Prozesse - Frankfurt am Main:Lübcke-Prozess mit weiterem Vernehmungsvideo fortgesetzt

Deutschland
Der Hauptangeklagte Stephan Ernst geht zur Anklagebank. Foto: Boris Roessler/dpa-Pool/dpa (Foto: dpa)

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Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Viele Fragen, häufig einsilbige Antworten: Der Prozess um den gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist am Donnerstag mit einem weiteren Vernehmungsvideo fortgesetzt worden. Vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt wurde die Vernehmung des mutmaßlichen Täters Stephan Ernst durch Beamte des Hessischen Landeskriminalamts im Februar gezeigt. Die Anklage wirft dem Deutschen vor, Lübcke im Juni 2019 aus rechtsextremistischen Motiven erschossen zu haben. Markus H., der zweite Angeklagte, ist wegen Beihilfe angeklagt.

Ernst hatte widersprüchliche Angaben zu der Tat gemacht, wie in zwei an den vorangegangenen Verhandlungstagen gezeigten Vernehmungsvideos zu sehen war: Kurz nach seiner Festnahme hatte er im Juni 2019 in der Vernehmung durch Kriminalbeamte angegeben, er habe Lübcke alleine auf der Terrasse von dessen Wohnhaus erschossen, nachdem er bereits mehrfach mit einer Waffe in der Hand den CDU-Politiker dort beobachtet hatte. Vor einem Ermittlungsrichter widerrief er im Januar dieses Geständnis und bezeichnete den Tod Lübckes als Unfall. Markus H. habe die Waffe in der Hand gehalten, der Schuss habe sich versehentlich gelöst.

Am Donnerstag wurde der größte Teil des sechsstündigen Videos einer Vernehmung durch Beamte des Hessischen Landeskriminalamts im Februar gezeigt. Zu den Geschehnissen auf der Terrasse wollte sich Ernst dazu nicht äußern. "Dazu möchte ich keine Angaben machen", sagte er immer wieder, gab auf viele Fragen nur einsilbige Antworten. Er beschrieb, wie er gemeinsam mit Markus H. den Tatort ausgekundschaftet habe.

Geplant sei gewesen, Lübcke mit der Waffe zu bedrohen und zu schlagen oder zu treten, sagte er. "Dass wir was machen, das stand spätestens nach Chemnitz fest", sagte Ernst in dem Video. Auch zuvor sei schon davon die Rede gewesen, dass Lübcke geschlagen werden sollte. "Das war eine Vorstellung, die wir beide hatten." Markus H. und er hätten aber nicht vor Augen gehabt, "wie das alles abläuft", sagte er zu seinen vagen Schilderungen. Er räumte ein, nach der Tat Chatverläufe gelöscht zu haben, insbesondere die Chats mit H.

In dem Video stellten die Ermittler Fragen nach Entscheidungen und Plänen, zur Entsorgung der Tatwaffe und anderen Waffen, die Markus H. besessen haben soll. "Er hatte eine Menge (Waffen)", sagte Ernst, auch illegale Waffen. Darunter sei auch eine Maschinenpistole gewesen. H. habe die Waffen in Depots vergraben, zu deren Lage er aber keine Angaben machen könne. Das Verhältnis zu H. beschrieb Ernst in seiner Aussage als kollegial. Gespräche über politische Themen seien vor allem von H. ausgegangen. "Ich würde sagen, er war der Wortführer", sagte Ernst.

Die Beamten befragten Ernst auch zu dessen Verbindungen zur rechten Szene. Von der "Kameradschaft-Szene" habe er sich etwa 2009 oder 2010 gelöst, erklärte Ernst in der Vernehmung. Mit H. sei er etwa zu AfD-Veranstaltungen gegangen. Spenden habe er der Identitären Bewegung zukommen lassen, zu der er aber keine weiteren Kontakte gehabt habe.

Vor dem Zeigen des Videos hatte das Gericht unter anderem einen Verteidigerantrag zur Einstellung des Verfahrens und auf Aufhebung des Haftbefehls gegen Markus H. abgelehnt. Es gebe keine Umstände, die "zu einer anderen Bewertung der Rechtslage Anlass geben", hieß es.

Auch ein Antrag, den Prozess in einen größeren Saal außerhalb des Gerichts zu verlegen, wurde unter Verweis auf Sicherheitsaspekte abgelehnt. Eine Öffentlichkeit des Verfahrens sei trotz der Begrenzung der Zuschauer wegen der Corona-Abstandsregeln gewährleistet. Eine Verlagerung in einen größeren Saal für mehr Zuschauer würde dem Verfahren vielmehr den "Anschein eines Schauprozesses" geben, so die Richter.

Lübcke war im Juni 2019 im Garten seines Wohnhauses erschossen worden. Die Anklage wirft Ernst vor, aus rechtsextremistischen Motiven heraus die Tat begangen zu haben. Lübcke war seit dem Jahr 2015 wegen seines Einsatzes für Flüchtlinge wiederholt bedroht worden. Die Witwe und die beiden erwachsenen Söhne des CDU-Politikers nehmen an dem Verfahren als Nebenkläger teil.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Dann wird unter anderem der Abschluss des Vernehmungsvideos gezeigt. Voraussichtlich Ende Juli könnte es auch zu der von den Verteidigern angekündigten Erklärung von Ernst im Gericht kommen.

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