Krebs:Wenn Medikamente Mangelware werden

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Was tun, wenn wichtige Medikamente für Krebspatienten fehlen? (Foto: © DOCDAYS Productions/K. Schmit)
  • Krankenhäuser laufen Gefahr, Patienten, die an einer so genannten akuten myeloischen Leukämie erkrankt sind, nicht mehr mit dem Wirkstoff Cytarabin versorgen zu können.
  • Die Versorgungslücke ist höchstwahrscheinlich auf Qualitätsprobleme in einer Mailänder Fabrik zurückzuführen.
  • Aus der Politik werden Forderungen laut, eine nationale Arzneimittelreserve aufzubauen.

Von Felix Hütten

Deutschen Krankenhäusern geht derzeit ein für Blutkrebspatienten lebenswichtiges Medikament aus. Zahlreiche Häuser laufen Gefahr, Patienten, die an einer sogenannten akuten myeloischen Leukämie erkrankt sind, nicht mehr mit dem Wirkstoff Cytarabin versorgen zu können.

Cytarabin zählt zu den für diese Krankheit wichtigsten Zytostatika und kann in den meisten Fällen nicht durch einen anderen Wirkstoff ersetzt werden. In einem regionalen Großversorgerkrankenhaus mit einem Einzugsgebiet von mehr als einer Million Menschen beispielsweise sind einem dort tätigen Arzt zufolge derzeit noch vier Gramm des Wirkstoffs vorrätig, der monatliche Bedarf für die Klinik belaufe sich allerdings auf etwa 200 Gramm.

Der Pharmahersteller Stada, der das Cytarabin-Medikament Ara-cell verkauft, bestätigt auf SZ-Nachfrage Lieferprobleme. Die Situation solle sich aber im November verbessern, sagte eine Sprecherin. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind entsprechende Hinweise auf Lieferengpässe bereits eingegangen.

Cytarabin steht damit beispielhaft für das Problem des Arzneimittelmarktes

Die Versorgungslücke sei höchstwahrscheinlich auf Qualitätsprobleme in einer Mailänder Fabrik zurückzuführen, sagt Bernhard Wörmann, medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). Um die Situation zu entspannen, soll nun der Import von Beständen aus dem Ausland angekurbelt werden. Um die rechtlichen Hürden des Arzneimittelgesetzes hierfür zu senken, hat das Bundesgesundheitsministerium den Cytarabin-Mangel nun im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

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Dies ermöglicht Pharmafirmen, sich bei den zuständigen Landesbehörden kurzfristig einen Auslandsimport genehmigen zu lassen, um so beispielsweise Lagerbestände aus den USA einkaufen zu können. Dies sei möglich "im Falle eines Versorgungsmangels (...) mit Arzneimitteln, die zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden", heißt es dazu im Gesetzestext.

Der aktuelle Mangel an Cytarabin steht damit beispielhaft für das Problem des Arzneimittelmarktes, in dem die Versorgung mit älteren Medikamenten oftmals lückenhaft ist, da deren Gewinnmargen eher niedrig sind. Versorgungsengpässe sind insbesondere dann drastisch, wenn - wie in diesem Fall - das Leben von Patienten auf dem Spiel steht; auch, weil es keine in Studien erprobten Alternativen gibt. Ein Ausweichen auf andere, schlecht getestete Medikamente kann die Gesundheit der Patienten enorm gefährden.

Experten begrüßen aus diesem Grund die Entscheidung des Gesundheitsministeriums, die Einfuhren von Cytarabin aus dem Ausland zu erleichtern. Die Ausnahmeregelung könne zwar die Lücke ein Stück weit schließen, gleichwohl aber berge sie auch die Gefahr von Hamsterkäufen, sagt Bernhard Wörmann von der DGHO. Letztlich brauche es in Deutschland dringend eine Regelung, die Lieferungen und Vorräte für unverzichtbare Medikamente garantiert. "Zuverlässig vor billig", sagt der Experte, laute die Devise.

Die Unionsfraktion im Bundestag möchte derweil eine nationale Arzneimittelreserve aufbauen, um das Problem in den Griff zu bekommen. In einem Positionspapier, dessen Entwurf der Süddeutschen Zeitung vorliegt, fordert die Fraktion außerdem eine verbindliche Meldepflicht bei Lieferengpässen. Sie plädiert zudem für Exportbeschränkungen von Medikamenten, sobald diese auf dem deutschen Markt knapp werden könnten.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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