Korruptionsprozess in Regensburg:Zeugenaussage könnte Wolbergs in Not bringen

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Im Prozess gegen Joachim Wolbergs beschreibt ein Bauunternehmer die Spendenpraxis in Regensburg wie eine Spirale. Er selbst hat einen Strafbefehl wegen Bestechung akzeptiert.

Von Andreas Glas, Regensburg

Da sitzt er, der Mann, auf den alle gewartet haben, die diesen zweiten Regensburger Korruptionsprozess beobachten. Es ist Mittwoch, 9.50 Uhr, als Thomas D. auf dem Zeugenstuhl Platz nimmt. Ein Bauunternehmer, gut gebräunt, graues Haar, Einstecktuch. Ist er der Kronzeuge, der den Staatsanwälten gefehlt hat im ersten Korruptionsprozess gegen Joachim Wolbergs, Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister? Das ist die Frage, die über diesem Mittwoch in Saal 104 des Landgerichts schwebt. Wolbergs wirkt angespannt, er sitzt links von Thomas D., auf der Anklagebank. Wird es jetzt eng für den OB?

Bis D. aussagt, vergehen fast vier Stunden. Er will zunächst nur reden, wenn Journalisten und Zuschauer ausgesperrt werden. Seine Anwälte stellen den entsprechenden Antrag. Bis die Richter beraten haben, ist es 13.40 Uhr. Die Entscheidung: D. muss aussagen. Mit brüchiger Stimme liest D. eine Erklärung vor. Eine Erklärung, die Wolbergs in Schutz nimmt - und dennoch in Not bringen könnte.

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Er habe Wolbergs als "netten und angenehmen Menschen kennengelernt", sagt D. Und er sagt, Wolbergs habe ihm "nie ein konkretes Versprechen" zu Bauprojekten gemacht, erst recht nicht im Zusammenhang mit Parteispenden. Darum geht es ja an diesem Mittwoch: Um gut 160 000 Euro, die D. zwischen 2012 und 2016 an den SPD-Ortsverein Stadtsüden gezahlt haben soll, dessen Vorsitzender Wolbergs war. Laut Anklage soll sich der OB im Gegenzug für eine Baugenehmigung auf dem Grundstück "Auf der Platte" eingesetzt haben. Das Grundstück gehört teils der Firma, bei der D. als Geschäftsführer tätig war. Wolbergs ist deshalb wegen Bestechlichkeit angeklagt. Er streitet jeden Vorwurf ab. Thomas D. hat im Frühjahr 2018 einen Strafbefehl akzeptiert, verbunden mit einer einjährigen Bewährungsstrafe und Geldstrafe.

Dass der Strafbefehl auf Bestechung lautet, hält D. für überzogen. Das betont er, das ist ihm wichtig. Er habe den Strafbefehl vor allem wegen der "persönlichen Belastung" und im Interesse der Firma akzeptiert. Er sieht aber ein, dass er sich strafbar gemacht hat. Er habe "die Problematik der Spenden völlig unterschätzt. Mir ist dies erst unter dem Druck des Ermittlungsverfahrens bewusst geworden". Ende 2017 saß D. in Untersuchungshaft, zwei Wochen lang. Bald darauf teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass D. "umfassend ausgesagt" und "ihn belastende Sachverhalte eingeräumt" habe. Wird er nun also auch Wolbergs belasten?

Vor Gericht schildert D., wie er Wolbergs "näher kennengelernt" habe, 2012, als dessen OB-Kandidatur für die SPD feststand. Wolbergs habe ihn in der Firma besucht, sein Wahlprogramm vorgestellt "und warb um eine Spende", die D. auch veranlasste, zunächst 5000 Euro. Bei dem Termin habe sich Wolbergs auch "über die Aktivitäten unserer Firmengruppe erkundigt". Und er habe "angeregt, sich in Abständen zu treffen", sagt D. Bei einem dieser Treffen habe Wolbergs wieder um Spenden geworben "und nannte eine Größenordnung von 60 000 Euro". Er habe versucht, dieses Geld bei Bekannten und Geschäftsfreunden "aufzutreiben", das sei "teilweise gelungen", sagt D. Es flossen rund 30 000 Euro auf das SPD-Konto. Das Geld kam vor allem von verschiedenen Tochterunternehmen von D.'s Firmengruppe, jeweils in Beträgen unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro.

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Vor der OB-Stichwahl 2014 habe ihn Wolbergs erneut um Spenden gebeten und erzählt, er habe "offene Rechnungen" bei seiner Wahlkampfagentur. Er habe Wolbergs gebeten, ihm den Inhaber der Agentur zu nennen. Eine Rechnung von 30 000 Euro zahlte ein Unternehmen von D.s Firmengruppe. "Eine Scheinrechnung", laut Anklage. Er habe Wolbergs "nicht ausdrücklich versprochen", eine Rechnung zu übernehmen, sagt D. "Es war aber klar, dass ich für eine Lösung sorgen werde."

D. erzählt noch von einem weiteren Treffen, bei dem Wolbergs ihn um "eine substanzielle Spende" gebeten habe. Wolbergs habe eine Zahl von 150 000 bis 200 000 Euro genannt, die ihm fehlen würden. Er habe ihm jeweils 50 000 Euro für die Jahre 2015 und 2016 zugesagt. In dieser Zeit flossen dann auch insgesamt 75 000 Euro. Wolbergs habe ihn aber "nicht aufgefordert" zu spenden, sagt D. Ein Richter fragt, warum er überhaupt gespendet habe? "Wenn Partei A 5000 Euro genommen hat", sagt er, dann sei "Partei B gekommen und hat gesagt, sie möchte auch 5000".

Das sei "die Hölle" gewesen, sagt D., der auch an die CSU spendete, die ebenfalls in die Regensburger Affäre verstrickt ist. Er habe Wolbergs die Spenden zugesagt "und wenn ich meine Zusage einem Oberbürgermeister gegenüber nicht halte, wird das natürlich auch sein weiteres Handeln beeinflussen", sagt D., das sei ein "allgemeines menschliches Verhalten", das in keinem Zusammenhang mit Bauprojekten stehe. Wolbergs habe zwar "bei jedem einzelnen Gespräch gesagt: Wenn sie was brauchen, kommen sie zu mir." Er habe das aber "gefühlt zu jedem Gastwirt gesagt", sagt D.

Sein Auftritt dauert bis in den Abend hinein. Derweil ist der Prozess für Martin Schmack beendet, einen der drei mitangeklagten Bauunternehmer. Das Verfahren gegen ihn hat das Gericht am Mittwochmorgen eingestellt, er muss 80 000 Euro zahlen. Darauf hatten sich Verteidiger und Staatsanwälte verständigt. "Wir reden weiterhin von Fällen der Vorteilsgewährung", sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Kastenmeier über den Unternehmer, dessen Bruder auch angeklagt ist. Martin Schmack, sagte Kastenmeier, sei aber nicht die "treibende Kraft" gewesen.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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