Untersuchungsausschuss im Landtag:Es geht um den Ruf der bayerischen Justiz

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SPD, Grüne und Freie Wähler präsentieren im Fall Schottdorf ihren Fragenkatalog zum Untersuchungsausschuss. Sie wollen herausfinden, ob sich bayerische Staatsanwälte bei Ermittlungen schützend vor den Augsburger Labormediziner und seine Kunden gestellt haben.

Von Dietrich Mittler, München

Bayerns Justiz muss erneut um ihren Ruf fürchten. SPD, Grüne und Freie Wähler präsentierten am Dienstag ihren gemeinsamen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Auf mehr als 30 Seiten sind die Fragen aufgelistet, mit der die Oppositionsparteien herausfinden wollen, ob sich womöglich bayerische Staatsanwälte bei Ermittlungen schützend vor den Augsburger Labormediziner Bernd Schottdorf und seine Kunden gestellt haben.

Wie SPD, Grüne und Freie Wähler übereinstimmend feststellten, sei nicht auszuschließen, dass durch rechtswidrige Abrechnungen von Laborleistungen "ein volkswirtschaftlicher Schaden von bis zu 500 Millionen Euro" entstanden sei. "Und das ist kein Pappenstiel", sagte der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler.

Überdies sei von schätzungsweise 10 000 Verdächtigen bundesweit auszugehen.

Doch die Ermittlungen wurden eingestellt.

Bereits heute soll der Ältestenrat den Antrag auf dem Tisch liegen haben, und voraussichtlich am 1. Juli dürfte der erste Untersuchungsausschuss dieser neuen Wahlperiode eingesetzt werden. Noch sei die Zeugenliste nicht erstellt, "aber es wird eine stattliche sein", hieß es.

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Auch Edmund Stoiber dürfte gehört werden

Franz Schindler - er ist der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag - ließ einige Namen fallen: Die frühere bayerische Justizministerin Beate Merk werde mit Sicherheit Rede und Antwort stehen müssen, aber auch der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber dürfte gehört werden - etwa dazu, was genau ihm der Augsburger Laborarzt in einem Schreiben mitgeteilt hat. Ob auch der aktuelle Ministerpräsident Horst Seehofer als Zeuge zur Verfügung stehen müsse, sei noch nicht geklärt.

"Doch wir haben jetzt nicht vor, eine Trophäenschau zu präsentieren", stellte Schindler klar. Dazu sei die Angelegenheit zu ernst. Letztlich, so deuteten die Oppositionspolitiker an, stehe hier - erneut - der gute Ruf der bayerischen Justiz auf dem Spiel. "Schreckliche Vorwürfe stehen im Raum", sagte Florian Streibl, der für die Freien Wähler im Rechtsausschuss sitzt.

Die Fragen, die er sodann präsentiert, deuten bereits darauf hin, was Streibl offenbar befürchtet: "Wurden hier Straftäter geschont, und wurde stattdessen gegen Beamte der Sonderkommission Labor vorgegangen, die das aufklären wollten?" Oder: "Wurden aus dem politischen Raum Weisungen oder Hinweise gegeben?" Streibl hat bereits im Vorfeld intensive Gespräche geführt, wie er andeutet.

Seine Folgerung: "Es zeigt sich ein erschreckendes Bild, wie die Staatsregierung mit den eigenen Beamten umgeht." Und hier sei eindeutig das Parlament gefordert: "Es ist unsere Pflicht, Unstimmigkeiten aufzuklären", betonte Streibl.

Auch Franz Schindler hält einen Untersuchungsausschuss für unverzichtbar: "Die Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft sind ungeheuerlich", sagte er. Mit einigen Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) sei so umgegangen worden, "als seien sie die Straftäter - und nicht die anderen".

"Warum läuft in bayerischen Behörden so viel falsch?"

Für Sepp Dürr von den Grünen hat der nun geforderte Untersuchungsausschuss eine viel weitreichendere Aufgabe, als nur die Vorgänge um die Laborgruppe Schottdorf sowie Tausende ihrer Kunden aus der deutschen Ärzteschaft aufzuklären. Für ihn geht es letztlich um die Frage: "Warum läuft in bayerischen Behörden so viel falsch?" Und das lasse sich an diesem konkreten Fall durchexerzieren.

Aus seiner Sicht handelt es sich hier überdies nicht allein um einen möglichen Justizskandal, sondern auch um einen gesundheitspolitischen. Die tatsächlichen Kosten, die für den Laborbetrieb entstünden, seien "nur ein Bruchteil dessen", was den Patienten und den Kassen in Rechnung gestellt werde. Es handele sich hier also um "Wucherpreise".

Dass offenbar im großen Stil von Ärzten abkassiert werden könne, sei letztlich die Schuld der Politik. Es stelle sich also auch die Frage, ob die Staatsregierung ihrer Aufsichtspflicht nachkomme. Aufklärung ist aus Sicht der Grünen allerdings nur der erste Schritt: "Wir werden darauf hinwirken, dass dieses System geändert wird", sagte Dürr, "denn dieses System lädt zum Betrug ein."

Am Ende der voraussichtlich ein Jahr dauernden Ausschussarbeit soll nach Ansicht der Oppositionspolitiker nicht nur geklärt sein, ob Staatsanwälte - womöglich gar auf Weisung von oben - zu kulant gegen verdächtige Ärzte vorgegangen sind. Sie wollen auch wissen: "Wer trägt die politische Verantwortung dafür, dass so etwas passieren kann?"

Bei der CSU stößt die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss indes auf Kritik: Der Fall Schottdorf habe keine politische Dimension - das Vorgehen der Opposition sei "ein durchsichtiges Manöver", sagte Josef Zellmeier, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion.

© SZ vom 25.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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