Unter Bayern:Früher ist bald viel länger her

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Wer von früher erzählt, fängt manchmal schon sehr früh damit an. Es kann gut sein, dass Weihnachten heute später mal Geschichten von früher bereithält.

Von Katja Auer

Früher ist immer länger her, das Königlich-bayerisches-Amtsgericht-Früher zumindest, das gemeinhin als das gute alte Früher gilt. Auch das finstere Früher, das darauf folgte, rückt immer weiter weg, die letzten Zeitzeugen gehen auf die Hundert zu.

Jetzt ist der Rock'n' Roll schon früher, Franz Josef Strauß sowieso und selbst "Wetten dass ..?". Wenn Thomas Gottschalk heutzutage zum Revival lädt, dann schwelgen schon Leute in seligen Samstagabend-Erinnerungen, für die es eigentlich noch zu früh ist, um ernsthaft von früher zu erzählen. Fest steht, je weiter das Früher in die Vergangenheit rückt, umso mehr greift die Verklärung, als ob früher wirklich alles besser gewesen wäre.

Exemplarisch war das jüngst zu beobachten, als der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber 80 Jahre alt wurde. Und selbst Leute, die ihn früher hart kritisiert hatten für seinen Sparkurs, seine Verwaltungsreformen, seine notorische Unpünktlichkeit, auf einmal mit leicht verklärtem Blick seufzten: "Mei, der Edmund..."

Stoiber gehört zu der Generation, die noch erzählen kann, wie das früher war, als wir kaum was hatten. Als kein Geld da war für Christbaumkugeln, und stattdessen Äpfel an der Tanne hingen und Walnüsse und selbst gebastelte Strohsterne. Die Puppe unter dem Baum wurde nach ein paar Tagen wieder verräumt und im Jahr drauf erneut an die Kinder verschenkt. Und wer Glück hatte, bekam noch ein Paar selbstgestrickte Socken.

Demut sollten diese Erinnerungen lehren zwischen Geschenkebergen, Gänsebraten und Mettenwürsten. Effektvoller war da wohl der Weihnachts-Lockdown im vergangenen Jahr, als einigen der Wert des Festes gewahr wurde. Heuer könnte das weitergehen. Wieder ist es ratsam, möglichst wenige Menschen zu treffen - und jetzt könnte selbst der Konsum ins Stocken geraten.

Es gibt weltweite Lieferengpässe, so sind nicht mehr alle Fahrradmodelle zu haben wie früher, ebenso Spielkonsolen, Handys, Sneakers. Selbst Bücher werden knapp, da es an Papier mangelt. Und nun sollen sogar Weihnachtsgänse rar sein, wegen der Vogelgrippe.

Ein Weihnachtsfest in aller Bescheidenheit also? Einen Versuch wäre es ja mal wert. Schon deswegen, weil das später eine schöne Erzählung von früher gibt.

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