Fragen & Antworten:Die Renten steigen noch einmal kräftig

Lesezeit: 3 min

Das Lebensalter genießen? In diesem Jahr soll die Renten in Deutschland spürbar steigen. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Die Renten steigen im Sommer kräftiger als prognostiziert. Der Arbeitsminister spricht von einem „historischen Tag“. Künftig müssen sich Rentnerinnen und Rentner auf geringere Erhöhungen einstellen.

Von Basil Wegener, dpa

Berlin (dpa) - Die Renten in Deutschland steigen in diesem Jahr deutlich: Die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erhalten um 4,57 Prozent höhere Bezüge. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine entsprechende Verordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist es eine ungewöhnlich starke Erhöhung der Renten?

Zumindest eine stärkere als noch im vergangenen Herbst vorhergesagt. Damals gingen Schätzer von einem Plus von rund 3,5 Prozent im Juli aus. Hauptgründe für die deutliche Erhöhung sind der stabile Arbeitsmarkt in Deutschland und gute Lohnabschlüsse. Für die Rentenanpassung maßgeblich waren Lohnsteigerungen von 4,72 Prozent. Eine Rente von 1000 Euro steigt damit um 45,70 Euro.

Frisst die Inflation die Rentenerhöhung wieder auf?

In diesem Jahr erstmals seit Jahren nicht. Die Anpassung liege „deutlich unter der Preissteigerungsrate“, freute sich Heil. Im März lagen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. In den vergangenen zwei Jahren war die Rentenerhöhung hinter der Inflation zurückgeblieben, im Jahr davor hatte es im Westen eine Nullrunde gegeben und im Osten nur eine minimale Erhöhung. 

Warum fällt die Rentenerhöhung in Ost und West gleich aus?

Heil sprach von einem „historischen Tag“: „Nach 34 Jahren ist endlich die Einheit auch im Rentensystem in Deutschland geschafft.“ 2023 waren die Altersbezüge in den alten Ländern noch um 4,39 und im Osten um 5,86 Prozent gestiegen. Damit hatten sich die Renten aber bereits vergangenes Jahr angeglichen. Das war früher als vorgesehen. Denn die Löhne waren im Osten zuvor deutlich stärker gestiegen als im Westen.

Wie sind die Perspektiven?

Rentensteigerungen dürfte es auch künftig geben - aber laut aktuellem Rentenversicherungsbericht in geringerem Ausmaß. So geht der Bericht bis 2037 von einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,6 Prozent pro Jahr aus - insgesamt gut 43 Prozent. Ohne gesetzliche Eingriffe würde der Übertritt von Millionen sogenannter Babyboomer in die Rente immer deutlicher spürbar werden. Laut dem Bericht dürfte das Rentenniveau ohne Reform von derzeit 48,2 Prozent bis auf 45,0 Prozent im Jahr 2037 sinken. Die Renten würden dann generell nicht mehr so stark wie die Löhne steigen.

Wie reagiert die Koalition?

Mit einem Gesetzespaket. Vorgestellt wurden die Pläne bereits. Nun kündigte Heil an, dass die Reform im Mai im Bundeskabinett beschlossen werden solle. Dann folgt das parlamentarische Verfahren. Alle Generationen sollten sich auf die Rente verlassen können. Mit ihrer Reform wollen Heil und Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Rentenniveau von 48 Prozent für die Zukunft garantieren. Bis Mitte der 2030er-Jahre will die Regierung zudem mindestens 200 Milliarden Euro aus Bundesmitteln am Kapitalmarkt anlegen. Aus den Erträgen sollen Beitragsanstiege abgedämpft werden. 

Wie ist es künftig um die Rentenausgaben bestellt?

Die Rentenausgaben würden ohne Reform laut Gesetzentwurf bis 2045 von derzeit 372 auf 755 Milliarden Euro steigen - durch das 48-Prozent-Rentenniveau dürften es 800 Milliarden Euro werden. Der Rentenbeitrag würde ohne Geldanlage am Kapitalmarkt von 18,6 Prozent bis 2045 auf 22,7 Prozent steigen. Mit Generationenkapital sollen es dann 22,3 Prozent werden. Deutschlands Arbeitgeber hatten bereits kritisiert: „Das geplante Rentenpaket II wäre das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts.“ Überfordert würden die Beitragszahler. Auch sei schleierhaft, wie der Bund die wachsenden Finanzierungslasten für den Bundeszuschuss tragen wolle.

Wie reagiert Heil auf die Kritik?

Sicherheit im Alter für alle Generationen müsse einer Gesellschaft auch etwas wert sein, sagte er am Montag. „Und zum Zweiten ist es darstellbar, wenn wir den Arbeitsmarkt stabil halten.“ Heute gebe es fünf Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr als vor zehn Jahren prognostiziert. Auch die Zahl der älteren Beschäftigten zwischen 60 und 64 und die Frauenerwerbsbeteiligung seien deutlich gestiegen. „Wir werden zukünftig auch auf diese Stellschrauben setzen und gleichzeitig auch qualifizierte Zuwanderung organisieren.“ 

Sind alle zufrieden mit der Rentenerhöhung?

Nein. Der Rentenexperte der Linken, Matthias W. Birkwald, meinte: „Diese Erhöhung reicht angesichts der vergangenen Inflationsjahre bei weitem nicht aus.“ Ein Rentenniveau von 53 Prozent sei nötig. Auch die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte, die Kostensteigerungen der vergangenen Monate und Jahre würden lange nicht ausgeglichen. „Vor allem die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten stellen eine große Belastung dar. Viele Beschäftigte, Beamte und Pensionäre haben daher bereits einen steuerfreien Inflationsausgleich erhalten, Rentnerinnen und Rentner aber nicht.“ Engelmeier bekräftigte ihre Forderung nach einer solchen Inflationsprämie auch für diese Menschen. 

Wie sind ältere Frauen in Deutschland finanziell gestellt?

Meist schlechter als Männer. Mit Jahreseinkünften von im Durchschnitt 18.663 Euro brutto lagen Frauen im Alter ab 65 Jahren 2023 deutlich hinter gleichaltrigen Männern, die im Schnitt auf 25.599 Euro kamen. Das geschlechtsspezifische Gefälle bei den Alterseinkünften, auch „Gender Pension Gap“ genannt, betrug damit 27,1 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Als wichtige Gründe für die Lücke gelten die höhere Teilzeitquote bei Frauen, geringer bezahlte Jobs und häufigere Auszeiten etwa zur Kinderbetreuung.

© dpa-infocom, dpa:240424-99-784895/4

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: