Frau Gruber bin ich dies ja schon gewohnt. Ihr unterstelle ich ein grundsätzlich mangelndes Verständnis in Klimafragen und beim Schutz von Minderheiten. In zunehmend dumpfer bayerischer Manier findet sie ihr Publikum und verstärkt Stimmungen gegen dringend notwendige politische Maßnahmen. Wer mich aber in diesem Zusammenhang völlig überrascht und enttäuscht hat, ist Bruno Jonas. Was ist denn in diesen Mann gefahren? Ich habe ihn stets als großen bayerischen Kabarettisten geschätzt, der mit Dieter Hildebrandt gespielt und dessen Art von Satire verinnerlicht haben sollte. Die Weisheit scheint mitunter dem Alter zum Opfer zu fallen. Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr bayerische Kabarettisten gegen diese anbiedernde, ja manchmal populistische Form ihrer Kollegen/-innen zu Wort melden, so wie das Christian Springer schon getan hat. Was würde wohl Gerhard Polt dazu sagen?

Franz Pazier, Hausham

Trendlärmer

Hans Well gebührt Dank und Anerkennung für seine klaren Worte und seine Distanz zu den Trendlärmern. Diese wohlstandsangefütterten Frauen und Männer, die sich hinter dem Begriff "Kaberettist/-in" wohldotiert eingenistet haben, verleugnen die wirklichen Anliegen unserer Zeit. Sie sind zu lärmenden Weihrauchschwenkern rechtslastiger Strömungen abgedriftet. Der Jubel einer bestimmten Populationsgruppe ist ihnen sicher. Umwelt interessiert sie nicht - nur Quote. Ob Nuhr, Gruber - die Naivste - oder Schleich, der Prolo-Polterer, oder nun leider auch noch Jonas, von dem ich diesen Schwenk nicht für möglich hielt. Man möchte ihnen entnervt zurufen: Schleicht's euch.

Herbert Martin Fischer, München

Seltsamer Richtungswechsel

Der Dank gilt in erster Linie dem Autor Hans Well, aber gleich in zweiter Linie der Redaktion, die für die Meinungsseite der SZ verantwortlich ist. Obwohl ich jede Zeile seines Artikels unterschreiben kann, befürchte ich, dass Hans Well viel Gegenwind ernten wird. Ungeklärt wird für mich bleiben, wie es dazu kommen konnte, dass Monika Gruber, Helmut Schleich und Bruno Jonas das Kabarett-Genre gewechselt haben. Früher haben auch sie mit ihrer Kritik bei den Mächtigen angesetzt, statt mit populistischen Parolen nach Beifall zu gieren. Nur bei Dieter Nuhr habe ich den Eindruck, dass er seine Positionen nicht verändert hat.

Rolf Baumann, Grafing

Verlust für den Humor

Hans Well spricht mir aus der Seele: Schon seit einiger Zeit wundre ich mich über Helmut Schleich und schon länger über Monika Gruber. Beide fand ich großartig - früher, als sie noch pointiert, selbstironisch und unglaublich lustig die Absurditäten aus Politik und Alltag aufs Korn nahmen. Sukzessiv wandelten sie sich jedoch zu selbstgerechten Besserwissern, die voller Häme über alles herziehen, das sie für falsch oder bescheuert halten. Sehr schade, auch traurig und bitter - ein Verlust für den bayerischen Humor.

Andrea Schramm, Nürnberg

Scheinhumor

Hans Well hat in seinem Beitrag "Kabarett spießig" in der SZ mal wieder - nicht zum ersten Mal - den Nagel auf den Kopf getroffen. Vermutlich arbeitet das erwähnte Quartett der "Spezialkabarettisten" bereits an der Apologie für Hubert "The Polit-Joker" Aiwanger. Jede Bevölkerung hat die Kabarettisten/-innen, die sie verdient? Gemessen an den oben Genannten sieht es nicht gut aus. Löblicherweise existieren doch noch einige klug-gewitzte und satirisch-seriöse Kabarettistinnen und Kabarettisten, die ihre Texte nicht aus den unteren Schubladen hervorkramen. Hans Well nennt dazu recht exemplarisch für andere die Sendung "Extra 3".

Durch Scheinhumor provoziertes Auf-die-Schenkel-Klopfen gehört ins Bierzelt. Nichts gegen ein gutes Bier, aber manchen, leider zu vielen, steigt es zu Kopf und vernebelt die Sinne. Deshalb sollte man Bierzelte auch nicht als Wahllokale missbrauchen.

Reinhold Rubner, Nürnberg

Wo bleibt Georg Schramm?

Bravo, bravo, bravo, Hans Well! Mehr braucht man dazu nicht zu sagen. Wo bleiben die Georg Schramms und die Dieter Hildebrandts? Wo bleibt der junge Bruno Jonas? Jetzt ist er nur noch ein Zerrbild seiner selbst!

Willi Hörmann, Germering

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung , gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und dem Wohnort. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de . Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: