Gütersloh (dpa/tmn)- Viele Hochschulen gehen auf die Prüfungsphase zu. Seit der Corona-Pandemie sehen Klausuren aber oft anders aus. Wie prüft man, wenn niemand vor Ort ist und was bedeutet das für Studierende?
Jannica Budde, Projektmanagerin für das Hochschulforum Digitalisierung im Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) erklärt im Interview, was bereits gut klappt - und wo es noch Baustellen gibt.
Frau Budde, sind Prüfungen online einfacher oder schwieriger?
Jannica Budde: Von den Fragestellungen und Aufgaben her ist auch eine digitale Prüfung erstmal nichts anderes als eine Präsenzprüfung. Die Corona-Pandemie hat bei Studierenden aber oft zu erhöhtem Stress geführt. Wenn dann noch ganz andere Prüfungsformate hinzukommen, wurde das teils vielleicht als schwieriger wahrgenommen als üblich. Andere haben die digitalen Prüfungsformate aber gerne angenommen, wie ich gehört habe.
Wer zum Beispiel Prüfungsängste hat, kann davon profitieren, wenn man eine Klausur im gewohnten Umfeld ablegen kann. Nicht zuletzt gibt es auch einen Gewöhnungseffekt, so dass die meisten Studierenden nach und nach besser mit den veränderten Formaten zurechtkommen.
Seitdem verstärkt online geprüft wird, hat es an den Hochschulen außerdem einen Schwenk zu Transferaufgaben gegeben. Davon profitieren dann Lerntypen, denen diese Form der Aufgaben einfacher fällt.
Welche Arten von Prüfungen gibt es denn online?
Budde: Das reicht „von ... bis ... „ mit vielen Zwischenstufen. Es gibt da drei grundsätzliche Unterscheidungen: Zunächst haben wir entweder sogenannte Open-Book- oder Closed-Book-Klausuren. Bei einer Closed-Book-Klausur dürfen Studierende nur auf ihr erworbenes Wissen zurückgreifen, bei einer Open-Book-Klausur dagegen ist es erlaubt, etwa das Vorlesungsskript oder Sekundärliteratur zu nutzen.
Daneben spielt die Zeitfrage eine Rolle. Klassischerweise laufen Klausuren ja ziemlich synchron. Man hat zwei Stunden Zeit für die Aufgaben und dann erfolgt die Abgabe. Bei Take-Home-Exams hingegen bekommen Studierende zum Beispiel vier Tage Zeit, um die gestellte Aufgabe zu Hause zu erledigen.
Und es stellt sich die Frage nach der Online-Aufsicht, „Proctoring“ genannt (englisch für Prüfungsbeaufsichtigung). Auch da sind verschiedene Formen möglich. Entweder müssen Prüflinge zum Beispiel ihre Kameras laufen lassen oder nur eine Einverständniserklärung abgeben, auf der sie bestätigen, nach wissenschaftlichen Standards gearbeitet zu haben.
Sieht die Vorbereitung für Onlineprüfungen anders aus?
Budde: Zunächst ist es wichtig, sich zu informieren und zu überlegen: Was kommt da für ein Szenario auf mich zu? Weil die Prüfungsformate so vielfältig sind, kann das Klausuren-Setting immer wieder anders aussehen. Deshalb müssen sich Studierende nicht nur inhaltlich sondern auch methodisch vorbereiten. Für technische Fragen gibt es vielfach aber Probeklausuren, damit Studierende die Abläufe ausprobieren können.
Gerade bei Open-Book-Klausuren kommt es außerdem darauf an, nicht nur den Lernstoff, sondern auch das Material vorzubereiten. Da muss man sehr genau wissen, was wo steht. Man hat in der Regel keine Zeit, einen kompletten Text noch einmal durchzulesen.
Was ist in Sachen Prüfungsaufsicht überhaupt erlaubt, ist das geregelt?
Budde: Welche Formen der Prüfungsbeaufsichtigung und Proctoring-Programme an Hochschulen erlaubt sind, sollte an den einzelnen Standorten inzwischen geklärt sein. Meine Hoffnung ist, dass wenn Proctoring-Programme zum Einsatz kommen, solche genutzt werden, bei denen nur stichprobenartig jemand guckt, ob alles nach den Regeln abläuft.
Manchmal kommen auch Programme zum Einsatz, die den Browser einschränken, so dass man zum Beispiel keine weiteren Tabs öffnen kann. Darauf sollte man sich als Studi einstellen und sich genau damit auseinandersetzen, wie die Bedingungen in der jeweiligen Prüfung sein werden.
Zahlen aus dem Sommersemester 2020 haben aber ohnehin gezeigt, dass gerade mal acht Prozent der Hochschulen überhaupt Online-Proctoring eingesetzt haben. Man hat auch gesehen, dass Schummelversuche zugenommen haben. Viele Studierende waren wegen Corona aber ziemlich gestresst, an den Hochschulen gab es zum Teil sehr unterschiedliche Regeln. An manchen Standorten gab es einen Freiversuch für Prüfungen, anderswo wieder nicht.
Wenn der Druck dann sehr hoch ist, und man zum Beispiel im Drittversuch einer Klausur steht, kann ich schon verstehen, warum man als Studi alles nutzt, was helfen könnte. Natürlich muss da aber jeder an sich selbst appellieren, wissenschaftlich korrekt und fair zu arbeiten.
Können Studierende bei der Prüfungsgestaltung mitreden?
Budde: Lehrende haben in der Regel einen Spielraum, wie sie Ihre Prüfungen gestalten können. Wenn das Vertrauensverhältnis es bereithält, können Studierende im Dialog mit den Lehrenden auch erklären, warum sie eine bestimmte Prüfungsform präferieren würden - etwa, weil sie eine schlechte Internetverbindung haben oder sich Sorgen machen, es könnte während einer Klausur zu Störungen kommen. Viele Studierende haben sich im Sommersemester auch für ein stärker kompetenzorientiertes Prüfen ausgesprochen.
Wo gibt es jetzt noch offene Baustellen?
Budde: Die große Frage ist die Frage nach der Rechtssicherheit. Wie lässt sich etwa in einer Klausur mit 1000 Teilnehmern rechtssicher nachweisen, wer da die Prüfung geschrieben hat? Hier müssen letztendlich die Verwaltungsgerichte noch Entscheidungen treffen.
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