Fast 90 Minuten hat Markus Söder beim CSU-Parteitag zu den Delegierten gesprochen. Söder in Spielfilmlänge. Popcorn dazu? Nein, diesmal nicht. Diesmal bekam die CSU einen Parteichef zu sehen, dessen Rede weniger bierzeltig daherkam als zuletzt, bei seiner Tournee über die bayerischen Volksfeste. Weniger billige Witze, etwa über die Frisur von Toni Hofreiter (Grüne), sogar die "Tonke" sparte Söder aus. Im Bierzelt hat er ja stets behauptet, dass Tante und Onkel bald "Tonke" heißen müssten, Gender-Befehl. Von wem genau? Wurscht, Hauptsache die Pointe saß. Die Rede des CSU-Chefs beim Augsburger Parteitag war ernsthafter, programmatischer, aber: nicht unproblematisch.
Vor dem Parteitag sagte Söder, dass Unsicherheit der "Sprit für Extremisten" sei. Stimmt. In seiner Rede war er dann auch bemüht, den Menschen in Bayern Sicherheit zu geben, jedenfalls rhetorisch. Bayern ist stabil, das war Söders Botschaft. Doch seine Botschaft hatte einen zweiten Teil, und das ist der problematische: In Berlin herrscht Chaos. Auch da ist was dran, die Bundesregierung schwächelt, keine Frage. Wenn Söder aber vor "sozialem und ökonomischem Chaos" warnt, ständig die "Angst" betont und prophezeit, dass es "einsam um Deutschland" werde, dann muss er aufpassen, dass er nicht den Tankwart macht für den Extremismus, den er fürchtet.
Eine Oppositionspartei - und das ist die CSU in Berlin - muss selbstverständlich Probleme benennen und kritisch sein mit einer Regierung, das ist ihre Pflicht. Sie muss das aber nicht apokalyptisch tun, mit der Sprache der Angst und des Schreckens, die eine verunsicherte Gesellschaft noch mehr verunsichert, nur um sich selbst als Problemlöserin zu profilieren. Dass das eine schlechte Idee ist, weiß Söder eigentlich, seit der Landtagswahl 2018. Seine Strategie, die AfD ausgerechnet mit deren extremer Rhetorik zu bremsen, hat die AfD erst recht salonfähig gemacht - und Teile der CSU-Stammwählerschaft so sehr verschreckt, dass die Partei fast ein Viertel ihrer Prozente verlor.
Dass Markus Söder neben Berlin-Bashing nun den Willen zeigt, in Bayern selbst Ideen gegen die Energiekrise zu entwickeln, ist gut. Luft nach oben ist da ja genug. Den Beweis, dass er im Landtagswahlkampf nicht erneut der Versuchung des Populismus erliegt, muss Söder dagegen noch bringen.