Weitere Briefe:Mäßigung tut Not

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Gegen eine geplante Unterkunft für 500 Geflüchtete in der Gemeinde Warngau (Landkreis Miesbach) regt sich heftiger Protest. Foto: Matthias Köpf (Foto: Matthias Köpf)

Ob es um eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Warngau geht oder um den Umgang mit protestierenden Bauern, Leser wünschen sich eine humanere Rhetorik.

Menschlichen Ton, bitte

"Warngauer Wut" vom 7. Februar:

Dass in einem abgelegenen Bereich der Kommune Warngau nach Meinung des Landrates eine Flüchtlingsunterkunft für 500 Menschen zu schaffen ist, stellt auf den ersten Blick eine zahlenmäßige Überforderung für alle kommunalen Einrichtungen dar. Der zweite Blick lässt die handwerklichen Fehler der Verantwortlichen erkennen, die geradewegs der AfD in die Karten spielen. Dazu wurde die Stimmung in Warngau unterschätzt und genussvoll seitens der AfD unterfüttert.

Stimmen wie "ich habe drei Kinder" oder "wer bezahlt die Schäden an meinem Porsche" - was für ein Bild wird hier transportiert? Alles Fremde, zumal noch mit einer anderen Hautfarbe, ist kriminell, eine Gefahr für "meine Kinder" und für mein Auto. Als ob es unter uns "Weißen" keine kriminellen Bürger gäbe. Aber davor verschließt man gern mal die Augen. Ich will hier nichts beschönigen, die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge ist hoch für die Kommune. Wenn sich aber die Bewohner von Warngau oder die Teilnehmer der Bürgerversammlung mehrheitlich mit diesen dumpfen und vorverurteilenden Argumenten bemerkbar machen, ist das einer offenen und toleranten Gesellschaft nicht förderlich. Ja, jeder soll seine Ängste und seine Argumente vorbringen, auch der Landrat muss das zur Kenntnis nehmen.

Was würden wir alle morgen tun, wenn alle Menschen, die geflüchtet sind und bei uns bereits Arbeit gefunden haben, ihre Arbeit niederlegen würden? Wir werden uns die Augen reiben ob der Anzahl und deren Wirkung auf unseren Alltag. Daher hört auf, Euch in dieser Sprache in der Gesellschaft bemerkbar zu machen, reden wir alle miteinander, finden wir wieder das Gespür für den Anderen. Auch für den Landrat gilt, sein eigenes Vorgehen zu hinterfragen.

Manfred Jenschke, Gilching

Verständnis für Landwirte

Leserbriefe "Aiwanger, der Staatsminister für Populismus" vom 12. Januar sowie "Der Proteststaubsauger" vom 10. Januar und Leitartikel "Morbus Aiwanger" vom 8. Januar:

Es ist also wieder so weit! Verurteilung, Beschimpfung und grobe Beleidigung unserer Landwirte ist wieder in. Ausdrücke, die normalerweise nicht geduldet werden, sind wieder salonfähig geworden. Oder wie soll man sonst nachvollziehen, dass hier protestierende Landwirte als "feixende Bauernlümmel" bezeichnet werden dürfen? Wäre es im Umkehrschluss vielleicht justiziabel, die Briefeschreiber als "pöbelnden Mob ohne jeglichen Sachverstand" zu bezeichnen? Hoffentlich nicht!

Und welche "Privilegien" sind denn gemeint, deren Verlust angeblich der einzige Zweck der Proteste ist? Vielleicht das Privileg, jeden Morgen zwischen 4 und 5 Uhr aufzustehen, um sich um die Tiere zu kümmern, und das sieben Tage in der Woche? Das Privileg, auf gutes Wetter hoffen zu müssen, damit nicht die Arbeit eines ganzen Jahres verloren ist? Das Privileg, nach getaner Tagesarbeit auf Hof und Feldern auch noch überbordenden Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand betreiben zu müssen, der den Landwirten sowohl von der eigenen Regierung als auch von der EU auferlegt wird?

Oder ist vielleicht das Privileg gemeint, bei der Ernte auch noch Gefahr zu laufen, von herumfliegenden Metallteilen getroffen und verletzt zu werden, die freundliche Mitbürger immer häufiger in den Feldern verstecken? Dann gibt es noch das Privileg, eventuell alle ein bis zwei Jahre mit der Familie Urlaub machen zu wollen - wie kann man nur so anspruchsvoll sein! Leider können die Landwirte nicht wie viele andere Mitbürger beim Arbeitgeber die Hand aufhalten und Urlaubsgeld kassieren. Nein, sie müssen zunächst mal sehen, ob sie für diese Zeit überhaupt eine Vertretung im Betrieb bekommen, die dann natürlich auch noch bezahlt werden muss. Das geht ins Geld - ungefähr so, als ob man noch ein weiteres Familienmitglied mit in den Urlaub nehmen würde.

Wie würden die Kritiker darüber denken, wenn ihnen plötzlich per Federstrich eine Summe von 10 bis 15 000 Euro pro Jahr genommen wird, so wie es vielen kleinen und mittleren Familienbetrieben jetzt droht? Ich selbst kenne keine einzige Landwirtin, keinen Landwirt, die nicht mit Freuden auf alle Subventionen verzichten würden. Dann müsste allerdings gewährleistet sein, dass diese Berufsgruppe auch von ihrer Arbeit leben kann. Das bedeutet, dass sowohl die Lebensmittelmärkte als auch die Endverbraucher die Preise bezahlen müssten, die es den Landwirten erlauben, den Betrieb zu erhalten, ihre Familie zu ernähren und auch für das Alter vorzusorgen.

Solange Heu als Einstreu für Meerschweinchen oder Hamster weiterhin teurer ist als Speisekartoffeln, ist das wohl Utopie! Bisher traut sich jedenfalls keine Bundesregierung an dieses Thema, obwohl bekannt ist, dass wir Verbraucher in Deutschland - im Verhältnis zum Einkommen - im Vergleich zu anderen EU-Ländern mit am wenigsten für Lebensmittel ausgeben. Leute denkt nach, oder wollen wir wirklich riskieren, dass bei uns im Lande nur noch große Agrarkonzerne den Markt bestimmen oder wir nur noch importiertes Obst und Gemüse "genießen" dürfen, ohne wirklich die Qualität beurteilen zu können?

Elisabeth von Mahs, Moosach

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