SPD:Misstöne bei den bayerischen Genossen

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Sie sollen die SPD zusammenhalten und den Kurs vorgeben: Parteichefin Natascha Kohnen (links) und Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher. (Foto: Kneffel/dpa)
  • Markus Rinderspacher, Chef der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, steht in der Kritik.
  • Ihm fehle das Gespür für Themen und eine weitblickende Strategie, bemängelt mancher in der Partei.
  • Auch werden Zweifel laut, ob er es schafft, eine klare Linie vorzugeben. Die wird im Landtagswahlkampf notwendig sein.

Von Lisa Schnell, München

Wo Markus Rinderspacher in nächster Zeit hin will, ist klar: Puchheim, Gröbenzell, Dachau. Für diese Woche hat der Chef der SPD-Landtagsfraktion einen klaren Kurs. Auf seiner alljährlichen Radl-Tour ist jede Abzweigung genau geplant, politisch aber vermissen einige in der SPD-Fraktion eine klare Linie.

Der Wunsch nach mehr Orientierung entstand in den letzten Wochen vor der Sommerpause. Da habe sich die Fraktion nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sagt ein Abgeordneter. Was die einen als zufällige Anhäufung von Missgeschicken sehen, die bald wieder vergessen seien, ist für andere ein Hinweis auf grundsätzliche Probleme in der Fraktion.

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Der erste Misston eines unglücklichen Dreiklangs erklang mit der SPD-internen Diskussion um die versuchte Abschiebung eines Afghanen aus einer Berufsschule in Nürnberg. Der umstrittene Polizeieinsatz Ende Mai empörte viele. Eigentlich eine Chance für die Opposition, sich zu profilieren. Eine eindeutige Position der Genossen aber war nicht zu erkennen. Während die einen den Polizeieinsatz stark kritisierten, wurde er von den SPD-Innenpolitikern gelobt. Erst jetzt, mehr als drei Wochen nach dem Bericht der Staatsregierung im Innenausschuss, stellten sie die kritischen Fragen, die viele früher gern gehört hätten.

Kaum hatte man sich nach hitzigen Diskussionen darauf geeinigt, Positionen in Zukunft besser abzustimmen, folgte die nächste Uneinigkeit. Diesmal im Wirtschaftsausschuss zum Thema dritte Startbahn. Die findet SPD-Mann Bernhard Roos gar nicht so schlecht und ließ daran im Ausschuss keinen Zweifel aufkommen. Kurz darauf vertrat Landeschefin Natascha Kohnen die gegenteilige Meinung, wie sie auch in einem Fraktionsbeschluss nachzulesen ist. Öffentlich im Ausschuss der Fraktionsmeinung zu widersprechen gehe gar nicht, sagt ein Abgeordneter. Laut Geschäftsordnung müsse das eigentlich vorher abgesprochen werden. Es folgte eine erneute, deutliche Aussprache und gleich der nächste Misston.

Diesmal fügten sich zwar alle dem Fraktionsbeschluss, allerdings nur mit fast hörbarem Zähneknirschen. Die SPD lehnte das umstrittene Gefährder-Gesetz der CSU, wonach potenzielle Straftäter ohne zeitliche Begrenzung eingesperrt werden können, nicht ab, sondern enthielt sich - zum Verdruss der Linken in der SPD, die jetzt von wütenden E-Mails enttäuschter Mitglieder und großer Unruhe in der Partei berichten.

Große Unruhe in der Partei

Fehlt es an Koordinierung, einer klaren Führung oder kämpft die SPD einfach mit den Nebenwirkungen aller Volksparteien? So sieht das die Abgeordnete Isabell Zacharias. "Wir bilden das linke Lager genauso ab wie das konservative", sagt sie. Manchmal prallten die eben zusammen wie bei der Diskussion um den Polizeieinsatz in Nürnberg oder das Gefährder-Gesetz. Im Hinblick auf die ausscherende Meinung zur dritten Startbahn mahnt sie zur Geschlossenheit. Dass seine Wortmeldung "nicht ganz sauber" war, sieht mittlerweile auch Roos so. Rinderspacher und auch Kohnen sollen mit einer Wucht auf den Tisch gehauen haben, wie es schon lange nicht mehr vorgekommen sei. "Wir haben uns in der Fraktion ausgesprochen. Jetzt ist die Sache erledigt", sagt Rinderspacher.

Das sehen nicht alle so. Es gebe zwei Probleme: Zum einen müssten die Ausschussvorsitzenden wichtige Themen in die Fraktion bringen und nicht alles in Eigenregie machen. Überhaupt beschäftigten sich viele zu sehr mit dem internen Machtgefüge, als mit den Erwartungen der Wähler. Zum anderen sei aber auch die Führung gefragt. Sie müsse erkennen, welche Themen auf mediales Interesse stoßen und die Position der Fraktion dazu abzuklären.

Rinderspacher fehlt laut Kritikern das Gespür für Themen

Nur dann könne es auch bei der SPD mal ein Feuerwerk geben und nicht nur eine einzelne Rakete hier und da. Rinderspacher aber fehle das Gespür für Themen und eine weitblickende Strategie. Während die einen seine deutlichen Worte an die Fraktion loben, zweifeln andere daran, ob er es schafft, eine klare Linie vorzugeben, die gerade im Landtagswahlkampf notwendig sein wird.

Hat er denn schon Ideen? Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Ganztagsbetreuung werde ein wichtiges Thema sein, genau wie der Wohnungsbau oder die Folgen der Digitalisierung, sagt Rinderspacher. Über Wahlkampfstrategie und einzelne Initiativen aber werde man erst im Herbst nach der Bundestagswahl sprechen. Jetzt fahre er erst mal auf dem Rad durch Bayern.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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