Wenn es nach dem Oxforder Impfstoffforscher Adrian Hill geht, könnte bereits im kommenden Jahr der erste hoch wirksame Impfstoff gegen Malaria zugelassen werden. Am Donnerstag gaben Hill sowie weitere Forscher aus Großbritannien und Burkina Faso die neuesten Daten ihres Vakzin-Kandidaten bekannt. Demnach schützte der Impfstoff mit dem Namen R21 vierfach geimpfte Kinder 80 Prozent besser vor Erkrankungen als die jungen Probanden in der Kontrollgruppe, die zum Vergleich ein Tollwut-Vakzin erhalten hatten. Der Wert wurde ein Jahr nach Verabreichung der vierten Impfspritze ermittelt. Im vergangenen Jahr hatte das Team die Ergebnisse nach der Gabe von drei Dosen vorgestellt: Die Effektivität des Vakzins lag bei 77 Prozent und überschritt damit erstmals die von der WHO vorgegebene Zielmarke von 75 Prozent Wirksamkeit.
Die neuen, im Fachblatt Lancet Infectious Diseases veröffentlichten Ergebnisse zeigten auch, dass die vierte Dosis die Antikörper-Spiegel noch einmal deutlich erhöht hatte. Die Kinder werden noch weiter beobachtet. Bisher sehe es nicht so aus, als ob die Wirkung sehr schnell nachlasse, erklärten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einer Pressekonferenz.
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Der Impfstoff wurde bislang an mehr als 400 Kindern im Alter von fünf bis 17 Monaten in Burkina Faso getestet und als gut verträglich beschrieben. Die jüngsten Ergebnisse stammen aus einer Studie der Phase zwei. Der dritte und letzte Studienabschnitt mit fast 5000 Kindern läuft bereits und soll im kommenden Jahr abgeschlossen werden, hieß es.
Damit zeigte sich Hill, Direktor des Jenner Institute an der Universität Oxford, der auch einer der Entwickler des Covid-Vakzins von Astra-Zeneca war, optimistisch, dass der Impfstoff schon bald für kleinere Kinder eingesetzt werden kann. Unter Fünfjährige sind am gefährdetsten, an dem Fieberleiden zu sterben. Jedes Jahr kostet die Krankheit allein in Afrika mehr als einer Viertelmillion Kinder das Leben. Hill hält es für möglich, dass R21 diese Zahl in den kommenden Jahren um bis zu 70 Prozent reduzieren könnte.
Ein Vorgänger-Impfstoff hatte eine geringere Wirksamkeit
Allerdings müssen sich bis dahin nicht nur die aktuellen Studienergebnisse bestätigen, sondern noch eine ganze Reihe weiterer Fragen geklärt werden. Zum Beispiel was aus dem Vorgänger-Impfstoff wird. Das Produkt aus Oxford baut auf einem Vakzin auf, das RTS,S oder auch Mosquirix genannt wird und in jahrzehntelanger Arbeit vom Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline (GSK) entwickelt wurde. Ein Jahr nach der Gabe von vier Dosen hatte es eine Wirksamkeit von 56 Prozent gezeigt. Doch drei Jahre später war seine Effektivität auf ernüchternde 36 Prozent gesunken. Die WHO empfahl den Impfstoff dennoch vor Kurzem für den Einsatz in Afrika. Auch eine Anschubfinanzierung wurde bereits zugesagt. Ist das also in Kürze hinfällig?
Hill hielt dagegen, dass man sich nicht als Konkurrent von GSK sehe. "Zwei Impfstoffe sind viel besser als einer und sehr viel besser als gar keiner, wie es aktuell noch der Fall ist." So könnte man auf den zweiten Impfstoff zurückgreifen, wenn vom anderen nicht genügend produziert werden könnte.
Wie schnell und zu welchem Preis das neue Produkt hergestellt werden könnte, ist ebenfalls noch offen. Das Oxford-Team arbeitet mit dem Serum Institute of India zusammen, dem weltgrößten Hersteller von Impfstoffen. Das Unternehmen sei in der Lage, 200 Millionen Dosen pro Jahr zu produzieren, stellte Hill in Aussicht. Ihr Ziel sei allerdings, auch Produktionsstätten in Afrika zur Verfügung zu haben. Noch aber gibt es sie nicht.
Es braucht nicht nur Geld für die Herstellung, sondern auch für die Verteilung des Impfstoffs
Die Kosten schätzte Hill auf "einige Dollar pro Dosis". Er berief sich darauf, dass jährlich drei Milliarden Dollar in den Kampf gegen die Malaria fließen - vor allem in Bettnetze, Insektizide für Innenräume und Medikamente. Die Impfungen aber seien sehr wahrscheinlich effektiver als diese Maßnahmen. Allerdings müssten die etablierten Interventionen nach Angaben Hills weiter in Kraft bleiben; die Kosten für die Impfstoffe kämen also noch obendrauf.
Und dabei geht es nicht nur um Geld für die Herstellung, sondern auch für die Logistik der Impfkampagnen. Das gilt besonders, da R21 einen Teil seiner guten Wirksamkeit aus der Tatsache zu ziehen scheint, dass es unmittelbar vor der Malaria-Saison verabreicht wurde. Wenn auch künftige Impfungen in diesem engen Zeitfenster von nur drei Monaten erfolgen müssten, benötigten ärmere Staaten Unterstützung, sagte der Parasitologe Halidou Tinto, der in Burkina Faso für die Durchführung der Tests zuständig war. Ansonsten könnte sich die Einführung des Impfstoffes deutlich verzögern.
An einem Impfstoff gegen die Tropenkrankheit wird seit vielen Jahrzehnten geforscht. Eine Hürde ist dabei, dass der Malaria-Parasit ein wesentlich komplexerer Organismus ist als ein Virus und zudem einen komplizierten Lebenszyklus mit mehreren verschiedene Stadien durchläuft, was sehr viele potenzielle Ziele für einen Impfstoff biete, wie Katie Ewer sagt, die an der neuen Studie beteiligt war. Der aktuelle Impfstoff setzt an der Stelle an, an der der Parasit gerade in den Körper des Menschen gelangt ist und die Zahl dieser Einzeller noch nicht so groß ist.
Wie RTS,S enthält das Vakzin ein Protein des Parasiten sowie ein Trägerprotein, das vom Hepatitis-B-Virus stammt. R21 verwendet allerdings eine geringere Menge des Hepatitis-Proteins, was dem menschlichen Immunsystem erlauben soll, sich stärker auf die Bildung von Antikörpern gegen Malaria zu konzentrieren. Zudem wurde nach Angaben des Teams ein potenterer Wirkverstärker verwendet.