Kriminalität - Hanau:"Opfer von Hass und Rassismus": Abschied von Anschlagsopfern

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Teilnehmer eines Trauergebets tragen den mit einer Fahne bedeckten Sarg zu einem Leichenwagen. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa (Foto: dpa)

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Offenbach/Hanau (dpa/lhe) - Fünf Tage nach dem mutmaßlich rassistischen Anschlag in Hanau hat am Montag der Abschied von den Todesopfern begonnen. Auf einem Friedhof in Offenbach wurde eine 43 Jahre alte Frau beerdigt, in Hanau ein 23-Jähriger bestattet.

In der mit zahlreichen Blumen geschmückten Trauerhalle in Offenbach sind alle Plätze voll. Ein großes Foto zeigt eine lebensfrohe Frau. "Sie ist bei Gott, anders kann es gar nicht sein", sagte der katholische Geistliche bei der Trauerzeremonie in Offenbach. Und mit Blick auf die Motive des Täters, aber auch die Wut vieler Menschen über das Verbrechen, betont er: "Wenn wir anfangen zu hassen, dann können wir nicht lieben."

Angehörige und Freunde nahmen am offenen weißen Sarg Abschied von der Toten, deren Haar von einem Spitzentuch bedeckt ist. Der Vater der Toten sagte: "Sie hat das Leben so sehr geliebt." Auch Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) kam zur Beisetzung. Er kritisierte das Wort Fremdenfeindlichkeit in den Berichten über die Toten. Die Ermordeten seien keine Fremden gewesen. "Sie waren Mitbürger unserer Gesellschaft", sagt er.

Die zweifache Mutter hatte im Hanauer Stadtteil Kesselstadt Pizza holen wollen, als sie erschossen wurde. Sie sei "ein Opfer von Rassismus und Hass", sagte Kaminsky.

Am Nachmittag wurde auf dem Hanauer Hauptfriedhof ein 23 Jahre alter Mann beigesetzt, der ebenfalls in der Nacht zum Donnerstag in der Stadt getötet worden war. "Er war ein liebenswürdiger Hanauer Bub", sagte Kaminsky über den jungen Mann mit kurdischen Wurzeln, der in der Brüder-Grimm-Stadt geboren worden war. Der Oberbürgermeister kündigte bei der Rede vor mehreren hundert Trauergästen außerdem die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Hauptfriedhof an, "die an diese schreckliche Tat, aber vor allem an die Ermordeten erinnern wird".

Die Mutter des Getöteten wandte sich ebenfalls kurz an die Menge. Laut einer Übersetzung eines Sprechers der Familie sagte die Frau, sie wolle nicht, dass weitere Mütter das erleiden müssten, was sie erlitten habe. Es dürfe daher nicht bei Worten bleiben, es müssten Taten folgen. Viele Menschen, die sich zu der Trauerfeier eingefunden hatten und später den Sarg auf dem Weg zum Grab folgten, hatten ein Foto des Toten an ihren Jacken befestigt.

Rund zwei Stunden zuvor hatten zahlreiche Menschen auf dem Hanauer Marktplatz bei einem öffentlichen Gebet der bei dem Anschlag getöteten Opfer gedacht. Drei Särge, die in türkische Fahnen gehüllt waren, standen vor einer Bühne, auf der muslimische Geistliche Trauergebete sprachen. Die Särge waren auf einer mit einem grünen Tuch bedeckten Tischreihe aufgebahrt. Viele hundert Menschen hatten sich auf dem zentralen Platz versammelt. Nach dem Abschluss der Gebete in türkischer Sprache wurden die Särge in bereitstehende Leichenwagen getragen. Zwei der Leichen sollten in die Türkei übergeführt werden.

Ein 43-jähriger Deutscher hatte in der Nacht zum Donnerstag insgesamt neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Der Sportschütze soll auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst getötet haben. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.

Wie am Montag bekannt wurde, soll die zentrale Trauerfeier in Hanau wohl erst im März stattfinden. Zunächst werde abgewartet, bis das letzte Opfer beigesetzt oder übergeführt sei, sagte eine Sprecherin der Stadt. Die große Trauerfeier wird demnach in Abstimmung mit den Angehörigen sowie den Bundes- und Landesbehörden vorbereitet. Einen Termin gebe es noch nicht, so die Sprecherin. Aber in dieser Woche werde die Veranstaltung sicher nicht stattfinden.

Unterdessen wendet sich der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, gegen vorschnelle Diskussionen über Verschärfungen im Waffenrecht. Zunächst sollten alle abwarten, was die Ermittler wirklich zu Tage fördern "und vielleicht dann noch mal neu sprechen", sagte er am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Nötig sei dagegen ein stärkeres Durchgreifen gegen Hasskriminalität im Internet.

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