Staatliche Archive Bayerns:Amtswechsel mit Defilee

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Führungswechsel bei den Staatlichen Archiven Bayerns (v.l.): Margit Ksoll-Marcon, Kunstminister Markus Blume und Bernhard Grau. (Foto: Generaldirektion der Staatlichen Archive)

Bei einem Festakt wird Margit Ksoll-Marcon, Generaldirektorin der Staatlichen Archive Bayerns, in den Ruhestand verabschiedet und ihr Nachfolger Bernhard Grau offiziell ins Amt eingeführt. Auf ihn warten große Herausforderungen.

Von Hans Kratzer, München

Dieser Andrang hat sogar Kunstminister Markus Blume (CSU) ins Staunen versetzt. "Das ist ja ein Defilee, fast schon wie beim Neujahrsempfang des bayerischen Ministerpräsidenten", sagte Blume am Donnerstag, als in den Räumen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs der Amtswechsel an der Spitze der Staatlichen Archive Bayerns offiziell vollzogen wurde. Einen vergleichbar großen Aufmarsch von Persönlichkeiten aus Staatsverwaltung, Wissenschaft, Justiz und sonstigen Bereichen des öffentlichen Lebens hat das Archivgebäude an der Münchner Schönfeldstraße tatsächlich lange nicht mehr gesehen. Die bisherige Generaldirektorin Margit Ksoll-Marcon wurde in den Ruhestand verabschiedet, ihr Nachfolger Bernhard Grau in das Amt eingeführt.

"Es geht hier um etwas Großes", sagte Blume in seiner Festrede, in der er gleich einmal die alte Spottrede in Abrede stellte, die Archive seien nur eine Zentralstelle für Knicken, Lochen und Heften. Nein, sagte er, hier gehe es um die Erhaltung des kulturellen und intellektuellen Gedächtnisses Bayerns. In den Archiven werde nicht nur die Geschichte des Landes dokumentiert, "sie legen auch eine Spur in die Zukunft und öffnen Zugänge zum Wissen".

In den Staatlichen Archiven wird die schriftliche Überlieferung Bayerns seit dem Frühmittelalter verwahrt. Der Generaldirektion unterstehen neun Archive, und zwar die acht Staatsarchive in den Regierungsbezirken sowie das Bayerische Hauptstaatsarchiv, das die Überlieferung der für ganz Bayern zuständigen Behörden verwahrt.

Mit Margit Ksoll-Marcon gehe eine Ära zu Ende, sagte Blume. 14 Jahre lang fungierte die Historikerin als Generaldirektorin. Blume nannte sie die "Grande Dame der bayerischen Archive". Viele Minister seien in ihrer Ära gekommen und gegangen, "aber Sie sind geblieben". Unter den Gästen weilte auch Thomas Goppel, der sie einst als Minister eingestellt hatte. Zu ihm sagte Ksoll-Marcon unter dem Schmunzeln des Publikums: "Dass Sie da sind, interpretiere ich so, dass Sie mit meiner Arbeit zufrieden sind."

"Hätte er das gesehen, Christo wäre erblasst."

Ksoll-Marcon musste in ihrer Amtszeit eine Epoche des Umbruchs gestalten, vor allem die hochkomplexe Digitalisierung der Archive einleiten und so manche Baumaßnahme vorantreiben, etwa den Neubau des Staatsarchivs in Landshut. Wie zeitgemäß sie dachte, bewies sie im vergangenen Herbst, als sie die Außenfassade des Staatsarchivs in München mit Szenen aus der Archivwelt illuminieren ließ. "Hätte er das gesehen, Christo wäre erblasst", sagte Blume, der Ksoll-Marcon für ihre Leistung "Vergeltsgott" sagte.

Zu Grau sagte der Minister, er wisse ja, worauf er sich eingelassen habe. Tatsächlich ist Grau schon seit 1996 in verschiedenen Positionen des Archivwesens tätig, seit 2018 war er Direktor des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Die vielfältigen Probleme der Digitalisierung werden ihn in Zukunft ziemlich beschäftigen, bei diesem Thema ist nie ein Endpunkt erreicht, wie Grau selber sagte. Grau sei genau der Richtige, um die Archive vom analogen zum digitalen Langzeitspeicher umzugestalten, betonte Blume. "Wir werden viel Spaß haben miteinander", rief er dem neuen Generaldirektor zu, "und das ist jetzt keine Drohung!"

Grau sagte, er habe seine Tätigkeit als Archivar immer als Privileg empfunden. Der Freistaat habe das Glück, eine ungewöhnlich farbige und reichhaltige Überlieferung zu besitzen, die bis ins 8. Jahrhundert zurückreiche. "Wir sind es den Menschen schuldig, dieses Erbe ungeschmälert zu erhalten und zu ergänzen."

Das Klischee vom verstaubten, im Keller vor sich hinbrütenden Archivar hält sich zwar eisern, aber es stimmt nicht. Die Archive haben sich zu effizienten Behörden und Dienstleistern weiterentwickelt, in denen der Fortschritt wie überall einen Segen, aber auch Probleme mit sich bringt. In nächster Zukunft steht unter anderem die Novellierung des Bayerischen Archivgesetzes an, das seit 1989 nicht mehr geändert wurde. Überdies müssen neue Vermittlungsformate entwickelt werden, und auch die Bautätigkeit, etwa in Nürnberg, geht weiter. Jedes Jahr übernehmen die Staatlichen Archive drei Kilometer Unterlagen von Behörden, vieles davon ist höchst bedeutsam. Exemplarisch zeigen dies die zurzeit sehr aktuellen Akten zum Olympia-Attentat von 1972, die vollständig im Staatsarchiv verwahrt werden.

Der Herausforderung ist sich Grau sehr bewusst. "Wir begleiten die Transformation von Staat und Verwaltung bei einer sich dynamisch entwickelnden Erwartungshaltung der Archivbenutzer", sagte er. Nicht selten wünschten sich diese eine passgenaue Bereitstellung von Archivalien, was jedoch angesichts der Masse an Akten und Unterlagen sowie der Einschränkungen des Datenschutzes nicht immer möglich sei.

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