Leserbriefe:Die AfD - stramm gegen die EU

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SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte (Illustration))

Einige Leser rufen nach einem Verbot der rechten Partei, andere rufen dazu auf, sie nicht zu ignorieren, sondern politisch zu bekämpfen.

"Heftige Kritik an der AfD" und "Die Gefahr der Gewöhnung" vom 8. August, "AfD setzt auf EU-feindlichen Kurs" vom 31. Juli, "Die EU muss sterben" und "Der nächste Schritt" vom 5./6. August sowie "Das deutsche Problem" vom 1. August:

EU unterwandern

Eine von rechten Kräften dominierte Europäische Union schien lange Zeit unvorstellbar. Schließlich galt die Rechte vor allem als nationalistisch - und die EU als das genaue Gegenteil. Die Union wurde schließlich auch gegründet, um den Nationalismus und seine fatalen Folgen im Zweiten Weltkrieg hinter sich zu lassen. Rechtsradikale Parteien konnten in der Vergangenheit zwar immer wieder Störaktionen gegen die EU starten, sie aber nicht aktiv und konstruktiv mitgestalten, da die Rechte schlichtweg nicht an die europäische Integration glaubt. Nach der "AfD-Versammlung" in Magdeburg dürfte sich künftig ein etwas anderes Bild zeigen: gegen die EU, gegen Brüsseler Bürokraten, gegen Einwanderung. Für eine "Festung gegen Migranten" und "Schutz unserer Heimat".

Die AfD hat in Magdeburg beschlossen, der europäischen Partei "Identität und Demokratie/ID" beizutreten, in der die Rechtsaußenparteien FPÖ (Österreich), Lega (Italien) und "Rassemblement National" (Frankreich) Mitglied sind. Viele rechtsradikale Parteien wollen die EU nicht mehr verlassen, sondern in ihr arbeiten und sie umgestalten. Es gibt inzwischen eine Reihe von rechtsgerichteten Regierungen in EU-Ländern wie Polen und Ungarn sowie im EU-Gründungsstaat Italien, die eine rechtsradikale EU - zumindest theoretisch - möglich und denkbar machen. So hat die italienische Regierungschefin Meloni bisher ein viel harmonischeres Verhältnis zur EU als beispielsweise Ungarns Viktor Orbán. Das Mitsprechen und Mitgestalten der Rechten dürfte sich als größeres Problem zeigen als etwaige Drohungen mit einem EU-Austritt. Eine rechtsgerichtete EU wäre eine Union, die sich zurückentwickelt und in der die Macht an die einzelnen Mitgliedstaaten zurückgegeben wird.

Wenn man Europa von innen heraus rückabwickeln will, dann braucht man Partner. Es ist zu befürchten, dass bei den Wahlen zum EU-Parlament im kommenden Jahr ein Bündnis zwischen der gemäßigten und der radikalen Rechten die bisher am weitesten rechts stehende EU-Kommission hervorbringen wird.

Helmut Müller, Bonn

Gegen das Grundgesetz

Es reicht! Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt - Artikel 1 unseres Grundgesetzes.

Die AfD verletzt die Würde des Menschen. Sie ist rassistisch, homophob, und neofaschistisch. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch die der Flüchtlinge, der Migranten, der Homosexuellen, der Andersfarbigen. In ihrer grundsätzlichen Haltung und in unzähligen Äußerungen verletzt diese Partei den Artikel 1 des Grundgesetzes. Es reicht. Diese Partei muss verboten werden!

Toni Lüdi, München

Feinde der Demokratie

Worauf wartet die wehrhafte Demokratie eigentlich noch? Auf weiteren Zuspruch für die AFD, die sich deswegen weiter radikalisiert? Oder darauf, dass Friedrich Merz doch noch mit der AfD kooperiert? Seit dem menschenverachtenden Spruch Gaulands ist doch schon lange klar, wie diese Partei zu sehen ist. Niemand aus der AfD hat ihm widersprochen, er ist zum "Ehren"-Vorsitzenden gekürt worden. Für diese Partei ist millionenfacher, bestialischer Mord - ein Vogelschiss. Ein brutaler Krieg mit über 60 Millionen Toten bis 1945 - ein Vogelschiss. Die Liste wäre sehr lang, wollte man all die grausamen Verbrechen der Nazis aufführen - für die AfD alles ein Vogelschiss.

Wenn schon ein Verbot dieser Partei hohe rechtliche Hürden hat, so darf die demokratische Mehrheit die Feinde der Demokratie nicht auch noch finanziell stärken. Die AfD fordert schon seit Jahren Etatkürzungen für demokratisch engagierte Kultureinrichtungen. Sicherlich hat die AfD großes Verständnis, wenn ihre Forderung von Demokraten mal ausnahmsweise übernommen wird, nur andersherum. Für die Selbstachtung der demokratischen Parteien ist es essentiell, sämtliche öffentlichen Gelder an diese Partei zu streichen.

Das Hauptproblem allerdings sind die vielen Wähler, welche die AfD als eine normale, wählbare Partei ansehen.

Fritz Schulte-Spechtel, Anzing

Ignorieren hilft nicht

Die Beschwörung der "Brandmauer" gegen die AfD durch die etablierten Parteien gerinnt immer mehr zum sinnentleerten Ritual. Man trägt es wie eine Monstranz vor sich her, als gelte es, ein böses Virus abzuwehren. Dies erschwert zunehmend die seit Langem fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD und bewirkt inzwischen das Gegenteil des Intendierten. Das Aussprechen einer Selbstverständlichkeit durch Friedrich Merz - dass man mit AfD-Vertretern im Gemeinderat spricht und sich abstimmt - wird als Demokratiefrevel verunglimpft.

Viele AfD-Wähler sind Menschen wie du und ich. In den Medien vermisse ich unvoreingenommene Berichte, in denen sie zu Wort kommen. Es reicht nicht, wenn man sich immer wieder nur über Gesinnungen von AfD-Politikern empört, so ablehnenswert diese auch sein mögen. Offenbar verschwindet die AfD nicht, indem man ihr Existenzrecht negiert und ihre Vertreter politisch ignoriert. Politik muss sich an Handlungen messen lassen. Mit der AfD muss man sich politisch auseinandersetzen, nicht brandschutztechnisch oder medizinisch.

Prof. Ludwig Paul, Hamburg

Höckes Gedankenwelt

Den Kommentatoren des titelgebenden Diktums von Björn Höcke ("Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.") ist der feine literarische Tiefsinn des Sprechers entgangen. Höcke formt seine Aussage einer Gedichtzeile nach aus dem Gedicht "Soldatenabschied 1914" von Heinrich Lersch. Dort heißt es: "Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen!" Was hier intertextuell stimmt, ist der Wunsch, erst müsse etwas sterben, damit es dann weiterlebt. Und dass man bereit ist, dafür ziemlich weit zu gehen. Die Zeile ist auf einem Denkmal des Reserve-Infanterie-Regiments No. 76 in Hamburg erhalten. Das Regiment wurde im Oktober 1866 aufgestellt und gelangte im Ersten Weltkrieg zu kriegerischem Ruhm - von 3000 Abschied nehmenden Soldaten kehrten 647 aus dem Krieg zurück und wurden 1918 demobilisiert.

Anlässlich der Wiederaufstellung des Regiments wurde 1938 das monströse Denkmal unter feierlichem Beistand der Nazi-Größen errichtet. Nun dienten dort 20 000 Mann, 6000 von ihnen nahmen Abschied für immer. Deutschland hatte nur schwerbeschädigt überlebt. Die englischen Besatzer wollten das Denkmal mitsamt Dichterzeile sprengen. Leider gab es noch immer genügend Überlebende, die das verhindert und damit der Stadt jahrelangen Ärger bereitet haben.

Schön, dass Herr Höcke uns Einblick gewährt, was ihm so durch den Kopf geht.

Dr. Ulrich Paschen, Fahrdorf

Falsche Verheißungen

Noch unverhohlener kann die AfD eigentlich nicht nachweisen, dass sie nicht nur die EU, sondern auch die BRD und damit die Demokratie von innen heraus abwickeln will. Niemand kann übersehen, dass Björn Höcke derjenige ist, der die Fäden in der Hand hält und den AfD-Ton angibt. Alice Weidel jubelt, und Tino Chrupalla bellt und gibt Pfötchen.

Und wie reagieren die anderen Parteien? Hilflos und jämmerlich wie vor neunzig Jahren. Klare Kante traut sich keine! Klare Kante heißt nämlich, dem Volk, dem Wähler zu sagen, dass "Demokratie" die anstrengendste aller Staatsformen ist. Anstrengend deshalb, weil jeder nicht nur am Wahltag gefragt ist. Anstrengend deshalb, weil man mit Fakten argumentieren muss, nicht mit Parolen. Anstrengend deshalb, weil man mehr 'gemeinsam' braucht und nicht nur immer 'ich'. Anstrengend deshalb, weil man mit Kompromissen Politik machen muss und nicht mit Diktat. Anstrengend deshalb, weil man seinen Hintern bewegen muss und etwas tun muss für seinen Wohlstand und nicht nur immer nach dem Staat schreien kann, damit er für einen sorgt.

Im Westen der Republik wurde das zwar über Jahrzehnte gelernt, aber auch hier tun sich einige massive Gedächtnislücken auf. Im Osten scheint da etwas noch nicht recht angekommen zu sein. Eigentlich aber sollte dieser auch aus der Erfahrung lernen: Das Hinterherlaufen hinter den Heilsbringern aus dem Westen ist doch gerade im Osten bisher kräftig in die Hose gegangen: Weder vor 100 Jahren der Österreicher aus München mit seinem "arischen Herrenvolk", noch Erich, der Saarländer, mit seinem "Arbeiter- und Bauernstaat" oder Helmut, der Pfälzer, mit seinen "blühenden Landschaften" haben annähernd die geweckten Erwartungen erfüllt.

Warum ausgerechnet der Wessi Björn Höcke aus Nordrhein-Westfalen mit seinem Vaterlandsgeschrei nun der Heilsbringer für den Osten der Republik sein soll, erschließt sich einem rational denkenden Menschen nicht. Und jede Wette, wenn es schiefgeht mit der AfD-Macht in der BRD, ist auch Alice ganz schnell wieder weg in ihrem Wunderland (Schweiz!) und sorgt dafür, dass andere Deutsche - ob Wessi oder Ossi - dort dann garantiert nicht rein dürfen.

Rolf-Jürgen Lang, Hofstetten

Die Wähler sind das Problem

Die größte Gefahr für unsere Demokratie ist nicht die AfD, es sind die vielen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sie wählen. Bitte setzen Sie sich endlich damit auseinander: Wer folgt aus welchen Gründen der AfD und anderen Populisten, wie gehen wir mit deren heutigen Wählern um, und - ganz wichtig - wie vermeiden wir künftige?

Klaus Werner, Erlangen

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