Zukunft der Arbeit:Roboter, übernehmen Sie!

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Die Digitalisierung wird oft als vierte industrielle Revolution bezeichnet, nach der Erfindung der Dampfmaschine, des Fließbandes und des Computers. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Die Digitalisierung wird viele Arbeitsplätze überflüssig machen. Welche Berufe sind am stärksten vom Wandel betroffen? Und welche Jobs schafft die Vernetzung? Drei Prognosen.

Interviews von Miriam Hoffmeyer

SZ: Herr Professor Kagermann, in Zukunft sollen Maschinen untereinander und mit dem Internet vernetzt sein und intelligente Roboter einen Großteil der menschlichen Arbeit übernehmen. Ist diese Entwicklung unausweichlich? Oder ist Industrie 4.0 nur ein Hype?

Henning Kagermann: Initiativen zum Thema Industrie 4.0 gibt es in vielen Ländern. Ohne eine weitere Automatisierung und Digitalisierung wird die deutsche Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr Produktionsvolumen nicht erhalten können. Wenn wir nichts tun, gehen also auf jeden Fall Arbeitsplätze verloren.

Welche Berufe könnten überflüssig werden?

Maschinen und Softwareprogramme werden vor allem Routinetätigkeiten übernehmen. Das betrifft nicht nur physische Arbeit. Daten können heute nicht nur besser gesammelt werden als früher, durch maschinelles Lernen können auch mehr Einsichten daraus gewonnen werden. Disponenten zum Beispiel werden kaum mehr gebraucht, wenn sich Computerprogramme automatisch darüber austauschen, wann die Spedition eine Fracht vom Hafen in die Fabrik bringen soll. Auch in Bereichen wie Logistik oder Verwaltung werden deutlich weniger Menschen arbeiten.

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Müssen wir mit Massenarbeitslosigkeit rechnen?

Als die Automatisierung in den Achtzigerjahren begann, galt sie als Arbeitsplatzvernichter. Trotzdem gibt es in Deutschland heute mehr Beschäftigte als damals. Industrie 4.0 kann ebenfalls so große Wachstumsimpulse bringen, dass der Verlust überkompensiert wird. In vielen Berufen werden die Menschen Routineaufgaben an automatische Systeme abgeben und die Zeit für anspruchsvollere Aufgaben nutzen. Wenn Softwareprogramme zum Beispiel Verwaltungsaufgaben von Ärzten und Pflegern erledigen, haben diese mehr Zeit für Patientengespräche.

Wo werden neue Jobs entstehen?

IT-Sicherheit wird künftig eine wesentlich größere Rolle spielen. Auch in der Datenanalyse werden neue Arbeitsplätze entstehen. In den Fabriken werden Wartungsaufgaben wichtiger, denn je komplexer Systeme werden, desto schlimmere Folgen haben Störungen. Künftig wird es hybride Teams aus Menschen und Robotern geben - und damit neue Jobs für Fachleute, die Roboter konfigurieren und trainieren.

Finden dann nur noch Hochqualifizierte Arbeit?

Nein. Tendenziell wird es zwar eine Verschiebung zu anspruchsvolleren Tätigkeiten und höheren Qualifikationen geben. Auch mittlere Qualifikationen werden weiterhin gebraucht, zum Beispiel in Vertrieb und Service. Und für Niedrigqualifizierte wird es höherwertige Aufgaben geben. Denn mit den neuen digitalen Methoden wird es möglich sein, schwierige Aufgaben in einfachere Bestandteile zu zerlegen und Arbeitern dabei direkt Hilfestellung zu geben, etwa indem Informationen in eine Arbeitsbrille eingeblendet werden.

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Wie wird sich die alltägliche Arbeit der Menschen verändern?

Dezentrale Organisation wird wichtiger werden. Viele Beschäftigte werden mehr Freiheit haben und Entscheidungen selbst treffen. Unternehmen arbeiten zunehmend in Netzwerken zusammen, die sich schnell verändern - damit wird die Projektarbeit gewissermaßen zum Modell für die ganze Arbeitswelt. Die Firmen werden immer mehr Einzelaufgaben an externe Spezialisten auslagern. Dieses "Crowdworking" wird das Normalarbeitsverhältnis, wie wir es heute gewohnt sind, verändern.

Wie lange wird der Wandel dauern?

Die technische Umstellung dauert zehn Jahre oder länger. Aber es geht nicht nur um das technisch Mögliche. Die neuen Arbeitsverhältnisse brauchen einen rechtlichen Rahmen und gesellschaftlichen Konsens. Deshalb muss auch eine Debatte um soziale Sicherung geführt werden.

SZ: Frau Burk, in Zukunft sollen Maschinen untereinander und mit dem Internet vernetzt sein und intelligente Roboter einen Großteil der menschlichen Arbeit übernehmen. Ist diese Entwicklung unausweichlich? Oder ist Industrie 4.0 nur ein Hype?

Inga Burk: Die Abläufe werden immer effizienter, die Verknüpfung von Informationen und Prozessen schreitet voran. Bisher wurden eher einfache Arbeitsprozesse ins Ausland verlagert, das geht jetzt auch mit komplexen Prozessen. Erstmals in der Geschichte können nicht nur manuelle, sondern auch kognitive Tätigkeiten auf Maschinen übertragen werden. Ich habe keinen Zweifel, dass eine große Umwälzung bevorsteht.

Welche Berufe könnten überflüssig werden?

Das betrifft ganz unterschiedliche Tätigkeiten - Hilfsarbeiter ebenso wie Verkaufspersonal, Taxifahrer, Sekretariatskräfte oder Sachbearbeiter. In Japan werden Pflegeroboter bereits eingesetzt. Drohnen können Pakete ausliefern, Computerprogramme Textbausteine neu kombinieren. Mittlerweile können Roboter sogar kochen.

Müssen wir mit Massenarbeitslosigkeit rechnen?

Wirtschaftswissenschaftler in den USA haben die Folgen der Automatisierung für den dortigen Arbeitsmarkt berechnet, und wir haben ihre Methode auf die deutschen Verhältnisse übertragen. Danach sind hier mittel- bis langfristig 18 Millionen Arbeitsplätze bedroht. Ob das wirklich so kommt, ist jedoch noch unklar. Vielleicht haben wir ja auch in Zukunft lieber mit Menschen Kontakt als mit Robotern. Außerdem werden natürlich auch neue Jobs geschaffen werden.

Wo werden neue Jobs entstehen?

Natürlich in der Informationstechnologie und der Robotik. Und auch künftig wird es keine Fabriken ohne Menschen geben. Obwohl die künstliche Intelligenz schon sehr weit ist, fehlt Maschinen sozusagen der gesunde Menschenverstand. Man wird Mitarbeiter brauchen, die in der Lage sind, unerwartet auftretende Probleme in der Smart Factory zu lösen.

Finden künftig nur noch Hochqualifizierte Arbeit?

Prinzipiell sind Hochqualifizierte von den Veränderungen am wenigsten bedroht. Sie sind am schwersten durch Maschinen und Algorithmen zu ersetzen, weil ein großer Teil ihrer Tätigkeit kreativ ist. Aber auch hier gibt es Berufe, die trotz ihres Spezialwissens leichter ersetzbar sind, zum Beispiel Buchhalter oder Anlageberater.

Die Interviewten

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(Foto: David Ausserhofer)

Henning Kagermann, 68, ist Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Der Physikprofessor, der den Begriff "Industrie 4.0" mitgeprägt hat, war bis 2009 Vorstandschef von SAP.

Die Interviewten

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(Foto: Fritz Philipp)

Inga Burk, 26, arbeitet als Junior-Volkswirtin bei der Bank Ing-Diba. Ihr Fachgebiet sind internationale wirtschaftliche Entwicklungen mit dem Schwerpunkt Europa.

Die Interviewten

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(Foto: N/A)

Erik Händeler, 46, ist Volkswirt und Publizist. Als Zukunftsforscher befasst er sich mit der Wissensgesellschaft und der Entwicklung einer neuen Arbeitskultur. Fotos: privat

Wie wird sich die alltägliche Arbeit der Menschen verändern?

Generell müssen alle sehr viel flexibler werden, weil kaum noch Routineaufgaben anfallen werden. Lebenslange Weiterbildung wird deshalb noch viel wichtiger werden. Aber es ist leider nicht zu erwarten, dass alle, deren Jobs verloren gehen, durch Qualifizierung wieder Arbeit finden werden.

Wie lange wird der Wandel dauern?

Das ist ein schleichender Übergang, der schon begonnen hat. Roboter oder lernende Maschinen sind jedoch zu vielen Aufgaben technologisch noch nicht wirklich in der Lage und auch noch zu teuer, um flächendeckend eingesetzt zu werden.

SZ: Herr Händeler, in Zukunft sollen Maschinen untereinander und mit dem Internet vernetzt sein und intelligente Roboter einen Großteil der menschlichen Arbeit übernehmen. Ist diese Entwicklung unausweichlich? Oder ist Industrie 4.0 nur ein Hype?

Erik Händeler: Industrie 4.0 wird kommen, wird jedoch meines Erachtens überschätzt. Schon in den vergangenen Jahrzehnten haben Computer den Menschen viel Arbeit abgenommen, Kosten gesenkt und den Wohlstand gesteigert. Stärker als von technischen Neuerungen hängt die Wertschöpfung künftig davon ab, wie effizient Menschen mit ihrem Wissen umgehen.

Welche Berufe könnten überflüssig werden?

Es sind schon viele Stellen von Niedrigqualifizierten in der Industrie weggefallen, das geht noch ein bisschen weiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch Leute, die einfache Arbeiten verrichten. Auch in der Wissensarbeit gibt es einfachere Tätigkeiten.

Müssen wir mit Massenarbeitslosigkeit rechnen?

Nein. Arbeit ist, Probleme zu lösen. Und weil wir immer Probleme haben werden, wird uns auch die bezahlte Arbeit nie ausgehen. Die frei werdenden Ressourcen werden wir für Neues nutzen. Die Arbeit fällt nicht weg, sondern wandelt sich: Wir schrauben weniger direkt in der materiellen Welt, sondern die Wirtschaft wächst in die gedachte Welt hinein.

Wo werden neue Jobs entstehen?

Tätigkeiten wie entwickeln, planen, analysieren, den Markt beobachten und entscheiden kann uns keine Maschine abnehmen. Und je komplexer die Zusammenhänge werden, desto stärker sind Spezialisten gefragt, die gleichzeitig aber auch die nötige Allgemeinbildung haben, um ihr Nischenwissen da und dort einzubringen. Der wirtschaftliche Erfolg wird in Zukunft davon abhängen, dass man die richtigen Experten für eine Aufgabe zusammenbringt - und dass diese Experten im Team möglichst reibungslos zusammenarbeiten.

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Finden künftig nur noch Hochqualifizierte Arbeit?

Nein, es wird aber in Zukunft noch mehr darauf ankommen, sich in seinem ganz bestimmten Feld sehr gut auszukennen. Den stärksten Qualifikationsbedarf sehe ich bei der alltäglichen Arbeitskultur. Denn Umgang mit Wissen ist immer Umgang mit anderen Menschen. Das bedeutet: Konflikte im Unternehmen transparent auszutragen, sodass das bessere Argument gewinnt, keine Energien in sinnlosen Bürokriegen zu vergeuden, aus der Sach- keine Beziehungsebene machen - damit wären die größten Wohlstandsreserven zu heben.

Wie wird sich die alltägliche Arbeit der Menschen verändern?

Die Arbeit wird künftig in Netzwerken organisiert werden, die nach tagesaktueller Kompetenz zusammengestellt werden. Jeder Mitarbeiter ist mal mehr und mal weniger wichtig, die Hierarchien werden noch flacher. Zugleich werden Chefs wichtiger denn je: Statt bloß Anweisungen zu geben, müssen sie moderieren und die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter analysieren, um sie am richtigen Ort einzusetzen.

Wie lange wird der Wandel dauern?

So lange, wie die Menschen brauchen, ihre Arbeitskultur zu ändern - entweder aus Druck oder aus Einsicht. Letzteres wäre weniger leidvoll.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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