Regensburg:Wolbergs steht wieder vor Gericht

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Joachim Wolbergs steht nun vor einem weiteren Korruptionsverfahren. Es beginnt am Dienstag. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Regensburgs suspendierter Oberbürgermeister ist in zwei Fällen wegen Vorteilsnahme verurteilt worden. Das Gericht verzichtete allerdings auf eine Strafe.
  • Seine Suspendierung ist indes nicht aufgehoben worden.
  • Nun steht Wolbergs abermals vor Gericht: Wieder geht es um fragwürdige Parteispenden, wieder um die Nähe des Oberbürgermeisters zur Regensburger Baubranche.

Von Andreas Glas, Regensburg

Es ist viel passiert seit dem Urteil, das Joachim Wolbergs einen "faktischen Freispruch" nennt. Hier ein kleiner Ausriss: Wolbergs ist mit klimastreikenden Jugendlichen durch Regensburg marschiert, hat am Donauufer Müll gesammelt, hat Pressekonferenzen gehalten, hat sich in der Fußgängerzone hinter Infostände gestellt - und beim Sommerfest seines Wahlvereins hinter einen Bratwurstgrill. Von alledem gibt es Fotos und Videos auf Facebook, bei Instagram, bei Twitter. Wie gesagt: nur ein Ausriss. Sogar Wahlplakate hat er tapeziert, überall in der Stadt, dabei dauert es noch ein halbes Jahr bis zur OB-Wahl. Der frühere SPD-Politiker will dann für die Wählervereinigung "Brücke" antreten. Auf den Plakaten steht "wolbergs", in Kleinbuchstaben, ohne Foto, dazu ein Spruch: "Weil Aufgeben keine Option ist."

Seit mehr als drei Jahren kämpft er um seinen Ruf, seit 32 Monaten um seine Rückkehr ins Rathaus. Aber aufgeben? Niemals, nicht Wolbergs. An diesem Dienstag geht der Kampf des suspendierten Regensburger Oberbürgermeisters auch vor Gericht weiter. Am Ende des ersten Korruptionsprozesses gab es keinen Freispruch, auch keinen "faktischen", wie Wolbergs gern erzählt. Am Ende stand ein Schuldspruch in zwei Fällen der Vorteilsannahme, sprich: Korruption.

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Die OB-Kandidaten der Stadt sind vorsichtig, nachdem Joachim Wolbergs in zwei Fällen der Vorteilsnahme schuldig gesprochen wurde - und ziehen Konsequenzen.

Und trotzdem, da hat Joachim Wolbergs recht: Von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hat das Gericht nicht viel übriggelassen. "Man hätte das alles mit einem Strafbefehl erledigen können", sagte Richterin Elke Escher, die auf eine Strafe für Wolbergs verzichtete. Auch das sagte Escher: "Hier von einer Korruptionsaffäre zu sprechen, scheint zu hoch gegriffen."

Wie viel Korruption wirklich in der Affäre steckt, soll nun also der zweite Prozess gegen Joachim Wolbergs klären. Gleich drei Anklagen liegen auf dem Tisch. Wieder geht es um fragwürdige Parteispenden, wieder um die Nähe des Oberbürgermeisters zur Regensburger Baubranche. Im ersten Prozess attestierte das Gericht dem Bauunternehmer Volker Tretzel "kriminelle Energie" und verurteilte ihn wegen Vorteilsgewährung zu zehn Monaten auf Bewährung und zu einer Geldauflage von 500 000 Euro. Von diesem Dienstag an sitzen die nächsten drei Bauunternehmer auf der Anklagebank des Regensburger Landgerichts. Ein vierter Unternehmer wird nur als Zeuge geführt: Thomas D.

Der hat einen Strafbefehl akzeptiert - wegen Bestechung des OB und Vorteilsgewährung in zwei Fällen. Der Strafbefehl ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe verbunden. Es geht um rund 160 000 Euro, die der Unternehmer zwischen 2012 und 2016 an den SPD-Ortsverein Stadtsüden gezahlt haben soll, dessen Vorsitzender Joachim Wolbergs war. Die Staatsanwaltschaft geht unter anderem davon aus, dass sich OB Wolbergs im Gegenzug für eine Baugenehmigung im Landschaftsschutzgebiet "Auf der Platte" einsetzte.

