Eines der vielen Gifte, die Frauen während einer Schwangerschaft möglichst von sich fern halten möchten, ist das der Verunsicherung. Doch leider hat es die Ständige Impfkommission (Stiko) werdenden Müttern in den vergangenen Monaten alles andere als leicht gemacht, weil sie keine allgemeine Impfempfehlung für Schwangere ausgesprochen hat. Bereits im Frühjahr positionierten sich etliche namhafte medizinische Fachverbände und rieten dringend zur Impfung, erste Daten aus den USA zeigten bereits, dass der Nutzen die Risiken überwiegt. Doch viele niedergelassene Gynäkologen wollten ihre schwangeren Patientinnen trotzdem nicht impfen - keine Stiko-Empfehlung, kein Piks.
Mittlerweile sind weitere, groß angelegte Studien erschienen - und nun gibt die Stiko grünes Licht. Ende gut, alles gut? Nicht ganz, denn viele Frauen fühlten sich schon vor der Pandemie im deutschen Gesundheitssystem nicht besonders wohl, haben das Gefühl, in einer nach wie vor männlich geprägten Medizin Patientinnen zweiter Klasse zu sein. "Grundsätzlich sollten Schwangere nicht von Impfprogrammen ausgeschlossen werden", schreibt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie in einer Empfehlung, und ja, dieser Satz schmeckt ein bisschen nach Pausenhof, lasst halt alle mitspielen. Und so nährte spätestens die Lücke zwischen der Stellungnahme der Fachverbände und der Zurückhaltung der Stiko den Eindruck, dass die Belange von Frauen und Schwangeren vielleicht nicht ganz so wichtig sind im Pandemiemanagement.
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Doch längst nicht alle Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch können sich medizinische Hilfe leisten. Warum das ein Problem werden könnte, erklärt die Rostocker Soziologin Heike Trappe.
Dahinter steckt weniger ein wissenschaftliches als ein kommunikatives Problem. In der Öffentlichkeit macht sich der Eindruck breit, die Stiko tue sich nach wie vor schwer damit, in den Pandemiemodus zu wechseln. Die mächtige US-Gesundheitsbehörde CDC hat sich bereits Anfang August klar für die Schwangerenimpfung ausgesprochen. Es mag richtig sein, dass sich die Stiko weitere vier Wochen Zeit gelassen hat und nur auf Daten schaut, nicht auf psychosoziale Probleme wie Verunsicherung und Ängste; all das insbesondere zum Schutz der Patientinnen und Patienten. Dann aber müsste sie werdenden Eltern im Laufe des Entscheidungsprozesses glaubhaft machen, dass man sie nicht vergessen hat.
Das Gegenteil ist passiert: Bis heute sind Familien, die aus Sorge vor einer Infektion der Schwangeren etwa das ältere Geschwisterkind nicht mehr in eine Kita bringen, mehr oder weniger alleine. Hierfür gab es keine Hilfen, keine Angebote, mehr noch, sogar wenig Verständnis. Gleichzeitig hat die Zurückhaltung der Stiko auch die Verbreitung von Verschwörungsunsinn begünstigt, der natürlich bei den Themen Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Kinder besonders gut verfängt. Statt dieses Vakuum zuzulassen, hätte es bis zur Impfkampagne eine Aufklärungskampagne gebraucht. In den kommenden Monaten und Jahren wird das Virus jeden Menschen erreichen, auch Schwangere. Impfung oder Infektion, dazwischen gibt es nichts.