München:Coronavirus in Deutschland: Vier Leute in Bayern infiziert

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Die Skulptur einer „Äskulapnatter“ ist vor dem Haupteingang des Klinikums Schwabing zu sehen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Das neue Coronavirus aus China ist nun auch in Deutschland angekommen. Die bayerischen Gesundheitsbehörden bestätigten am Dienstag die vier ersten Fälle in der...

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München (dpa) - Das neue Coronavirus aus China ist nun auch in Deutschland angekommen. Die bayerischen Gesundheitsbehörden bestätigten am Dienstag die vier ersten Fälle in der Bundesrepublik. Weil sie allesamt Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto aus dem oberbayerischen Gauting sind, schließt die Firma ihre Zentrale im Ortsteil Stockdorf zum Schutz der Belegschaft vorübergehend bis Sonntag. Dort arbeiten insgesamt rund tausend Menschen.

Zunächst war die neue Lungenkrankheit bei einem 33 Jahre alten Mann aus dem Landkreis Landsberg am Lech nachgewiesen worden. Er hatte sich in seiner Firma in einem Vorort von München bei einer Kollegin aus China infiziert. Am Dienstagabend teilte das bayerische Gesundheitsministerium mit, dass sich drei weitere Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert haben. „Auch diese Patienten sind Mitarbeiter der Firma aus dem Landkreis Starnberg“, hieß es weiter.

Die vier Betroffenen wurden in der München Klinik Schwabing stationär aufgenommen und dort medizinisch überwacht und isoliert, wie das Ministerium mitteilte. „Bei einigen weiteren Kontaktpersonen läuft derzeit ein Test, ob auch hier eine Infizierung mit dem Coronavirus vorliegt.“ Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte: „Es wurden insgesamt rund 40 Mitarbeiter der Firma ermittelt, die als enge Kontaktpersonen in Frage kommen. Die Betroffenen sollen am Mittwoch vorsichtshalber getestet werden.“ Dann will das Ministerium auch per Pressemitteilung über den aktuellen Sachstand informieren.

Der 33-Jährige hatte sich nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bei einer Kollegin aus China angesteckt, die in der vergangenen Woche zu einer Schulung bei Webasto in der Firmenzentrale im Landkreis Starnberg gekommen war. Die Frau hatte ihre Infektion erst am 23. Januar auf dem Rückflug nach China bemerkt.

Webasto kündigte am Dienstagabend an, dass neben der vorübergehenden Schließung des Standorts Stockdorf Mitarbeiter der Firmenzentrale ebenfalls bis Sonntag nicht an nationale und internationale Standorte reisen sollen. Für China galt schon vorher eine Sperre für zwei Wochen. „Die Maßnahmen zum Schutz der Belegschaft wurden aufgrund der neueren Entwicklungen ausgeweitet“, hieß es in einer Mitteilung. Das Management hatte den Mitarbeitern in der Zentrale schon zuvor für diese Woche freigestellt, ob sie im Büro oder lieber zuhause arbeiten wollen.

Das neuartige Coronavirus 2019-nCoV kann eine Lungenkrankheit auslösen, an der im Hauptverbreitungsland China bereits mehr als 100 Menschen gestorben sind - die meisten davon waren ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen. Die Gesamtzahl der weltweit bekannten Erkrankungen ist inzwischen auf mehr als 4500 gestiegen, in China starben mindestens 106 Menschen an der Lungenkrankheit.

Der erste Coronavirus-Patient war am Montag positiv auf das Virus getestet worden - da war er schon wieder zur Arbeit gegangen. „Es geht ihm recht gut, gestern Vormittag hat er noch gearbeitet“, sagte LGL-Präsident Andreas Zapf. „Er ist fieberfrei, hat auch derzeit keine Atemwegssymptomatik mehr“, fügte der behandelnde Chefarzt Clemens Wendtner vom Klinikum Schwabing hinzu. Der Mann befinde sich in einem Isolierzimmer, für andere Patienten bestehe keine Gefahr.

Die Menschen, die mit der chinesischen und dem zuerst erkrankten deutschen Webasto-Mitarbeiter Kontakt hatten, stehen nach LGL-Angaben unter Beobachtung und sind aufgerufen, ihr Zuhause nicht zu verlassen. Der 33-jährige Patient ist Familienvater, sein Kind geht nach Angaben des Gesundheitsministeriums in eine Krippe im Landkreis Landsberg am Lech. Auch diese stehe nun unter Beobachtung, sagte LGL-Präsident Zapf. Über den Familienstand der drei weiteren Patienten wurde zunächst nichts bekannt. Der Leiter der Taskforce Infektiologie, Martin Hoch, betonte: „Die Zahl kann noch steigen.“

Das neue Virus 2019-nCoV stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die neuartige Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, womöglich sogar ohne Symptome.

Übertragungen vor den ersten Symptomen gelten als sehr selten. So liefert der erste bestätigte Coronavirus-Fall in Deutschland womöglich auch neue Erkenntnisse über die Ansteckungswege der Lungenkrankheit. Denn der Mann habe sich nach ersten Erkenntnissen bei der Chinesin angesteckt, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch keine Symptome der Krankheit zeigte.

Die Behörden wollen nun nach und nach weitere Maßnahmen in Bayern einleiten. Eine offizielle Hotline der bayerischen Behörden wurde geschaltet, einige Krankenkassen taten das auch. Am Münchner Flughafen werden die Passagiere nach Angaben des Landesamtes mit Plakaten in drei Sprachen aufgefordert, bei Verdacht einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus einen Arzt aufzusuchen. Weitere Eskalationsstufen des Alarmplans sind möglich: Derzeit werde gemeinsam mit dem Bund beraten, „ob es sinnvoll sein kann, an Flughäfen Fieber zu messen“, sagte Ministerin Huml. Die weltgrößte Spielwarenmesse in Nürnberg erwartet angesichts des Coronavirus-Ausbruchs in diesem Jahr weniger Besucher aus China.

Einen Grund zur Panik gebe es trotz allem nicht, betonte Huml - ebenso wie ihr Amtskollege, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Fall zeige, „dass wir gut vorbereitet sind“, sagte er. Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland bleibe auch nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts weiterhin gering.

Trotzdem waren Atemschutzmasken in einzelnen Apotheken in Bayern ausverkauft. Er habe dies von Betrieben in Unterfranken und München gehört, sagte ein Sprecher des bayerischen Apothekerverbandes der Deutschen Presse-Agentur.

Webasto ist ein großer Zulieferer für die Automobilindustrie mit 13 400 Mitarbeitern und einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro. Auch BMW, Audi und Siemens erklärten, dass nur noch zwingend notwendige Dienstreisen nach China angetreten werden.

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