Polizei:Was über den Zugunfall in Reichertshausen bekannt ist

Lesezeit: 3 min

Bei dem Zugunfall auf der Strecke zwischen Ingolstadt und München wurden sieben Personen leicht verletzt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Sieben Personen wurden verletzt, als am Freitag ein Regionalzug und ein ICE kollidierten. Wie streiften sich die Züge? Und warum wäre es beinahe zu einer größeren Katastrophe gekommen?

Von Pauline Graf und Lisa Sonnabend

Was ist passiert?

Ein ICE und ein Regionalzug sind am frühen Freitagnachmittag in Reichertshausen im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm kollidiert. Es handelte sich bei dem Unfall um eine "Flankenfahrt", teilte die Bundespolizei mit: Die Regionalbahn fuhr an einer Weiche von ihrem anliegenden Gleis auf die Spur des ICEs und streifte ihn dabei seitlich. Der erste Verdacht, der ICE sei beim Zusammenstoß entgleist, bestätigte sich nicht. Beide Züge wurden in die Werkstatt gebracht. Der ICE wurde an der Seite stark beschädigt.

Ein weiterer ICE, der in Richtung Dortmund unterwegs war, fuhr nur wenige Sekunden nach dem Zusammenstoß über das benachbarte Gleis am Unfallort vorbei. Er bremste scharf ab, zu einem schlimmeren Zusammenprall der drei Züge kam es glücklicherweise nicht.

Gibt es Verletzte?

Etwa 700 Passagiere saßen in den Zügen, die Regionalbahn und der ICE mussten evakuiert werden. Sieben Passagiere wurden bei dem Unfall leicht verletzt, so derzeit der Stand. Zwei der von ihnen wurden am Freitag im Krankenhaus Pfaffenhofen behandelt, aber noch am selben Tag wieder entlassen, wie eine Sprecherin der Bundespolizei sagte. Im Zug nach Dortmund, in dem etwa 500 Passagiere saßen, wurde niemand verletzt. Wegen des Bahnstreiks der Gewerkschaft GDL, der bis Donnerstagabend gedauert hatte, seien die Züge besonders voll gewesen, hieß es von der Deutschen Bahn.

Welche Auswirkungen hatte der Unfall?

Der Streckenabschnitt zwischen München und Ingolstadt war bis drei Uhr morgens komplett gesperrt, was zu chaotischen Zuständen auf den Schienen führte. Zahlreiche Züge mussten umgeleitet werden und kamen erst mit großer Verspätung ans Ziel, sagte eine Sprecherin der Bahn am Samstag. Auf der Strecke zwischen München und Nürnberg sei es nach dem Unfall zeitweise nur im "Stop and go" vorangegangen, berichtet ein Passagier, der von München nach Berlin unterwegs war. Die Bahnen seien überfüllt gewesen, Bahnhöfe seien nicht angefahren worden.

Am Sonntag waren drei der vier Gleise wieder befahrbar, wie ein Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin am Sonntag sagte. Es gab demnach keine Zugausfälle und Umleitungen mehr, aber es kann weiterhin zu Verspätungen im Regionalverkehr kommen.

Was war die Ursache für den Unfall?

Ob ein technischer Defekt oder ein menschlicher Fehler den Unfall verursacht hat, war zunächst unklar. Die Bundespolizei ermittelt laut einer Sprecherin wegen Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Die zwei Lokführer und der Fahrdienstleiter werden demnach aber nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugen geführt. Sie waren bis zum Wochenende aber noch nicht vernommen.

Es ist möglich, dass es eine Störung an der als Flankenschutz dienenden Weiche gegeben hat. Ein Augenzeuge, der im Regionalzug saß, berichtete der SZ, der Zug sei am Bahnhof in Reichertshausen, wo er hätte halten sollen, nicht zum Stehen gekommen. Stattdessen sei er mit der Spitze auf das ICE-Gleis gerollt. Die Ursache für diesen möglichen Defekt ist unklar.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Wie reagierten die Passagiere am Unfallort?

Rund 1200 Menschen strandeten in Reichertshausen. Die Stimmung unter den Passagieren der Unfall-Züge sei ruhig gewesen, berichtete ein Passagier am Freitag der SZ. Viele hätten sich erleichtert gezeigt, dass nicht mehr Menschen verletzt wurden. Einige Betroffene lobten das Bahn-Personal, die Polizei und die Rettungsdienste, die am Unfallort im Einsatz waren. Auch 25 Bundeswehrsoldaten, die in einem der Züge saßen, unterstützten bei der Evakuierung der Züge. Hilfsbereite Autofahrer nahmen Passagiere mit Richtung München.

Wo passierte der Unfall?

Der Unfall ereignete sich in dem oberbayerischen Ort Reichertshausen, der genau zwischen Ingolstadt und München liegt. Die Gemeinde gehört zum Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, bekannt ist sie wegen des Schlosses und eines Golfclubs, der im Schlosspark errichtet wurde. Einmal pro Stunde hält hier der Regionalexpress in Richtung München. Die ICE-Strecke Berlin-München führt am Bahnhof vorbei.

Wie oft kommt es zu Bahnunfällen?

Erst am Mittwoch war es zwischen Hamburg und Bremen zu einer Kollision zwischen einem ICE und einer leeren Regionalbahn gekommen. Verletzte gab es bei dem Unfall nicht, nach der Ursache wird noch geforscht.

In Bayern hatte es in der Vergangenheit bereits mehrere schwere Zugunglücke gegeben. Fünf Menschen starben, als im Juni 2022 eine Regionalbahn in Garmisch-Partenkirchen entgleiste, weil Betonschwellen auf den Gleisen beschädigt waren. In München kam es im Februar 2022 zu einem tödlichen S-Bahn-Unfall. Zwei Züge der Linie S7 kollidierten am Bahnhof Schäftlarn-Ebenhausen auf eingleisiger Strecke, ein 24-Jähriger kam ums Leben. Inzwischen wurde Anklage gegen einen Lokführer erhoben, weil er offenbar mehrmals eine Zwangsbremsung aufgehoben hatte.

Vor fünf Jahren fuhr in Aichach auf der Strecke zwischen Ingolstadt und Augsburg ein Regionalzug auf einen stehenden Güterzug auf, zwei Menschen starben. Vor sechs Jahren kamen in Bad Aibling zwölf Menschen ums Leben, 89 wurden verletzt, als zwei Meridian-Züge auf eingleisiger Strecke frontal zusammenstießen. Die Ursache: Ein Fahrdienstleiter war abgelenkt, weil er mit dem Handy spielte. Er setzte daraufhin falsche Signale.

In Reichertshausen gab es zum Glück keine Schwerverletzten und Toten, doch das Entsetzen ist auch nach diesem Zugunfall wieder groß.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMordfall Hanna W.
:Was Mithäftlinge über den Angeklagten erzählen

Im Prozess um den Mord einer jungen Frau sagen Zeugen aus dem Gefängnis aus. Ein Mithäftling hatte früher von einem Geständnis von Sebastian T. berichtet, doch an diesem Tag gibt es dafür keine weitere Bestätigung.

Von Benedikt Warmbrunn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: