Landkreis Landshut:Die Schlacht um das Hobbit-Haus

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Das "Hobbit-Haus" in Hohenthann bei Landshut sei "wunderschön zum Ansehen", räumen auch die Behörden ein - nur gebe es halt Vorschriften. (Foto: Sebastian Pieknik)

Seit Jahren baut der Schreiner Alois Riederer an seinem Haus, ein Ding wie aus dem Märchenwald. "Mein Lebenswerk", sagt er. "Ein Schwarzbau", meint das Landratsamt. Und will es abreißen.

Von Andreas Glas, Hohenthann

Die Haustür ist ein ausgehöhlter Baumstamm, groß wie ein Kühlschrank. Der Schlüssel ist aus Eisen und misst einen halben Meter. Alois Riederer schiebt den Schlüssel ins Haustürschloss, dreht mit beiden Händen um und drückt die Tür nach innen. Man will da jetzt rein. Unbedingt. Man will dieses irre Haus von innen sehen. Aber man darf nicht. Betreten verboten. Sagt nicht Riederer, sagt das Landratsamt.

Also bleibt er stehen, nur sein Blick wandert ins Haus. Rüber zu den Lehmwänden, rauf zu diesem Zeltdach, das von unten aussieht wie ein Spinnennetz, geflochten aus Ästen. Er sagt: "Ich hab da mein ganzes Leben, mein ganzes Geld reingesteckt. Mein Gefühl sagt mir, dass ich alles richtig gemacht habe. Auch wenn alle Gesetze gegen mich sind."

Gefühl und Gesetz. Das sind die beiden Welten, die in Hohenthann (Kreis Landshut) kollidieren. Seit vier Jahren baut Alois Riederer hier an seinem "Hobbit-Haus", diesem steinpilzförmigen Ungeheuer am Hang seines Gartens. "Mein Lebenswerk", sagt der Schreiner. "Ein Schwarzbau", sagt das Landratsamt, das Riederer nun einen Brief geschickt hat. Eine Beseitigungsanordnung, so heißt das in der Behördensprache. Frei übersetzt: ein Abrissbefehl. Das Hobbit-Haus muss weg.

"Ich werde kämpfen bis zum Schluss", sagt Riederer, 44, der aussieht wie ein kalifornischer Surfer, mit kinnlangem Haar, mit Dreitagebart, Blinkezähnen, mit Hornhaut in den Handflächen. Er deutet auf den Baumstamm in der Mitte des Hobbit-Hauses. Den Stamm hat er im Boden verankert und mit Beton aufgefüllt. Zusammen mit drei Eisenpfosten trägt der Stamm die Dachkonstruktion. Es ist ein Apfelbaum, den ein Bekannter gefällt hat, weil er ihn nicht mehr in seinem Garten haben wollte. "Also schau ich mir den Baum an, seh die Äste und da war die Idee schon entstanden. Das kann man nicht planen, nicht zeichnen", sagt Riederer.

"Die Natur gibt mir vor, was ich machen soll"

Nicht planen, nicht zeichnen, einfach mal machen. Das ist es, was ihm das Landshuter Landratsamt vorwirft. Mehrfach habe man Riederer "zu vermitteln versucht, welche Bauantragsunterlagen er benötigt, insbesondere Statik- und Brandschutznachweis", sagt Landrat Peter Dreier (Freie Wähler), der ebenfalls in Hohenthann lebt. Das Hobbit-Haus sei "wunderschön zum Ansehen", nur gebe es halt Vorschriften, an die sich jeder beim Hausbau halten müsse. Verstößt jemand gegen diese Vorschriften, "dann können wir das nicht dulden", sagt der Landrat.

Wie es soweit kommen konnte, kann nur verstehen, wer Alois Riederers Arbeit kennt. Er ist nicht nur Schreiner, er ist Künstler. Das Holz für seine Möbel und Skulpturen kauft er nicht im Großhandel, es stammt aus der Natur, aus Wäldern oder Gärten. Es tue ihm weh, "wenn besondere Bäume verfaulen oder als Brennholz enden", sagt Riederer. Wird er fündig, fragt er nach, ob er das Holz haben kann. Wobei, sagt er, eigentlich finde er das Material gar nicht, "es kommt zu mir, die Bäume kommen auf mich zu". Nein, er sei "kein Esoteriker", sagt Riederer, das ist ihm wichtig. Er sei einfach naturverbunden, das bringt er mit seiner Kunst zum Ausdruck. Er ist keiner, der Holz schleift und glättet. Er lässt dem Holz seine natürliche Form, integriert Unebenheiten in seine Arbeit. "Die Natur gibt mir vor, was ich machen soll", sagt Riederer. Er baut nach Gefühl, nicht nach Plänen oder Bauvorschriften.

