Unter Bayern:Bergsteigen in Bayern: Wenn Kasperlköpfe auf dem Firnfeld stolpern

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Die Soiernspitze (Mitte) von der Schöttelkarspitze aus betrachtet. Für Wanderer ist sie ein beliebtes Ziel. Allerdings sollte man den Aufstieg nicht in Konfirmationsschuhen versuchen. (Foto: Sebastian Beck)

Im Juni lockt die Natur Abenteurer ins Hochgebirge. Dort müssen sie feststellen, dass noch Schnee liegt. Was das für fatale Folgen haben kann.

Kolumne von Sebastian Beck

Im Alpenvorland hat gerade wieder diese unverschämt schöne Jahreszeit begonnen, in der die Landschaft aussieht wie ein Gemälde von Franz Marc. Droben an den Nordhängen der Berge liegt noch der Schnee wie hingepinselt, während sich unten die Natur dem jugendlichen Rausche hingibt. Alles flattert, sprießt und tschilpt, dass man selbst am liebsten gleich ins Sportgeschäft stürzen möchte, um sich ein neues Ausrüstungsteil zu holen. Irgendwas, nur her damit, gerne einen Ersatzakku oder eine Wanderhose oder wenigstens einen Rucksack. Es geht darum, sich und der Welt die Bereitschaft zum Aufbruch ins Gebirg zu signalisieren.

In den nächsten Tagen kommt bei mir endlich die Soiernspitze dran, die sich mit ihren 2257 Metern Höhe hinterm Walchensee aufbaut. Sie steht da, immer noch unbezwungen. Einst im Mai scheiterten zwei jugendliche Abenteurer an ihr, von denen sich der eine gerade schwere Bergstiefel gekauft hatte, der andere aber mit seinen alten Konfirmationsschuhen unterwegs war, weil er Konsum und Luis-Trenker-Getue grundsätzlich ablehnte. Im Firnfeld unterhalb des Gipfels fiel der Konsumgegner alle fünf Meter auf die Schnauze, sodass sich der Stiefelspießer weigerte, mit ihm noch einen Schritt weiterzugehen. Immerhin kamen beide wieder heil ins Tal, und das ganz ohne Bergwacht.

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In Berchtesgaden lockten Sonne und Altschnee an Pfingsten zwei Menschen aus dem eher horizontal ausgerichteten Münsterland ins Gebirg. Ihr Vorhaben war noch dämlicher als das der jugendlichen Abenteurer: Sie wollten den Watzmann überschreiten, was selbst im Sommer ohne Schnee ein Wagnis ist. Als sie sich schließlich verstiegen hatten, riefen sie die Bergwacht. Die rückte mit 16 Bergrettern und zwei Hubschraubern an - und schaffte es nach Stunden, die beiden ins Tal zu fliegen. Weil sie aber ihre Hüttenschlafsäcke zurücklassen mussten, waren die Münsterländer unzufrieden mit dem Verlauf ihrer Rettung: Im Tal beschwerten sie sich, sie seien als Patienten noch nie so schlecht behandelt worden - und rauschten beleidigt ab.

Stellvertretend für die beiden sei hier der Bergwacht gedankt. Sie muss oft Kasperlköpfe vom Berg holen, und sicherlich hätte sie auch damals den Konsumgegner runtergebracht. Ich werde mir alle Mühe geben, dass ich die Soiernspitze ohne ihre Hilfe rauf- und runterkomme. Versprochen.

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