Quedlinburg:Vorsatz oder nicht? Klinik-Besuch trotz Corona-Verdacht

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Blick auf das Harzklinikum in Quedlinburg. (Foto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/ZB)

Obwohl sie aufgrund eines Corona-Verdachts kurz vorher einen PCR-Test gemacht hat, ist eine Frau ins Krankenhaus gefahren und hat ihre erwachsene, frisch...

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Quedlinburg (dpa/sa) - Obwohl sie aufgrund eines Corona-Verdachts kurz vorher einen PCR-Test gemacht hat, ist eine Frau ins Krankenhaus gefahren und hat ihre erwachsene, frisch operierte Tochter besucht. Hat sie damit in Kauf genommen, Patienten und Personal in Gefahr zu bringen? Darüber wurde am Dienstag am Amtsgericht in Quedlinburg diskutiert. Die Staatsanwaltschaft sieht den Tatbestand des Hausfriedensbruches und der versuchten gefährlichen Körperverletzung als erfüllt und forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Das Urteil soll am 10. August verkündet werden.

Am meisten wurde an diesem Dienstagnachmittag über die zeitliche Abfolge gerätselt. Am Ende konnte man sich aber auf eine einigen: Die 72-jährige Angeklagte besuchte demnach am 6. Oktober ihre 48 Jahre alte Tochter nach einer Operation im Harzklinikum. Auf der Erklärung, die alle Patienten und Besucher des Klinikums ausfüllen müssen, gab die Frau an, keine Symptome zu haben. Etwa eine Stunde vorher hatte sie sich allerdings eigenen Angaben zufolge auf Anraten einer Sprechstundenhilfe aufgrund von Symptomen wenige Tage zuvor auf das Coronavirus testen lassen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses hätte sie zu Hause bleiben müssen.

Einen Tag nach dem Krankenbesuch hatte das Gesundheitsamt dem Klinikum mitgeteilt, dass bei der Frau das Virus nachgewiesen wurde. In der Folge war eine geplante Operation einer Patientin, die sich wohl seit dem Morgen das Zimmer mit der Tochter geteilt hatte, abgesagt worden. Sowohl die Zimmernachbarin als auch die Tochter wurden mehrfach negativ auf das Coronavirus getestet.

Mitte Oktober hatte das Harzklinikum Quedlinburg Anzeige erstattet und den Fall öffentlich gemacht. Es sei kein Kavaliersdelikt, bei einem Corona-Verdacht ein öffentliches Gebäude zu betreten - schon gar kein Krankenhaus, sagte der Sprecher vom Klinikum, Tom Koch. „Natürlich war die Angeklagte in einer besonderen emotionalen Situation, aber das erlaubt ihr ja auch nicht beispielsweise über sämtliche rote Ampelkreuzungen zu fahren.“

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatte die Frau zumindest Kenntnis von einem Corona-Verdacht, da die Sprechstundenhilfe sie zu einem Test schickte. Die Sorge um die eigene Tochter hätte daher aufgrund der Gefahr der Ansteckung anderer zurückstehen müssen, sagte Staatsanwalt Ralf Ebbing. Die Verteidigung hält die Vorwürfe für überzogen und kann keinen Vorsatz erkennen. Die Frau habe zu dem Zeitpunkt des Besuchs keine Symptome mehr gehabt und sei davon ausgegangen, dass diese eine Reaktion auf eine Grippeschutzimpfung waren, sagte Verteidiger Ulrich Hasselmann. Sie sei einzig und allein in großer Sorge um die Tochter gewesen und habe sie sehen wollen.

© dpa-infocom, dpa:210803-99-687968/4

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