Du bist, was du tust - heute definieren sich viele Menschen über ihren Job. Kein Wunder, dass die Ansprüche daran hoch sind: Der Beruf soll glücklich machen, einen fordern und erfüllen. Viele Erwerbstätige haben das Gefühl, ihre Arbeit tut das nicht. Darum wollen sie sich weiterbilden, einen anderen Job erlernen, etwas anderes machen. Doch ist das in jedem Fall sinnvoll? Und wie finden sie eine Weiterbildung, die sie auch ans Ziel führt?
Klaudia Friebe, 31, die eigentlich anders heißt, hatte lange Zeit nicht daran gezweifelt, dass sie den richtigen Job hat. Vier Jahre lang arbeitet sie als Kindergärtnerin in Zürich, bekommt immer wieder wertschätzendes Feedback von Kollegen und Praktikanten sowie die Bestätigung: Du machst deinen Job gut. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt beschleicht sie zunehmend das Gefühl, sie tritt auf der Stelle, sie wächst nicht an ihren Aufgaben. Die Kindergärtnerin kündigt erst, danach sieht sie sich Stellenangebote an, um einen Überblick zu bekommen: Welche Jobs gibt es auf dem Markt? Wo habe ich überhaupt Chancen? Was interessiert mich? Sie macht eine Fortbildung im Bereich Erwachsenenbildung. Welche Position sie anstrebt, weiß Friebe danach aber noch nicht.
So wie der jungen Frau geht es vielen Berufstätigen. Einige davon fühlen in ihrem Arbeitsalltag eine diffuse Unzufriedenheit, ohne zu wissen, woher sie kommt, oder was man dagegen unternehmen kann. Sie merken nur: Die Arbeit bereitet ihnen keine Freude mehr. Sie glauben, sie sind falsch in ihrem Beruf, machen eine Weiterbildung, weil sie hoffen, ein neuer Job bringt neues Glück. Im Jahr 2017 nahmen fünf Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland Weiterbildungsangebote in Anspruch, das zeigt die Arbeitskräfteerhebung des Statistischen Bundesamts. Unter den 25- bis 34-Jährigen waren es circa sechs Prozent. Nicht alle davon machen eine Weiterbildung, die sie auch wirklich weiterbringt.
Klaudia Friebe probiert vieles aus. Sie nimmt sich eine mehrmonatige Auszeit, um sich darüber klar zu werden, wie es weiter gehen soll, in ihrem beruflichen Leben. Sie redet viel mit Freunden und ehemaligen Arbeitskollegen. Diese geben Ratschläge, sagen ihr, was sie gut kann, in welchem Job sie sie sehen. Viele Meinungen prasseln auf sie ein. Zu viele. Am Ende ihrer Auszeit weiß sie immerhin: Sie möchte nicht wieder im Kindergarten arbeiten, weil der Job sie körperlich anstrengt. Und sie möchte etwas im Bereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften machen.
Mind-Maps geben Friebe nützliche Anregungen. Ihr Mind-Map für die Zukunft sieht aus wie eine Baumkrone - aus der Mitte ragen Äste heraus, die mit verschiedenen Aspekten zu folgenden Themen betitelt sind: Was biete ich? - Erwartungen an den Arbeitgeber - Interessen - Stärken - Schwächen - Ein-Jahres-Plan - Fünf-Jahres-Plan. Schließlich geht Friebe zu einem Job-Coach in Zürich. Sie will sich Rat holen von einer neutralen Person.
Auf der Suche nach Höhen und Tiefen
"Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich klar zu werden: Was und wohin will ich überhaupt?", sagt Diplom-Soziologin Regina Boiting: Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Business-Coach in Hamburg. Meistens kommen Menschen zu ihr, die unzufrieden sind im Job oder nicht ausgelastet. Sie kommen zu ihr, um herauszufinden, wo ihre Stärken und Motivationen liegen, aber auch, welche inneren Haltungen sie begrenzen und welche Energiefresser. In einem Erstgespräch mit Klienten entwickelt Boiting eine Coachingstrategie, die zur Person passt: Sie arbeitet mit verschiedenen Methoden - Potenzialanalysen, Visionsbildung oder einer berufsbiografischen Analyse.
Bei Letzterer geht es darum, die berufliche Laufbahn aufzuzeichnen und Höhen und Tiefen auszuloten. Dadurch gewinnt der Klient neue Perspektiven auf seine bisherige Arbeit und kann herausfinden, was ihn stört, was ihm gefällt, was er ändern möchte. Wenn sich jemand weiterbilden will, sagt Boiting, gilt es, erstmal zu hinterfragen, woher dieser Wunsch kommt. "Man kann nicht einfach sagen: Machen Sie diese Weiterbildung, dann sind sie wieder glücklich in ihrem Job."