Nürnberg:Klinikum richtet Kreißsaal für Fans des 1. FC Nürnberg ein

Lesezeit: 3 min

Eine Grundausstattung fürs Fan-Baby gibt es im neuen Kreißsaal für jedes dort geborene Kind. (Foto: dpa)

Der Fußballverein setzt auf eine frühe Prägung der Babys, die zu Clubberern werden sollen: mit rot-schwarzer Deko und Volltreffer-Urkunde.

Von Katja Auer, Nürnberg

Er soll wirklich sehr traurig gewesen sein, der junge Mann im Club-Trikot am Montagabend im Nürnberger Südklinikum. Nicht wegen seines Vereins, denn der lässt seine Anhänger, die wirklich wissen, was Traurigkeit heißt, zurzeit sogar strahlen, seit er sich am oberen Ende der zweiten Bundesliga festgesetzt zu haben scheint. Das also nicht. Aber das Baby war zu früh dran.

Also nicht viel zu früh, so dass er hätte zittern müssen, aber zu früh für den wackeren Clubfan, der es so gern gesehen hätte, wenn sein Sohn das Licht der Welt in Rot-Schwarz erblickt hätte. Sein Blick hätte - nach dem Vater - direkt auf Max Morlock fallen können, jene Clublegende, nach der viele Nürnberger gerne das Stadion benennen würden, und seinen ersten dicken Speichelfaden hätte er auf ein Club-Lätzchen sabbern können, auf dem "Latzwart" geschrieben steht. Hätte.

Wo könnte man besser einen ersten Eindruck hinterlassen als im Kreißsaal?

Aber der Club-Kreißsaal im Nürnberger Klinikum Süd war noch nicht fertig. Der Bub war einen Tag zu früh dran. Deswegen war der junge Vater so traurig, als ihn Klinikvorstand Alfred Estelmann am Montagabend auf der Geburtsstation traf. "Dabei wollte er doch der erste sein", sagt Estelmann. Hat nicht geklappt, aber das sind sie gewohnt beim Club. "Ich bereue diese Liebe nicht", skandieren die Fans im Stadion und sonstwo umso trotziger.

"Wir wollen wieder sichtbarer und erlebbarer werden", sagt Michael Meeske, der sich beim 1. FCN um das Marketing und die Finanzen kümmert, da sei die Idee mit dem Kreißsaal ganz hervorragend. Der erste Eindruck sei schließlich entscheidend, und wo, also wirklich, könnte man den besser prägen als direkt im Krankenhaus. Das "early branding" wolle man gestalten, sagt er, was wohl heißen soll, dass hoffentlich immer ein Clubberer bleibt, wer quasi als solcher auf die Welt kommt.

Engpässe in der Geburtshilfe
:Mit Wehen in der Warteschlange

Es ist bizarr: Deutschland kämpft verzweifelt um Kinder und München strauchelt im Babyboom. Immer öfter müssen Kliniken werdende Mütter abweisen, weil sie extreme Engpässe haben - sogar in den Wehen unmittelbar vor der Geburt.

Von Inga Rahmsdorf

Glückliche Väter, skeptische Mütter

Marek Mintal, der noch keine 40 Jahre alt ist, aber ebenfalls schon als Club-Legende fungiert, hat jetzt jedenfalls keine Sorgen mehr um den Nachwuchs des Vereins, sagt er. Selber hat er mit seiner Frau drei Kinder und ist damit prädestiniert für den Termin im Kreißsaal. Torwart Thorsten Kirschbaum ist noch kinderlos, kann aber gut nachvollziehen, "dass man mit dem Club-Kreißsaal den einen oder anderen Vater glücklich machen kann", sagt er. Die eine oder andere Mutter müsse dagegen wohl dafür ein Auge zudrücken. Es klingt nach einer recht realistischen Einschätzung.

Das Nürnberger Klinikum ist nicht das erste, das seinem Verein einen Kreißsaal widmet. In Dortmund gibt es etwa einen solchen, in Gelsenkirchen, Hannover, Köln und Düsseldorf. In München nicht und in Fürth ebenfalls nicht, auch wenn der Dauerrivale kürzlich ankündigte, die Neugeborenen in einer Fürther Klinik von Januar an mit Babystramplern in den Vereinsfarben auszustatten. Solche gibt es in Nürnberg freilich auch. Schon lange.

Die Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde, Cosima Brucker, und der kaufmännische Vorstand des 1. FC Nürnberg, Michael Meeske. (Foto: Timm Schamberger/dpa)

Club-Teddybären, Söckchen und eine Urkunde

Wie es nun einer mit dem FC Bayern sympathisierenden Familie ergeht, die sich im Südklinikum zur Geburt anmeldet, das kann Chefärztin Cosima Brucker schon irgendwie nachfühlen. Aber mei. "Man kann es nicht allen recht machen", sagt sie. Die Professorin ist selbst Mitglied beim Club und manchmal gehe sie sogar ins Stadion. Die Idee mit dem Fußball-Kreißsaal trage sie schon seit Jahren mit sich herum, sagt sie, "weil Fußball die Menschen verbindet".

Nun also wurde einer der fünf Geburtsräume umgestaltet. Ein rot-schwarzer Streifen zieht sich über die Wand, das Club-Logo prangt an der Tür. Ein Foto der Pokalsieger-Mannschaft von 2007 steht im Zimmer, an der Wand hängt eins von Max Morlock und seinen Brüdern. Es gibt Club-Teddybären und Söckchen. Wer in dem Club-Kreißsaal zur Welt kommt, bekommt außerdem eine Urkunde verliehen.

"Volltreffer", ist da zu lesen, darunter soll der Fußabdruck des Babys gedruckt werden. Diese Schriftstücke immerhin sollen auch die Clubfans kriegen, die es nicht bis in den Fußball-Kreißsaal schaffen. Denn reserviert werden kann der nicht. Und bei gut 3000 Geburten im Jahr sind alle fünf Kreißsäle der Klinik recht gut ausgelastet. Auf eins allerdings müssen die Clubfans im Club-Kreißsaal verzichten: den Fernseher. Fußballspiele werden nicht übertragen. Bei aller Liebe.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ Plus1. FC Nürnberg
:Der Geschichte hinterher

Damit er um den Aufstieg mitspielt, will der Club den Kader zusammenhalten.

Von Markus Schäflein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: