Covid-19:Corona-Rätsel um Gibraltar

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281 aktive Infektionen werden vom "Felsen" aktuell gemeldet. Davon sind 254 Einheimische betroffen und 27 Besucher. (Foto: Jon Nazca/REUTERS)

Das britische Territorium im Süden der Iberischen Halbinsel meldet eine Impfquote von sagenhaften 100 Prozent gegen Covid-19. Trotzdem ist die Inzidenz jetzt auf mehr als 600 gestiegen. Weshalb das kein Hinweis auf eine schlechte Schutzwirkung der Impfungen ist.

Von Christina Berndt und Karin Janker

Impfskeptiker richten ihren Blick derzeit gerne nach Gibraltar. Denn die Zahlen aus dem britischen Überseegebiet an der Südspitze der Iberischen Halbinsel scheinen zu bestätigen, was manche Menschen schon immer vermutet haben: dass die Impfung gegen Covid-19 gar nichts taugt. Seit Monaten schon meldet Gibraltar eine Impfquote von fantastischen 100 Prozent, und am 8. April hatte Chief Minister Fabian Picardo den Außenposten Londons für "Covid-frei" erklärt. An dem Tag gab es erstmals keine aktiven Infektionsfälle unter den Einheimischen mehr. Doch zuletzt hat die Inzidenz dort mit mehr als 600 Infektionen binnen sieben Tagen auf 100 000 Einwohner gigantische Höhen erreicht. So hohe Zahlen finden sich derzeit noch nicht einmal in Großbritannien, Spanien und den Niederlanden, wo sich bei deutlichen niedrigeren Impfquoten um die 50 Prozent gerade auch massive Wellen an Neuinfektionen erheben.

Doch der Blick nach Gibraltar muss Geimpfte nicht beunruhigen. Er bestätigt bei näherer Analyse keineswegs, dass die Impfung nicht schütze. Denn auf Gibraltar liegt die faktische Impfquote gar nicht bei 100 Prozent, sondern deutlich darunter. In der britischen Exklave leben etwa 34 000 Menschen. Den Behörden zufolge wurden dort gut 78 400 Dosen Impfstoff verabreicht, vor allem jener von Biontech, was angesichts von zwei Dosen pro Impfling sogar einer rechnerischen Impfquote von 115 Prozent der Gesamtbevölkerung und einer noch viel atemberaubenderen Impfquote der impfbaren Bevölkerung ab zwölf Jahren entspräche.

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Zuletzt war eine Person über 100 Jahren und ohne Impfschutz unter den Neuinfizierten

Der Grund für diese abenteuerlichen Zahlen: Tatsächlich wurde auf Gibraltar keineswegs nur die eigene Bevölkerung mit den knapp 80 000 verimpften Dosen versorgt. Auch mindestens 8000 spanische Pendler, die täglich zum Arbeiten auf die Halbinsel kommen, wurden geimpft. Für diesen Schritt hatte sich die Regierung bereits im März entschieden - nach Behördenangaben auch deswegen, weil zu diesem Zeitpunkt die Impfung der Einheimischen bereits kurz vor dem Abschluss gestanden habe. Die aktuelle Statistik zeigt allerdings, dass durchaus noch Lücken beim Impfschutz der Gibraltarer bestehen. So meldete Gibraltar an diesem Sonntag insgesamt 18 Neuinfektionen, zehn davon betrafen vollständig Geimpfte aller Altersgruppen. Die acht ungeimpften Infizierten gehörten ebenfalls zu unterschiedlichen Altersgruppen, am Samstag war unter den Neuinfizierten auch eine ungeimpfte Person im Alter zwischen 100 und 105 Jahren.

Als der Chief Minister Anfang April Gibraltar für Covid-frei erklärte, waren 94 Todesfälle in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion registriert worden. Die Zahl der Covid-Toten ist seitdem nicht gestiegen. Wohl aber die der aktiven Fälle: Aktuell verzeichnet Gibraltar 281 aktive Infektionen mit Sars-CoV-2. Davon sind 254 Einheimische betroffen und 27 Besucher. Doch wegen der (auch abzüglich der spanischen Pendler) immer noch hohen Impfquote ist die Zahl der schweren Verläufe gering. Neun der infizierten Personen werden im Krankenhaus behandelt, eine davon auf der Intensivstation. Fast alle Infektionen lassen sich auf die Delta-Variante des Virus zurückführen.

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