Regensburger Korruptionsprozess:"Freundschaftsdienste" in Wolbergs Privatwohnungen

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Prozesstag für Prozesstag kommt der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs in das Regensburger Landgericht. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Bisher ging es im Regensburger Korruptionsprozess vor allem um fragwürdige Parteispenden, die auf das Wahlkampfkonto des suspendierten Oberbürgermeisters flossen.
  • Nun geht es um die Frage, ob die Firma des Bauunternehmers Tretzel auch private Rechnungen für den SPD-Politiker beglichen hat.
  • Wolbergs erklärte schon zu Prozessbeginn, er habe sich nicht privat bereichert.

Aus dem Gericht von Andreas Glas, Regensburg

Im Frühjahr 2013 hat Joachim Wolbergs einen neuen Parkettboden bekommen. Holzart: Eiche Natur. Gekostet hat der Fußboden für seine Mietwohnung genau 8609,61 Euro. So steht es auf der Rechnung, die an diesem Montag auf dem Richtertisch liegt. Doch erhalten hat Wolbergs diese Rechnung nie. Das ist ein Problem, er weiß das. Er habe "faktisch nicht bezahlt", sagte Wolbergs bereits zu Prozessbeginn im September, "und deswegen könnten sie mich bestrafen".

Bisher ging es im Regensburger Korruptionsprozess vor allem um fragwürdige Parteispenden, die aus dem Umfeld des Bauunternehmers Volker Tretzel auf das Wahlkampfkonto des suspendierten Oberbürgermeisters flossen. Nun, im vierten Themenkomplex des Prozesses, geht es um die Frage: Hat Tretzels Firma auch private Rechnungen für den SPD-Politiker beglichen?

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Die Verteidiger hatten im Fall um den suspendierten OB Wolbergs von "gravierenden Verfahrensverstößen" gesprochen. In einer hitzigen Auseinandersetzung im Gerichtssaal kontert die Staatsanwaltschaft diese Vorwürfe scharf.

Aus dem Gericht von Andreas Glas

Knapp 20 000 Euro soll die Baufirma übernommen haben - für Renovierungsarbeiten am Wochenendhaus der Familie Wolbergs in Mitterhaselbach (Kreis Straubing-Bogen) und einer Mietwohnung des OB in Regensburg. Dass die Staatsanwaltschaft hinter den Renovierungen Korruption vermutet, sei für ihn "noch viel schlimmer" als die Sache mit den Parteispenden, sagt Wolbergs am Dienstag im Gerichtssaal. "Weil da die Leute sagen: Der hat sich privat was in die Tasche geschustert. Und das habe ich nicht."

Wirklich nicht? Um diese Frage zu klären, tritt seit vergangener Woche ein Handwerker nach dem anderen als Zeuge im Prozess auf. Zwei Bodenleger, zwei Maler, ein Landschaftsgärtner, ein Glaser, ein Hausmeister, ein Gas-Wasser-Installateur. Sicher könnte auch Franz Wild etwas zu den Renovierungen sagen, der frühere Mitgeschäftsführer der Firma Tretzel, der neben seinem ehemaligen Chef und dem OB ebenfalls angeklagt ist. Doch Wild schweigt dazu genauso wie Tretzel. Nur einer redet, so ist das bislang im gesamten Prozess gewesen: Joachim Wolbergs.

Der OB erzählt, dass er im Jahr 2012 begonnen habe, das Ferienhaus zu renovieren. Das Haus gehöre ihm, seiner Mutter und seinen beiden Brüdern. "Alles, was ich selber in dem Haus tun konnte, habe ich selber gemacht", sagt Wolbergs. Wegen der übrigen Arbeiten habe er Franz Wild um Hilfe gebeten. "Nicht, weil er beim Bauteam Tretzel arbeitet, sondern weil ich ihn kannte und ich gewusst habe, dass er Handwerker kennt." Er sei "freundschaftlich verbunden" mit Wild, man kenne sich aus dem Aufsichtsrat des Fußballklubs SSV Jahn Regensburg, sagt der OB. Deshalb habe Wild für die Vermittlung der Handwerker auch kein Geld von ihm verlangt.

Die Rechnungen sollten gesplittet werden

Ebenfalls von einem "Freundschaftsdienst" spricht am Montag der vergangenen Woche ein Bauleiter der Firma Tretzel. In Absprache mit Franz Wild habe er die Handwerker für den OB organisiert. Die Abrechnung der Renovierungsarbeiten lief offenbar stets nach ähnlichem Muster. Das legen die Aussagen fast aller Handwerker nahe. Demnach soll Ex-Tretzel-Geschäftsführer Wild die Handwerkerfirmen angewiesen haben, ihre Rechnungen zu splitten. Einen Teilbetrag sollten sie dem OB in Rechnung stellen. Die Rechnung über den Restbetrag - meist rund die Hälfte der Kosten - sollte an die Firma Tretzel gehen. Wusste der Firmenchef davon? "Ich denke, er hat es gewusst", sagt der Bauleiter.

Die Rechnungen an die Firma Tretzel wurden aber nicht für Renovierungsarbeiten an Wolbergs-Haus ausgestellt, sondern für Arbeiten auf anderen Tretzel-Baustellen. Warum? "Es hat geheißen, wir sollen das so machen und dann wurde das so gemacht", sagt einer der Handwerker. Auch bei den Renovierungen in Wolbergs' Mietwohnung in Regensburg gab es offenbar eine Rechnungssplittung. Das sei "im Endeffekt dasselbe" gewesen, sagt der Tretzel-Bauleiter. Eine Summe wurde Wolbergs jedoch überhaupt nicht in Rechnung gestellt: die 8609,61 Euro für den neuen Parkettboden. Dieses Geld habe die Baufirma Tretzel bezahlt, sagt ein Bodenleger am Montag im Gerichtssaal.

In der Mietwohnung hat Wolbergs nie gewohnt. Bis er im Frühjahr 2014 zum OB gewählt wurde, war er Pächter einer Gaststätte im Kulturzentrum Alte Mälzerei. Die Wohnung gehörte zum Pachtvertrag. Bis zum Jahr 2013 hatte er sie an Studenten vermietet. Nach deren Auszug habe er die Wohnung "gut auf Vordermann" bringen wollen, sagt Wolbergs - und bat auch hierbei Ex-Tretzel-Mann Wild, ihm Handwerker zu organisieren. Für einen Teil der Arbeiten habe er eine Rechnung bekommen und bezahlt, "aber ich hätte wissen müssen, es hätte noch eine Rechnung kommen müssen über den Boden", sagte Wolbergs bereits beim Prozessauftakt. Diese Rechnung habe er "einfach nicht auf dem Schirm" gehabt und deshalb auch nicht danach gefragt.

Während Wolbergs also schlicht vergessen haben will, dass er den Parkettboden noch hätte zahlen müssen, will er von gesplitteten Rechnungen überhaupt nichts gewusst haben. "Alle Rechnungen, die zu mir nach Hause gekommen sind, hat meine Frau überwiesen", sagt der Oberbürgermeister. Er habe gedacht, "dass damit alles erledigt ist" und alles bezahlt sei. Weil er von einer Splittung durch die Firma Tretzel nichts gewusst habe, sei es "schlechterdings nicht möglich", ihm Vorteilsannahme vorzuwerfen.

Der Korruptionsprozess wird am 28. Januar fortgesetzt. Dann geht es um Eigentumswohnungen, die Wolbergs' Mutter und seine Schwiegermutter bei der Firma Tretzel kauften - und hierfür laut Anklage Preisnachlässe in Höhe von rund 100 000 Euro erhielten.

© SZ vom 16.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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