Beim Hobbit-Haus war das ähnlich. Erst habe er nur ein Schutzdach für eines seiner Kunstwerke bauen wollen. Doch dann fand er immer mehr Material, das ihm perfekt schien, um weiterzubauen. Zum Beispiel in einer Kiesgrube, in die er sich mit einer Spitzhacke abseilte, zehn Meter tief, um roten Lehm aus dem Kies zu kratzen und damit die Außenwände des Hobbit-Hauses zu ummanteln. "Lehm brennt nicht", sagt Alois Riederer, das sei "ein genialer Werkstoff", ideal für den Brandschutz. Auch mit der Statik sei alles bestens im Hobbit-Haus, beteuert er.

Komplett anders klingt das im Abrissbescheid des Landratsamts. Von "Gefahr für Leib und Leben" ist darin die Rede. "Für den Fall, dass hier irgendwas passiert, sei es ein Einsturz oder ein Brand, stellt sich sofort die Haftungsfrage", sagt Landrat Dreier. Da spiele es keine Rolle, ob das Hobbit-Haus als Kunstwerk einzustufen ist oder nicht. Selbst für den Hundertwasser-Turm in Abensberg "gab es einen Bauantrag" und Genehmigungsverfahren, sagt Dreier, Kunst hin oder her. Der Landrat bleibt stur, auch wenn man spürt, dass er Sympathie hat für Alois Riederer und sein spektakuläres Hobbit-Haus.

Auch Riederer sagt nichts Böses über den Landrat: "Ich finde das ja okay, dass man einen Bauantrag stellen muss." Wegen des Antrags sei er sogar selbst aufs Landratsamt zugegangen, noch bevor das Dach des Hauses fertig war. Doch hätte er sich "mehr Miteinander" von der Behörde gewünscht und "dass man gemeinsam versucht, dass man es passend macht" mit der Genehmigung. Noch im September habe er per E-Mail beim Landrat nachgefragt, welche Gutachten für Statik und Brandschutz er liefern müsse, sagt Riederer. Eine Antwort habe er nicht bekommen. Stattdessen nun die Anordnung, das Hobbit-Haus abzureißen.

Riederer zeigt jetzt hinauf aufs Dach des Hauses. Die Dachkonstruktion hat er mit Fleece-Folie bespannt, darüber hat er eine Teichfolie gelegt und mit Erde bedeckt. Die Erde stammt nicht aus dem Baumarkt, sondern von einer stillgelegten Wiese. Im Sommer "blühen über 300 Blumen" auf dem Dach. "Ein Eldorado für Bienen", sagt Riederer, "das ist eigentlich ein Naturschutzgebiet da oben".

Der Abrissbescheid gelte aber weiterhin

"Nicht als Biergarten" habe er das Haus gebaut, sondern als Treffpunkt für Menschen, denen Naturschutz am Herzen liege. Der Waldkindergarten habe bereits gefragt, ob die Kinder im Hobbit-Haus spielen könnten, sagt Riederer. Auch pädagogisches Arbeiten mit geistig behinderten Menschen könne er sich hier vorstellen. Zum Beispiel im Gewächshaus, das neben dem Hobbit-Haus entstehen soll, auch einen Teich plant er noch. Und unterm Dach, im ersten Stock, steht ein massiver Eichenholztisch, an dem sich Interessierte treffen könnten, um darüber zu beraten, wie man sorgsamer mit der Umwelt umgehen könnte. Alles Ideen, die doch eigentlich auch dem Landrat gefallen müssten, findet Alois Riederer.

Also: Hat das Hobbit-Haus noch eine Chance? Ja, sagt Landrat Dreier dann doch. Man werde Riederer nochmals "bauliche Anleitungen" schicken und ihn um Nachweise für Brandschutz und Statik bitten. Der Abrissbescheid gelte aber weiterhin, sagt Dreier. Bringt Riederer die Nachweise nicht binnen drei Monaten, "kann es auch keine Genehmigung geben" und er muss das Hobbit-Haus auf jeden Fall abreißen. Damit das nicht passiert, will sich Riederer jetzt darum kümmern, "dass alles passt" - und notfalls gegen den Abriss klagen. Was Riederer zustehe, sagt Landrat Dreier, aber das "ist aussichtslos, das kann ich ihm jetzt schon sagen".

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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