Gesundheitspolitik:Mehr Ärzte, nicht mehr Männer

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Frauen in der Medizin. (Foto: imago/Westend61)

Das Gerede von einer "Feminisierung der Medizin" ist absurd. Noch absurder ist der Ruf nach einer Männerquote für das Studium - als Strategie gegen den Ärztemangel.

Kommentar von Felix Hütten

Auf der Homepage der Charité Berlin ist eine interessante Grafik zu finden, es geht um die Geschlechterverhältnisse am Klinikum. Das Bild zeigt den Karriereverlauf von Ärzten - vom Student bis zum Professor.

Die Grafik zeigt deutlich mehr Frauen als Männer, die ein Medizinstudium starten - doch am Ende, auf den Chefposten, bleiben fast nur Männer übrig. Das Bild illustriert ganz allgemein den Zustand des Arztberufs in Deutschland: Etwa 60 Prozent der Medizinstudenten im ersten Semester sind weiblich, auf Professoren- und Chefarztstellen landen mit wenigen Ausnahmen Männer.

"Feminisierung der Medizin"

Man könnte also zu dem Schluss kommen, dass viele Frauen an bestimmten Karriereetappen verloren gehen, weshalb es Regelungen bräuchte, die Chancengleichheit unter den Geschlechtern herstellen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Viele reden von einer "Feminisierung der Medizin" und fordern deshalb sogar eine Männerquote für Medizinstudenten. Die Argumentation: Ärztinnen scheiden nun mal häufig frühzeitig aus dem Beruf aus, Kind statt Karriere, man kennt das ja. Wozu also sollten Frauen überhaupt Medizin studieren, wenn am Ende die Herren alleine auf weiter Krankenhausflur stehen und sich verzweifelt fragen: was tun gegen den Ärztemangel?

Doch die Forderung nach einer Männerquote für das Medizinstudium ist absurd. Als Strategie gegen den Ärztemangel braucht es nicht mehr Männer, sondern mehr Ärzte. Dabei geht es zunächst einmal überhaupt nicht um Spitzenpositionen an Universitätskliniken, sondern um fehlende Stations- und Landärzte, einfach um gute Basismedizin.

Wer also ernsthaft etwas gegen eine drohende Versorgungslücke für die Bevölkerung tun will, sollte verhindern, dass junge Menschen, egal welchen Geschlechts, schon früh aus dem Arztberuf ausscheiden. Vielen wird die Freude an der Medizin bereits durch erniedrigende Prüfungen im Studium ausgetrieben oder mit Nachtdiensten, Überstunden und fehlender Unterstützung durch Vorgesetzte - lange bevor überhaupt eine Chefarztstelle infrage kommt.

Die Medizin muss wieder menschlicher werden, heißt es überall. Es ist an der Zeit, auch die Arbeitsbedingungen für junge Ärzte, also auch für Frauen, menschlich zu gestalten. Kliniken sollten mit gutem Beispiel vorangehen, Jobsharing-Modelle und Kita-Plätze anbieten und auch männliche Ärzte gezielt ermutigen, Elternzeit zu beantragen - kurzum: Ihren jungen Kollegen das Gefühl geben, dass die Familiengründung kein Stolperstein, sondern etwas, nun ja, Menschliches ist. Gerade Mediziner sollten davon eigentlich etwas verstehen.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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