Hygiene:Ein Streifen Seife für mehr Gesundheit

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Die kleinen Stückchen reichen für genau eine Handwäsche. (Foto: Edward Brial/CC-BY 4.0)

Forscher haben eine neue Lösung für die Handhygiene in ärmeren Ländern entwickelt: Mini-Stückchen, die gut dosierbar und transportierbar sind. Ihre Arbeit zeigt auch, warum es nötig sein kann, Seife neu zu erfinden.

Von Berit Uhlmann

Die zarten Seifenstückchen kommen von der Rolle. Wie ein Papier-Ticket zieht man sie ab. Lang wie ein Finger sind sie, gerade ausreichend für eine Handwäsche. Mit diesem Produkt wollen Designer und Public-Health-Forscher aus Großbritannien und Tansania die Handhygiene in ärmeren Ländern verbessern.

Basis der Streifen ist ein dünnes Bambusgewebe, auf das handelsübliche Seife aufgebracht und anschließend getrocknet wird. Aufgerollt in einem Spender - ähnlich einem Behälter für Tesa-Film - lassen sich die Stückchen einzeln herausziehen. Es gibt auch eine Version, in der die Streifen nebeneinander an einem Stück Pappe hängen. Nach Gebrauch können die Miniseifen in die Toilette geworfen werden; sie sind biologisch abbaubar.

Die Forscher um Edward Brial von der Dyson School of Disign Engineering am Imperial College London testeten das Produkt in Tansania, wo Seife in Nähe der Toilette nur in wenigen Haushalten Standard ist - und damit die Gefahr für Infektionskrankheiten steigt. Die Probanden aus zwölf Familien nahmen die Neuentwicklung gut an, schrieben die Forscher im Fachblatt PlosOne.

Als Vorteile streichen die Erfinder heraus, dass die Seife gut dosierbar ist und auch der Wasserverbrauch niedrig sein dürfte, weil der Stoff das Wasser speichert, das zum Einseifen gebraucht wird. Das Produkt ist hygienisch, weil jeder seinen eigenen Streifen aus dem Spender zieht. Die Mini-Seifen lassen sich zudem gut transportieren; eine Probandin berichtete, dass sie ihren Kindern die Stoffstückchen mit in die Schule gab. Ein Einzelverkauf ist möglich, und könnte an öffentlichen Toiletten oder für Menschen, die das neue Produkte erst einmal ausprobieren möchten von Vorteil sein. Die Forscher gehen zudem davon aus, dass ihre Entwicklung relativ einfach und kostengünstig produziert werden kann.

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Allerdings müssen gerade die ökonomischen Fragen noch geklärt werden. Die Testpersonen hatten die Seifen gestellt bekommen. Wie groß die Nachfrage unter realen Bedingungen sein wird, welcher Preis am Ende angemessen sein wird, ob sich Produzenten und Händler finden, ob vielleicht auch Hilfsorganisationen in die Finanzierung einsteigen würden - all dies ist nicht geklärt.

Herkömmliche Produkte für die Handwäsche wurden oft als unhygienisch empfunden

Damit ist die Arbeit der Wissenschaftler zunächst keine Revolution der Handhygiene, sondern eher ein interessanter neuer Ansatz. Er entstammt einem gründlichen Entwicklungsprozess, der Einblicke erlaubt, wie unterschiedlich Bedürfnisse und kulturelle Vorstellungen von jenen sein können, die die Gesundheit in armen Ländern verbessern wollen und jenen, denen diese Bemühungen gelten.

Die Forscher hatten ihre Seife in einem mehrstufigem Verfahren entwickelt und Familien und Händler immer wieder befragt; ihnen verschiedene Produkte vorgestellt und selbst Toiletten im Testgebiet aufgesucht. Es zeigte sich schnell, dass nicht mangelnde Aufklärung das Problem für unzureichende Handhygiene war, sondern eher die Akzeptanz der herkömmlichen Produkte.

Die meisten der Befragten empfanden ein Seifenstück, das jeder nach dem Toilettenbesuch anfasst, als unhygienisch und seine Verwendung nahe dem Abort als Verschwendung. Wer schon in ein ordentliches Stück Seife investiert, spart es für die Wäsche von Körper, Haaren oder Kleidung auf. Ähnliches gilt für Flüssigseife, die noch dazu das Problem hatte, dass es in den Haushalten keine hochwertigen Spender dafür gab.

Ein wichtiges Bedürfnis der Anwender ist auch, dass Seife gut dosiert werden kann, so dass für das Abwaschen keine großen Wassermengen verbraucht werden. Die Menschen, für die das neue Produkt designt wurde, müssen ihr Wasser in Kanistern und Krügen ins Haus tragen. Es ist ein kostbares Gut. Und natürlich muss die Seife preiswert sein. Denn Handhygiene konkurriert in den ressourcenarmen Gebieten mit anderen Bedürfnissen wie Essen, Ausbildung der Kinder, eine sichere Unterkunft.

Dass sich die Prioritäten zwischen Hilfsorganisationen und Empfängern dieser Hilfe unterscheiden können, ist oft gezeigt worden. In der aktuellen Studie erfuhren die Forscher beispielsweise, dass von Hilfsorganisationen verteilte Wasserspender, vor allem wenn sie hochwertig und hygienisch sind, im Zweifel nicht für das Händewaschen, sondern zum Aufbewahren von Trinkwasser und Lebensmitteln verwendet werden.

Organisationen, die Bettnetze zum Schutz vor Malaria verteilten, mussten immer wieder beobachten, dass die Empfänger damit fischten, Pflanzen schützten oder auf ihnen Waren zum Verkauf darboten.

Auch wenn Regierungen oder Helfer Menschen zu Verhaltensänderungen motivieren wollen, klaffen die Interessen bisweilen auseinander. So wurde oft versucht, Menschen in ärmeren Ländern zu überzeugen, in eine eigene Toilette zu investieren. Argumentiert wurde in der Regel mit den gesundheitlichen Vorteilen. Bis Forscher begannen nachzufragen, und erfuhren, dass der Gesundheitsaspekt nur einer unter vielen, teilweise auch ein untergeordneter war, wenn Menschen ihre Entscheidungen für oder gegen eine Toilette trafen.

Als relevante Vorteile einer eigenen Toilette empfanden die Befragten unter anderem mehr Sicherheit und Privatsphäre, sich nicht mehr schämen zu müssen und die ökonomische Aufwertung des eigenen Hauses. Dies ist mittlerweile in mehren Studien gezeigt worden. Diese Arbeiten verdeutlichten einmal mehr, dass es sich lohnen kann, die Ansichten von Hilfsbedürftigen besser kennen zu lernen, und Bemühungen für die Gesundheit darauf abzustimmen.

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