Tipps vom Karriere-Coach:"Wir müssen nicht mehr, sondern anders kommunizieren"

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"Wenn man ein Gespräch führt, dann hat das Handy aus zu sein." (Foto: imago/Westend61)

Karriere-Coach Martin Wehrle erklärt, warum es so viel Frust in den Büros gibt, wie Frauen sich behaupten und was die beiden wichtigsten Tipps für mehr Gehalt sind.

Interview von Sarah Schmidt

Martin Wehrle ist ursprünglich Journalist, arbeitet allerdings mittlerweile als Gehalts-Coach, Karriereberater und Ausbilder von Karriereberatern. Mit Büchern wie "Ich arbeite in einem Irrenhaus - Vom ganz normalen Büroalltag", "Die Geheimnisse der Chefs" oder "Sei einzig, nicht artig!" trifft er regelmäßig einen Nerv seiner Leser. Ein Gespräch über die größten Probleme in der deutschen Arbeitswelt.

SZ.de: Sie haben in den letzten 15 Jahren mehr als 20 Karriere-Ratgeber geschrieben. Ändert sich denn gar nichts zum Besseren?

Martin Wehrle: Im Gegenteil. Die Unternehmen tun mehr vom Falschen. Da heißt es: Wir müssen mehr miteinander kommunizieren - und das bedeutet noch mehr Meetings, noch größere Mailverteiler und noch mehr Missverständnisse. Wir müssen nicht mehr kommunizieren, sondern anders, wertschätzender und konzentrierter.

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Was müsste konkret anders laufen?

Ein paar Beispiele: Wenn man ein Gespräch führt, dann hat das Handy aus zu sein. Man kann nicht zwei Dinge zur gleichen Zeit tun, etwa auf einen Computer schauen und ein konzentriertes Gespräch führen. Das Zweite, was gerne übersehen wird beim Kommunizieren: Redet man wirklich über dasselbe? "Ich komme gleich bei dir vorbei" heißt für den einen "in einer Stunde", der andere denkt, im nächsten Moment kommt der Gesprächspartner zur Tür rein. Darum ist es immer wieder wichtig zu klären: Was meinst du genau?

Den größten Frust gibt es meist zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Wer ist daran schuld? Und wie kann man das besser machen?

Zur Schuldfrage kann ich sagen: Menschliche Kommunikation funktioniert wie zwei Chemikalien, die man zusammenkippt. Wenn es zu einer Explosion kommt, dann liegt es immer an den Eigenschaften beider. Doch was man festhalten muss: Die Motivation in Deutschland ist extrem gering. Von zehn Mitarbeitern ist nur einer richtig motiviert. Das liegt auch an der Führungskultur, die wir in Deutschland haben.

Was meinen Sie damit?

Wir haben immer noch die althergebrachten Strukturen von Kirche und Militär: Die Führungskraft geht voran, die anderen folgen. Die Führungskraft entscheidet, die anderen haben zu machen. Diese Art der Führung ist nicht mehr zeitgemäß. Die Mitarbeiter haben täglich Kontakt mit den Kunden, sie sind Experten in ihrem Bereich. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, ist es sehr klug, wenn Chefs nicht einfach Antworten geben, sondern die Mitarbeiter fragen und deren Meinung einbeziehen.

Die Veränderung müsste also von den Chefs ausgehen?

Ja, denn wenn ich Führungskraft bin, dann habe ich auch eine Verantwortung dafür, dass der Laden läuft. Diese Verantwortung nehmen viele aber nicht wahr. Aus meiner Tätigkeit als Gehaltscoach weiß ich, dass fast alle Führungskräfte in Deutschland abwarten, bis ein Mitarbeiter bei ihnen an die Tür klopft und eine Gehaltserhöhung fordert. Wer dann am lautesten schreit: " Hier, ich möchte mehr Geld!", der wird als erstes bedient.

Dabei ist die Führungskraft für faire Gehälter verantwortlich! Es macht einen Riesenunterschied, ob ich auf einen Mitarbeiter zugehe und sage: "Ihre Leistung dieses Jahr war wirklich klasse. Deshalb erhöhe ich Ihr Gehalt!" oder ob ich warte, wer zufällig an meine Tür klopft und rhetorisch am besten vorbereitet ist. Die Passivität und Willkür vieler Chefs sorgt natürlich für Verstimmungen in den Betrieben.

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Wann sollte man seinen Ärger runterschlucken? Welchen Kampf lohnt es auszufechten?

Kämpfen sollte man immer dann, wenn es um die eigenen Werte geht. Ein Beispiel: Jemand ist es wichtig, ausreichend Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Trotzdem wird er immer wieder zu Überstunden angehalten und sagt zähneknirschend Ja, obwohl er eigentlich Nein meint. Dann wird dieser Mensch auf Dauer kaputtgehen, weil er gegen seine persönlichen Werte lebt.

Zu seinen Werten zu stehen gilt auch für Vorgesetzte. Wenn ich ein Team führe und sehe, einer drückt sich um die Arbeit, dann ist es im Interesse aller, sich den zur Brust zu nehmen und dafür zu sorgen, dass derjenige mitzieht. In dieser Situation nicht zu reagieren, wäre unverantwortlich und hieße an völlig falscher Stelle einen Konflikt zu vermeiden.

Wie sieht es beim Thema Gleichberechtigung von Frauen aus? Da höre ich immer wieder: "Jetzt muss auch mal gut sein..."

Ich habe auch schon böse Briefe von Männern bekommen: "Schauen Sie doch mal in der Grundschule, da sind die Mädels den Jungs schon voraus und überall werden die Frauen gefördert." Aber wenn wir ins Topmanagement schauen, dann müssen wir noch immer 25 Türen öffnen, bis nach lauter Männern, Männern, Männern die erste Frau zum Vorschein kommt. Auch bei den Gehältern ist der Unterschied eklatant. Spätestens wenn ein Kind unterwegs ist, werden Männer und Frauen ganz unterschiedlich behandelt.

Er hat jedenfalls keine Nachteile zu befürchten ...

Der werdende Vater bekommt zu hören: "Das ist ja super, dass der ein Kind bekommt. Jetzt übernimmt er Verantwortung für die Familie und kniet sich im Job noch mehr rein." Eine Frau, die ein Kind erwartet, wird hingegen vom Karrierenetz abgehängt wie ein Atomreaktor mit Restlaufzeit. Nach dem Motto: "Ach, die hat sich jetzt für die Familie entschieden, die wird aufs Abstellgleis gesetzt." Eine große Dummheit, wenn Sie mich fragen.

Schließlich sind diese Frauen bestens ausgebildet und eingearbeitet. Und wenn man ein Kind erzieht, dann baut man doch seine persönlichen Kompetenzen, sogar seine Führungsqualität noch weiter aus. Erziehung heißt ja, dass man durch persönliche Autorität überzeugt, dass man schnell auf Krisensituationen reagiert, dass man mit geringem Budget sinnvoll wirtschaftet. Frauen und natürlich auch Männer, die ein Kind erziehen, lernen durchaus etwas für den Beruf. Wenn die dann zurück in die Firma kommen, kann es doch nicht angehen, dass die in Vier-Stunden-Jobs und zu Lehrlings-Gehältern vor sich hin schmoren.

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Doch auch kinderlose Frauen tun sich häufig schwer damit, in höhere Positionen aufzusteigen.

Karriere läuft schließlich noch immer vor allem über Beziehungen. Sie werden keine Job-Ausschreibung finden: "Dax-Konzern sucht Vorstandsmitglied". Und es gibt Studien darüber, dass Männer bevorzugt andere Männer in solche Positionen holen. Bei wichtigen Seminaren und Konferenzen klinken die Frauen sich oft abends aus und sagen: "Ich geh jetzt auf mein Zimmer und schlaf mich aus, damit ich morgen wieder fit bin." Viele Männer klüngeln dann noch, sitzen zusammen, tauschen Visitenkarten aus und knüpfen ihr informelles Netzwerk. Teils sind Frauen da nicht erwünscht, teils ziehen sie sich auch von sich aus zurück.

Was ist die Konsequenz? Müssen Frauen sich einfach stärker anpassen und männliches Verhalten imitieren?

Es ist wie bei einem Spiel: Wenn Sie Schach spielen, können Sie die Regeln ignorieren, dann verlieren Sie allerdings. Im Moment haben wir eine absolut männerdominierte und mit männlichen Regeln ausgestattete Geschäftswelt und meine Empfehlung an Frauen ist, sich die männlichen Spielregeln anzuschauen und zumindest zum Teil zu übernehmen. Aber dann, wenn sie an der Macht sind und selbst das Sagen haben, können sie neue Spielregeln definieren. So ähnlich, wie es Michael Gorbatschow gemacht hat, der sich erst im Apparat der Kommunistischen Partei nach oben gearbeitet hat, um dann den kalten, klassischen Sowjetkommunismus abzuschaffen. So könnten es auch Frauen machen. Wenn sie allerdings von Anfang an die Spielregeln ignorieren, dann kommen sie in diesem System nie oben an. Letztlich muss man sich klarmachen, dass die Geschäftswelt ein großer Sandkasten ist.

Gerade ist häufig vom "Mansplaining" die Rede - Männer erklären Frauen ungefragt die Welt. Wie kann man sich dagegen wehren?

Zu diesem Phänomen gehören immer zwei: Einer, der erzählt, und eine, die zuhört. Als Betroffene kann ich mich dem ein gutes Stück verweigern. Zum Beispiel indem ich meine eigenen Kenntnisse vorbringe: "Ach, das ist ja ein interessantes Stichwort, kennst du eigentlich auch die Studie xyz zu dem Thema?" So zeige ich mich selbst als Expertin, statt in eine Schülerrolle reinzurutschen. Oder ich breche so ein Gespräch einfach ab, sage freundlich und bestimmt: "Sorry, ich muss jetzt wieder an die Arbeit." Dann wende ich mich ab und gehe.

Wie sinnvoll ist aus Ihrer Sicht das gerade beschlossene Gesetz zur Lohngleichheit?

Wenn Frauen die gleichen Gehälter haben sollen wie Männer, dann müssen sie auch eine Möglichkeit haben, herauszufinden, wie hoch diese Gehälter liegen. Insofern unterstütze ich das.

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Ist das auch ein Tipp für jeden einzelnen: Rausbekommen, was die Kollegen kriegen?

Ja, wobei das nicht nur innerhalb der eigenen Firma gelten muss. Ich finde, wir sollten generell mehr über Gehalt sprechen. Zum Beispiel mit ehemaligen Kommilitonen, mit ehemaligen Ausbildungskollegen in anderen Betrieben. Ich sollte immer ein Gefühl dafür haben, ob ich mit meinem Gehalt im oberen Drittel, im mittleren Drittel oder im unteren Drittel liege. Dann schaue ich mir meine Leistung an. Wer Überdurchschnittliches leistet, der soll auch überdurchschnittlich verdienen. Wir dürfen nicht vergessen: Der Tarif ist ein Mindestgehalt für eine Mindestleistung. Der Tarif ist dafür gedacht, dass er Schwache schützt. Wer wirklich besondere Leistungen bringt, der sollte auch mehr verdienen, da darf man beherzt in die Verhandlung gehen.

Zum Abschluss: Ihr wichtigster Gehaltstipp?

Ich möchte zwei Dinge nennen: Das eine ist die Leistungsmappe, mit der ich zeige, inwieweit ich meine Leistung seit der Festlegung meines jetzigen Gehalts ausgebaut habe. Das sind zwei bis drei A4-Seiten, auf denen ich festhalte, welche konkreten Vorteile ich der Firma in den letzten Monaten gebracht habe. Zum Beispiel: Habe ich Geld eingespart, habe ich zusätzliche Einnahmen gebracht? Habe ich Qualifikationen erweitert durch Fortbildungen? Habe ich mehr Verantwortung übernommen? Diese ganzen Punkte helfen mir dann in der Verhandlung: Da lege ich das Dokument auf den Tisch, damit ich nichts vergesse. Zweitens kann mein Chef das mit zu seinem Vorgesetzten nehmen, dann kriegt er viel eher grünes Licht.

Der zweite Tipp: Fordern Sie in einer Gehaltsverhandlung nie das, was Sie tatsächlich wollen, denn dann bekommen Sie nur eines: weniger. Sie müssen immer mehr fordern: Angenommen Sie wollen 300 Euro im Monat mehr verdienen, dann sollten Sie mindestens 500 fordern. So kann Ihr Chef Sie ein Stück weit nach unten handeln, sich auf die Schulter klopfen und glauben, er habe einen guten Job gemacht und Sie sind auch zufrieden.

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