CSU-Parteitag:Söder macht sich klein, Merz macht sich groß

CSU-Parteitag: Freundschaftsbeweis à la Union: Markus Söder überreicht Friedrich Merz eine Art Souvenir.

Freundschaftsbeweis à la Union: Markus Söder überreicht Friedrich Merz eine Art Souvenir.

(Foto: Chris Emil Janssen/imago)

Ein Jahr vor der Landtagswahl konzentriert der Parteichef sich in Augsburg auf Bayern. Für noch mehr Begeisterung sorgt sein Kollege von der CDU, der den Kanzler scharf attackiert.

Von Andreas Glas, Augsburg

Friedrich Merz hat noch kein Wort gesagt, da ist die Botschaft dieses Samstags bereits gesetzt. Sie kommt aus den Lautsprechern der Messehalle, das Lied heißt: "Good Feeling". Der Bass wummst, als Merz in die Halle marschiert, neben ihm Markus Söder, die Delegierten klatschen im Rhythmus. Ein gutes Gefühl also, zwischen CDU und CSU, totale Harmonie in der Union, dieses Bild wollen die Parteichefs Merz und Söder hinaus tragen in die Republik. Zwei gewaltige Egos, eine Stimme, wirklich?

"Wir hatten es gar nicht gedacht, wir arbeiten aber glänzend zusammen", sagt Söder, als er Merz willkommen heißt, auf der Bühne des CSU-Parteitags. Stimmt, man hätte das nicht gedacht, im Januar 2022, als Merz zum CDU-Parteichef aufstieg. Für Söder war Merz ein Mann der Neunziger, noch dazu einer, der mithalf, ihn als Kanzlerkandidaten der Union auszubremsen. Die Frage war: Wie, um Himmels Willen, will Söder mit Merz klarkommen? Heute muss man sagen: Es läuft besser als gedacht, viel besser. Und trotzdem, es lohnt sich, nicht bloß auf die Gemeinsamkeiten zu schauen, die beide betonen. Es gibt da immer noch ein paar Unterschiede, die etwas verraten über den Beziehungsstatus dieser zwei Männer, ihrer Parteien, und über eine Rivalität, die womöglich nur schlummert.

Im Herbst 2023 muss Söder sein Amt verteidigen

Wer das verstehen will, sollte die Reden nebeneinander legen, die Söder und Merz beim CSU-Parteitag halten. Söder ist zuerst dran, am Freitagnachmittag. Er heizt der Bundesregierung ein, einer "der schwächsten Regierungen, die wir je in der Bundesrepublik Deutschland gehabt haben". Er hat zuletzt ja sehr oft gegen Berlin gewettert, bei jeder Gelegenheit. Um abzulenken, dass seine Partei in Bayern wenig zu bieten hat? In Augsburg tut CSU-Chef Söder einiges, um diesen Verdacht zu zerstreuen. Er wolle nicht "nur kritisieren", sondern "eigene Konzepte" präsentieren, Ideen für Bayern statt nur Haue für Berlin. In Augsburg spricht er über regionale Elektrolyse-Kraftwerke, über mehr Lehrerstellen. Und weniger über Waffenlieferungen oder Migration.

Selbstverzwergung? Söder hat seinen Platz ja mal im Kanzleramt gesehen und auf der Bühne der internationalen Politik, gar nicht lange her. Ja, Selbstverzwergung, aber aus Gründen. Söder hat eingesehen, dass er inmitten eines weltbewegenden Krieges immer weniger Gehör findet außerhalb Bayerns. Und, logisch, noch wichtiger: Im Herbst 2023 ist Landtagswahl, Söder muss den Menschen in Bayern beweisen, dass er mehr anzubieten hat, als immer nur mit dem Finger nach Berlin zu zeigen. "Ständiges Nörgeln und Sticheln" sei "nicht interessant", sagt Söder in Augsburg. Man darf das als Einsicht verstehen. Vergangenes Jahr, im Kanzlerkandidatenkampf mit Armin Laschet (CDU), hat Söder dem Verb "Sticheln" ja zu Popularität verholfen - und seiner eigenen Popularität sehr geschadet.

Darauf spielt Merz nochmal an, in seiner Rede am Samstag. "Annus Horribilis", sagt der CDU-Chef, wenn er über das Jahr 2021 spricht, in dem das Kandidatenduell und seine Folgen der Union womöglich die Kanzlerschaft gekostet haben. "Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt", sagt Merz. Das weiß auch Söder, der schlecht beraten wäre, sich im Landtagswahlkampf einen Feind im eigenen Lager zu machen. In Augsburg stichelt er lieber gegen frühere CDU-Chefs, ohne Namen zu nennen: "So schön, wenn CDUler im Herzen genauso denken wie CSUler. Das haben wir nicht immer gehabt beim Parteitag."

Während Söder wie der Ministerpräsident spricht, der er ist, und seine Rede unter anderem darauf verwendet, die Opposition in Bayern anzugreifen ("Gott bewahre uns auch in Zukunft vor möglichen grünen Ministerpräsidenten!"), spricht Merz ausführlicher über die Ukraine, China, Italien. Kanzlerthemen. Und er greift Olaf Scholz (SPD) frontaler an, als Söder das tut. "Wir hatten noch nie einen Bundeskanzler in Deutschland, der so respektlos umgegangen ist" mit seinen Koalitionspartnern, mit anderen Ländern. Beim CSU-Parteitag macht Merz klar: Ich bin derjenige, der mit dem Kanzler in Konkurrenz tritt, nicht Söder, der seine Aufmerksamkeit nun stärker nach Bayern richtet. Richten muss, schon wegen der Landtagswahl.

Die Rolle des Oppositionsführers in Berlin gehört Merz, das hat selbst Söder zuletzt immer wieder betont. Er fügt sich da freiwillig, bloß kein Ärger, jetzt im Landtagswahlkampf. Und überhaupt, wie würde das aussehen: Zwei Männer, die über den Zoff in der Ampel lästern, zoffen sich? Da pinselt man lieber gemeinsam am Gegenmodell. "Du machst das in Berlin ganz hervorragend", sagt Söder zu Merz, der die Schmeicheleien zurück spielt. Er lobt Söders Energiepolitik, dazu "die richtig gute Zusammenarbeit" in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

"Ein Land ungeregelter Einwanderung, mit erheblichen Problemen" - sagt Merz

Und Merz spricht ein Thema an, das Söder eher ausspart: dass weltweit wieder mehr Menschen flüchten, auch nach Deutschland. Ein Thema, das vor wenigen Jahren "zu einer gewissen Spannung zwischen CDU und CSU" beigetragen habe, sagt Merz, was arg untertrieben ist. Mit offener Kritik an der aus seiner Sicht zu freundlichen Migrationspolitik der früheren Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer die Union fast gesprengt. Noch im Landtagswahlkampf 2018 sprach Söder von "Asyltourismus", wofür er scharf kritisiert wurde - und was er inzwischen als Fehler bezeichnet. Nun, im Herbst 2022, kommen die schärferen Töne aus der CDU, von Parteichef Merz.

Er war es ja, der neulich einen Begriff benutzt (und nach Kritik wieder einkassiert) hat, der sehr klang nach dem alten Söder und nach der alten CSU: "Sozialtourismus". In Augsburg fordert Merz den Bund auf, sich erneut zu wappnen für eine hohe Zahl an Flüchtlingen. Er nennt die Bundesrepublik "ein Land ungeregelter Einwanderung, mit erheblichen Problemen". Und er bekommt großen Beifall dafür. Überhaupt, am Ende der Merz-Rede klatschen die CSU-Delegierten begeisterter als tags zuvor, nach Söders Auftritt, der fraglos freundlich beklatscht worden war. In der CSU gibt es ja durchaus einige Mitglieder, die sich wieder mehr Härte in der Migrationspolitik wünschen, auch von ihrem Parteichef.

Als der Beifall für Merz abebbt, nach fast zwei Minuten, hält Söder einen Schal in den Händen. Einen dieser Freundschaftsschals, mit dem sich normalerweise die Fans unterschiedlicher Fußballklubs gegenseitig ihre Zuneigung versichern. Auf dem Schal, den Söder gleich an Merz überreichen wird, als Abschiedsgeschenk, steht links CDU, rechts CSU, dazwischen sind zwei Hände abgebildet, die sich schütteln. Da steht Söder also und mit ihm steht die Frage im Raum, wie lange der Frieden mit Merz wohl anhält. Nur bis zur Landtagswahl, oder länger? Und sollte Söder bei der Bayern-Wahl triumphieren, wird er in drei Jahren erneut die Kanzlerkandidatur beanspruchen, aus neuer Stärke heraus?

"Du bist auch Fußball-Fan", sagt Söder zu Merz, "von Dortmund". Am Ende könne aber nur einer Deutscher Meister werden, "das ist der FC Bayern", prophezeit der CSU-Chef. Und drückt Merz den Schal in die Hand.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolitik in Bayern
:"Der Staat darf nicht übergriffig werden"

Vor dem Parteitag spricht Generalsekretär Martin Huber über die Rückkehr der alten CSU, Zweifel an seiner Sichtbarkeit, vegane Weißwürste - und die Frage, ob er ohne Doktortitel überhaupt im Amt bleiben kann.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: