Regensburger Korruptionsprozess:"Man wird uns hier nicht mürbe machen"

Lesezeit: 3 min

Regensburgs suspendierter OB Joachim Wolbergs im Dezember, zwischen seinen Verteidigern Jutta Niggemeyer-Müller und Peter Witting. (Foto: dpa)
  • Nach der Feiertagspause geht der Korruptionsprozess um den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) weiter.
  • Vor Weihnachten hatte der Anwalt des mitangeklagten Unternehmers Volker Tretzel die Einstellung des Verfahrens beantragt - er begründete dies vor allem mit Verfahrensfehlern.
  • Nun kontert die Staatsanwaltschaft diese Vorwürfe.

Aus dem Gericht von Andreas Glas, Regensburg

Vier Stühle hält Saal 104 des Regensburger Landgerichts für die Staatsanwaltschaft parat. Bisher waren immer nur zwei Stühle besetzt. An diesem Montag, Prozesstag 30, sitzt eine dritte Person neben den Staatsanwältinnen Christine Ernstberger und Ingrid Wein. Ein Mann in Robe, mit leicht angegrauten Haaren. Markus Pfaller ist Oberstaatsanwalt. Aber er klingt wie ein Verteidiger, als er aufsteht, seinen Stuhl an den Tisch schiebt und sagt: "Wir haben uns das jetzt drei Monate angeschaut und ertragen, wie man teilweise die beiden Damen hier angefeindet hat." Er meint die Staatsanwältinnen neben sich. "Das machen wir nicht mehr mit", sagt Pfaller in Richtung der Angeklagten und deren Verteidigern. "Man wird uns hier nicht mürbe machen."

Eineinhalb Stunden wird Pfaller die Vorwürfe kontern, die die Anwälte des Bauunternehmers Volker Tretzel Ende Dezember in ein 50 Seiten dickes Dokument gepackt hatten. Darin hatten sie beantragt, den Korruptionsprozess gegen Tretzel, Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) und zwei Mitangeklagte einzustellen. Von "gravierenden Verfahrensverstößen" ist in dem Antrag die Rede. Und davon, dass die Ermittler die Grundrechte der Angeklagten "geradezu systematisch missachtet" hätten. Nun also kontert die Staatsanwaltschaft diese Vorwürfe. Markus Pfaller ist gekommen, um zurückzuschießen.

Prozess in Regensburg
:Die Ermittler stehen im Wolbergs-Prozess in der Kritik

Staatsanwältin Christine Ernstberger vertritt die Anklage gegen den suspendierten Regensburger OB vor Gericht. Im Laufe des Prozesses zeigt sich, dass ihre Behörde nicht immer sauber gearbeitet hat.

Von Andreas Glas

Vor allem gegen den Vorwurf, dass "wir einen Unschuldigen hinter Schloss und Riegel bringen wollen", sagt Pfaller. Er spricht jetzt OB Wolbergs und dessen Strafverteidiger an, die mehrfach angedeutet hatten, dass die Staatsanwaltschaft aus Jagdeifer gegen Wolbergs ermittelt habe. "Das ist uns völlig klar, dass es hier um verdammt viel geht", sagt Pfaller. "Es macht keine Freude, wenn man den eigenen Oberbürgermeister anklagt". Das sei kein Grund, dass bei der Staatsanwaltschaft "die Sektkorken knallen".

Was Pfaller besonders kritisiert: Dass Tretzels Verteidiger das öffentliche Interesse am Korruptionsprozess in ihrem Antrag auf Verfahrenseinstellung als "eher gering" bezeichneten. Gegen diese Sicht der Dinge spricht für Pfaller nicht nur die Tatsache, dass hier der OB einer Großstadt auf der Anklagebank sitzt - sondern auch die Schwere der Tatvorwürfe. Um deutlich zu machen, dass die Staatsanwaltschaft diese Meinung nicht exklusiv hat, zitiert Pfaller aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom April 2018. Darin heiße es, dass Tretzel angesichts der Beweislage eine "erhebliche Gesamtfreiheitsstrafe" erwarten müsse.

Im Prozessverlauf hatten die Verteidiger auch die Haftbefehle gegen Wolbergs, Tretzel und einen weiteren Angeklagten als rechtswidrig bezeichnet. Mehrere Wochen saßen die Männer in Untersuchungshaft. "Was soll das?", fragt Pfaller in Richtung der Anwälte und erinnert daran, dass Amts-, Land- und Oberlandesgericht den dringenden Tatverdacht bestätigt haben und ebenfalls Haftgründe sahen. Es sei "infam" zu behaupten, Staatsanwältin Ernstberger habe etwas "erfunden", um U-Haft beantragen zu können, sagt Pfaller.

Wolbergs hört mit verschränkten Armen zu, mit rotem Kopf, die Augenbrauen am Anschlag. Wenn die Staatsanwaltschaft einem Ermittlungsrichter mitteile, "da sitzt ein Schwerverbrecher", dann sage der Richter: "Nehmt den in Haft, das ist doch logisch", sagt Wolbergs im Anschluss an Pfallers Erklärung. Er wisse, wie das laufe, "ich bin ja nicht blöd". Für ihn bleibe Staatsanwältin Ernstberger "diejenige, die in meinen Augen zu verantworten hat, was mit mir passiert ist". Und dann, sagt er zu Pfaller, "kommen Sie und sagen: Das ist ja eine Unverschämtheit, wie der Herr Wolbergs sich hier aufführt."

Ermittler haben Telefongespräche teils falsch verschriftet

Dann äußert sich Wolbergs-Anwalt Peter Witting dazu, dass der OB im Gerichtssaal immer wieder scharf gegen Staatsanwältin Ernstberger austeilt. "Infam ist hier gar nichts", sagt Witting. Angesichts der Ermittlungsfehler dürfe seinem Mandanten aber auch mal "der Gaul durchgehen". Unter anderem haben die Ermittler Telefonate der Angeklagten abgehört und gespeichert, die den Kernbereich der geschützten Privatsphäre betreffen. Zudem Gespräche der Beschuldigten mit ihren Verteidigern, was ebenso verboten ist. Darüber hinaus wurden Telefongespräche teils falsch verschriftet. Auch Richterin Elke Escher hat das massiv kritisiert.

Dass Escher den Korruptionsprozess wegen all dieser Fehler einstellt, halten aber selbst die Strafverteidiger für sehr unwahrscheinlich. Am Montag kündigt die Richterin an, dass sie "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht über den entsprechenden Antrag entscheiden werde. "Wer weiß, was das Verfahren noch alles Neues bringt", sagt sie. Inhaltlich werde sie sich demnächst aber dazu äußern, kündigt Escher an.

Mit Beginn dieser Woche rückt der inzwischen vierte Themenkomplex des Prozesses in den Blickpunkt. Seit Montagnachmittag geht es um die Renovierungen eines Ferienhauses der Familie Wolbergs, einer weiteren Mietwohnung des OB - und um die Frage, ob Tretzels Firma teilweise die Kosten dafür übernahm. Das Gericht hat mehrere Handwerker als Zeugen geladen: Bodenleger, Maler, einen Gärtner, einen Gas-Wasser-Installateur. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Regensburger Korruptionsprozess
:"Wir haben alles korrekt gemacht, alles"

Telefonate offenbaren das Selbstverständnis des suspendierten OB Wolbergs und des Bauunternehmers Tretzel. Sie loben ihre Geschäfte - und kritisieren die Ermittler.

Von Andreas Glas

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: