Korruptionsverfahren:Ex-OB von Regensburg will vors Bundesverfassungsgericht ziehen

Lesezeit: 3 min

Joachim Wolbergs (r), ehemaliger Oberbürgermeister von Regensburg, sitzt mit seinem Verteidiger Peter Witting beim Pressegespräch. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Der BGH hatte das milde Urteil in den Korruptionsverfahren kassiert, seine Verurteilung wegen Bestechlichkeit aber bestätigt. Wolbergs will das nicht auf sich sitzen lassen.

Von Deniz Aykanat, Regensburg

Mehr als zwei Monate ist es her, dass der Bundesgerichtshof in Leipzig die Verurteilung des früheren Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs im Jahr 2020 bestätigte und die Teil-Freisprüche aus seinem ersten Prozess 2019 einkassierte. Seitdem warten Journalisten und die Öffentlichkeit darauf, dass Wolbergs dazu ein paar Fragen beantwortet. Wie er die Verhandlung in Leipzig empfand zum Beispiel. Oder nach den Konsequenzen, die er ziehen wird, da er rechtskräftig verurteilt ist.

Wolbergs hat diese Fragen nun zum Teil beantwortet. Vor einer holzvertäfelten Wand in einem kleinen Hotel in der Nähe des Regensburger Hauptbahnhofs, an seiner Seite sein Anwalt Peter Witting. Sie haben zu einem Pressegespräch geladen, um über den Stand der Dinge zu informieren. Hinter den beiden ein Kupferstich von Regensburg, der Stadt, die bis zu seiner Verhaftung vor fast genau fünf Jahren Wolbergs' Stadt war und von der er einmal sagte, er werde sie verlassen, wenn er rechtskräftig verurteilt würde. So ist es gekommen, aber Wolbergs ist noch da und will das BGH-Urteil nicht auf sich sitzen lassen.

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Mit seinem Verteidiger hat Wolbergs vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Zum einen sollen grundsätzliche Fragen der Parteienfinanzierung und der damit verbundenen Zulässigkeit von Parteispenden geklärt werden. Anwalt Witting wirft die Frage auf, "wie denn ein kommunaler Spitzenkandidat überhaupt noch Spenden annehmen" könne, ohne sich verdächtig oder strafbar zu machen. Diese Frage habe auch bundesweite Bedeutung, sagt Witting.

Zum anderen will Witting vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen, ob im zweiten Prozess gegen Wolbergs, bei dem er 2020 vom Regensburger Landgericht wegen Bestechlichkeit zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, nach dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip geurteilt wurde. "Keine Strafe ohne Schuld, heißt es da. Die Frage ist also, ist eine Schuld ordnungsgemäß festgestellt worden? Wir sagen ganz deutlich: Nein!" Wittings und Wolbergs' Kritik richtet sich vor allem an die betreffende Strafkammer des Regensburger Landgerichts. Diese habe sich in ihrem Urteil von den Erkenntnissen aus der Beweisaufnahme entfernt, sagte Witting. Und schob gleich selbst hinterher, dass dies ein "schwerer Vorwurf" sei. "Die Kammer hat ein Bild gezeichnet, das mit der tatsächlichen Geschichte nichts gemein hat." Der BGH habe dieses Versäumnis nicht korrigiert und als Kontrollinstanz versagt, so Witting weiter. "Das war eine Farce", sagte er. Man habe sich das Ganze anders vorgestellt. "Wir haben unsere Argumente vorgetragen, aber es fand anschließend keine Diskussion unter den Verfahrensteilnehmern statt, uns wurden keine Fragen gestellt." Nach stundenlangen Einlassungen und Ausführungen von Staatsanwältin und Verteidigern hatten sich die Richter am Abend jenes Novembertags zurückgezogen - und präsentierten 45 Minuten später ihr Urteil samt Pressemitteilung.

Aus Sicht von Witting und Wolbergs aber nicht etwa deshalb, weil der Fall klar ist und Wolbergs' Vergehen erwiesen sind. Sondern, weil der BGH gar kein Interesse an den Argumenten der Verteidigung gehabt habe. "Das war eine reine Show-Veranstaltung", sagte Wolbergs über die Verhandlung in Leipzig.

Wolbergs musste sich zweimal wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit vor dem Regensburger Landgericht verantworten. Es ging um Spenden von Bauunternehmern an den Regensburger SPD-Ortsverein Stadtsüden, also auf das Wahlkampfkonto des damaligen OB-Kandidaten Wolbergs. Die Spenden, insgesamt fast eine halbe Million Euro, flossen über Jahre hinweg über Strohleute an den Ortsverein, immer in Tranchen von knapp unter 10 000 Euro, der Veröffentlichungsgrenze für Parteispenden.

Das Regensburger Landgericht sah es als erwiesen an, dass sich die Bauträger damit die Gunst des OB-Kandidaten erkauften. In beiden Prozessen wurde Wolbergs deshalb wegen Korruptionsdelikten verurteilt, aber nur in einem erhielt der Ex-OB dafür auch eine Strafe, nämlich ein Jahr Haft auf Bewährung. Dieses Urteil bestätigte der BGH im November. Im ersten Prozess hingegen blieb Wolbergs trotz Verurteilung straffrei mit der Begründung, er habe nicht wissentlich kriminell gehandelt und sei überdies schon gestraft genug. Ein zu mildes Urteil, befand der BGH und verwies den Fall an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes München I. Dort muss neu verhandelt werden. Und wie geht es für Wolbergs außerhalb von Gerichtssälen weiter, als Regensburger Stadtrat zum Beispiel? "Das weiß ich noch nicht. Ich bin noch nicht bereit, Konsequenzen zu ziehen, wie ich sie früher angekündigt habe." Er meint wohl die Ankündigung, Regensburg bei einer Verurteilung zu verlassen, auch politisch. Er habe zwar fast alles verloren, aber seine Ehre, um die wolle er noch kämpfen.

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