Anders als im ersten Prozess gibt es also einen Unternehmer, der laut Staatsanwaltschaft "umfassend" ausgesagt und "ihn belastende Sachverhalte eingeräumt" hat. Ist Thomas D. der entscheidende Belastungszeuge, der den Staatsanwälten im ersten Wolbergs-Prozess noch gefehlt hat? Auf den ersten Blick mag das so wirken. Andererseits haben D.'s Anwälte erklärt, dass sie vor allem den Vorwurf wegen Bestechung "für falsch" halten. Nur wegen der "erheblichen persönlichen Belastungen" einer Hauptverhandlung und aus Rücksicht auf sein Unternehmen habe man D. "geraten, den Strafbefehl zu akzeptieren". Auch Wolbergs zweifelt den Schuldspruch an. Die Staatsanwaltschaft habe dem Unternehmer den Strafbefehl "abgenötigt".

Bei der zweiten Anklage im neuen Wolbergs-Prozess geht es ebenfalls um Parteispenden und um die Baugenehmigung für eine Industriehalle, die mit den Spenden in Verbindung stehen könnte. Es handelt sich um ein Projekt der Firma Schmack Immobilien. Neben Wolbergs sind Ferdinand und Martin Schmack angeklagt, die Geschäftsführer der Firma. Drei Fälle der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung stehen im Raum. "Wir lassen uns nichts Unmoralisches anhängen" - mit diesen Worte hat Ferdinand Schmack die Vorwürfe im Frühjahr 2017 bestritten. Rund 80 000 Euro sollen er und sein Bruder an Wolbergs gespendet haben, um sich laut Staatsanwaltschaft "die Unterstützung des Angeschuldigten Wolbergs als Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister der Stadt bei den von den Unternehmern mit ihren verschiedenen Firmen in Regensburg betriebenen Vorhaben zu sichern".

In der Passage "Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister" liegt auch ein juristischer Knackpunkt des zweiten Wolbergs-Verfahrens. Denn im ersten Prozess hatte das Landgericht nur jene Parteispenden für strafwürdig erklärt, die an Wolbergs flossen, als der bereits OB war, insgesamt 150 000 Euro. In den Jahren zuvor seien die Spenden (mehr als 325 000 Euro) kein Fall von Korruption gewesen: Denn damals war Wolbergs nur Dritter Bürgermeister und vor allem mit Sozialpolitik befasst, nicht aber mit Bauangelegenheiten. Folgen die Richter dieser Logik auch im zweiten Verfahren, können Wolbergs und die Schmack-Brüder womöglich gar nicht bestraft werden. Denn im Gegensatz zu den meisten Parteispenden, die Thomas D. zugerechnet werden, flossen die Schmack-Spenden bereits, als Wolbergs noch Zweiter Bürgermeister war.

Schließt sich Richter Georg Kimmerl seiner Kollegin Elke Escher an, könnte demnach auch die dritte Anklage wackeln, die von Dienstag an gegen Wolbergs verhandelt wird. Auch hierbei lautet der Vorwurf: Bestechlichkeit. Dem früheren Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens aus Mittelfranken wird wiederum Bestechung zur Last gelegt. Im Mittelpunkt dieser Anklage steht das Areal "Nördlicher Rübenhof" im Stadtosten. Es geht um die Erweiterung eines Nahversorgungszentrums. Damit dieses "Vorhaben genehmigungsfähig wird", sollen laut Staatsanwaltschaft 5000 Euro an Wolbergs geflossen sein.

Der Belastungszeuge, der vielleicht gar keiner ist. Die Spenden, die vielleicht nicht strafbar sind. Die zusammengeschmolzene Anklage im ersten Prozess. Es gibt mehrere Faktoren, die Wolbergs auch mit Blick auf den zweiten Korruptionsprozess Hoffnung machen dürften. Und trotzdem: Für Wolbergs geht es jetzt wieder bei null los. Stehen am Ende ein Schuldspruch und eine Strafe, dürfte er kaum eine Chance haben, bei der OB-Wahl im Frühjahr 2020 wiedergewählt zu werden. Das milde Urteil im ersten Prozess dürfte dann kaum mehr jemanden interessieren.

Doch selbst bei einem Freispruch ist es höchst fraglich, ob Wolbergs noch einmal ins Chefbüro im Rathaus zurückkehren darf. Als der OB kürzlich versuchte, seine Rückkehr ins Amt vor dem Verwaltungsgericht zu erzwingen, setzte es eine Niederlage. Das Gericht bestätigte nicht nur die vorläufige Suspendierung durch die Landesanwaltschaft. Es erklärte auch, dass am Ende eines Disziplinarverfahrens die dauerhafte "Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher ist als der Verbleib im Amt". Als Grund nannte das Gericht unter anderem das (noch nicht rechtskräftige) Urteil gegen Wolbergs im ersten Korruptionsprozess.

Für den zweiten Prozess hat das Landgericht zunächst 20 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte nach derzeitigem Plan am 28. Januar 2020 fallen.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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