Im Gespräch mit dem Wegscheider Bürgermeister fallen einem einige Klassiker ein. "Sein oder nicht Sein", sprach Hamlet. "Feier oder nicht Feier", knüpft Lothar Venus (CSU) an - "das ist hier die Frage". Man sieht ihn vor sich, wie er im Rathaus zweifelnd zwar keinen Totenkopf, aber einen Bierkrug in den Händen wiegt. "Ein Dorf sucht einen Mörder", auch das würde passen, wiederum leicht abgeändert. "Was genau war, weiß noch keiner", sagt Venus: "Wir müssen die Ermittlungen abwarten." Und dann gibt es auch noch "Jagdszenen aus Niederbayern". Aber von vorne.
Wegscheid im Landkreis Passau hat 5600 Einwohner, 46 Vereine und - nur diese Zahl zählt - normalerweise drei bis vier Corona-Fälle pro Woche. Dann aber wurden es immer mehr. Und die Gerüchte immer lauter: Der Fenzl-Sohn, der ist doch 30 geworden. Und? Gefeiert hat der. Was? Ja! So ging das. Und weil der Fenzl-Sohn nicht irgendwer ist, sondern der Sohn vom zweiten Bürgermeister Johann Fenzl (CSU), fing das hamletgleiche Leiden des ersten Bürgermeisters an. Lothar Venus rief seinen Kollegen an. "Feier oder nicht Feier?", das war seine Frage. Geburtstag ja, Feier nein, die Antwort, gefolgt von einem gar biblischen Vergleich.
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Jemand wolle Pfeile auf ihn schießen, sagte Fenzl, der wirklich an Corona erkrankt war, und schoss selbst ein bisschen zurück. Käme doch sicher aus den Industriegebieten, sagte er, und dann später, käme doch sicher von einer "anderen Feier". Eine andere Feier? Heißt das, bei ihm gab es doch eine? Ein Dorf sucht einen Schuldigen, so weit die Situation in Wegscheid. Außerhalb geht es noch härter zu, womit wir bei den "Jagdszenen aus Niederbayern" wären.
Die Wegscheider nämlich sind gerade alles andere als beliebt, sagt Venus. Die Inzidenz im Landkreis Passau schrammte immer knapp an der magischen Hundert herum. Und jetzt mussten Schulen und Läden schließen, weil einer in Wegscheid das Feiern nicht lassen konnte? Mindestens 60 Infektionen gab es dort laut Gesundheitsamt wegen "einer größeren privaten Zusammenkunft". Mehr wisse man noch nicht, weil die meisten schwiegen. Bei so einer ernsten Sache wie Corona zu mauern, sei doch eine selten dämliche Sache, findet Venus, womit der nächste Klassiker ins Spiel käme: "Das Schweigen der Lämmer."