Das Zeppelinfeld auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist das Ziel von Besuchern aus aller Welt. Etwa 300 000 sind es nach Schätzungen der Stadt pro Jahr. Doch die monumentale Tribüne, die sich Adolf Hitler für seinen Führerkult errichten ließ, verfällt zusehends. Die Zuschauerränge sind ohnehin schon lange gesperrt.
Nun hat der Bund 42 Millionen Euro zugesagt, um das Zeppelinfeld zu erhalten. Mindestens 85 Millionen wird die Sanierung nach aktuellen Berechnungen insgesamt kosten. Gleichzeitig soll das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände für mehr als 15 Millionen Euro erweitert werden.
Welche Bedeutung hat das Zeppelinfeld?
Das Areal war der zentrale Schauplatz für die Masseninszenierungen der Nationalsozialisten. Der Name stammt aus der Zeit davor - 1909 war ein Luftschiff auf der Wiese am Dutzendteich gelandet. 1933 nutzten die Nationalsozialisten das Gelände erstmals für einen Reichsparteitag. Von 1935 an entstand nach Plänen des Architekten Albert Speer eine fast quadratische Anlage mit Tribünen, die einen mehr als zwölf Fußballfelder großen Innenraum für bis zu 200 000 Menschen umschließen.
Die Haupttribüne, 360 Meter lang und vom Pergamonaltar inspiriert, besteht aus Beton und Ziegelmauern, die mit Muschelkalk verblendet wurde. Die Zuschauerränge werden von 34 Türmen mit Toiletten unterbrochen. Sie sind, genau wie das Feld, eingezäunt und für Touristen nicht zugänglich. Auf dem Zeppelinfeld wird unter anderem American Football gespielt, einmal im Jahr findet dort das Musikfestival "Rock im Park" statt. Die Haupttribüne kann betreten werden, einige Bereiche sind aber aus Sicherheitsgründen gesperrt.
Wofür wird das Geld verwendet?
"Es geht nicht um eine Restaurierung oder gar eine Rekonstruktion, sondern um die langfristige Sicherung des Status quo", hat Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly immer wieder betont. Die Haupttribüne soll zum einen trittsicher und regendicht, zum anderen in ihrem Gesamteindruck erhalten, aber nicht verschönert werden. Weil etwa ein Viertel der Kalksteinplatten ausgetauscht werden, sind mindestens 20 Millionen Euro für Steinmetzarbeiten vorgesehen. Die Räume in der Mittelhalle der Zeppelintribüne mit dem "Goldenen Saal" sollen statisch gesichert und wieder zugänglich gemacht werden.
Dort sind die im Beton verbauten Eisenteile marode, viele Decken wurden provisorisch abgestützt. Auch die Wallanlagen und einer der 34 Türme sollen für Besucher geöffnet werden. Die Türme müssen getrocknet und statisch gesichert werden. Vor zwei Jahren war die Stadt von Kosten in Höhe von 73 Millionen Euro ausgegangen. Die neue Summe von 85 Millionen Euro ist laut Stadt allein den zu erwartenden Baukostensteigerungen geschuldet. Die Sanierung soll nun nur noch acht statt zwölf Jahre dauern. Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich geht davon aus, dass die Arbeiten Ende 2019 beginnen. Zuvor stünden noch Planungen an. Ausgeschrieben wird, wenn die Finanzierungszusage vom Land steht.
Nach dem Krieg hatte die Stadt Nürnberg lange damit gerungen, wie sie mit dem Reichsparteitagsgelände umgehen soll. In den Sechziger- und Siebzigerjahren wurde der südliche Teil des weitläufigen Geländes dem neuen Stadtteil Langwasser und der Messe zugeschlagen. Inzwischen ist es im Stadtrat Konsens, die noch erhaltenen Bauwerke zu bewahren. 2004 beschloss er einstimmig Leitlinien zum Umgang mit dem Gelände. Er sprach sich darin sowohl gegen den Verfall als auch gegen eine Rekonstruktion aus und erklärte die Stadt zur Hauptverantwortlichen für das "nationalen Erbe", forderte aber von Bund und Land, Nürnberg mit dieser Aufgabe nicht allein zu lassen.
Als 2016 das Sanierungskonzept für das Zeppelinfeld verabschiedet wurde, geschah das ebenfalls einstimmig. Trotzdem kochten in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen hoch, ob man so viel Geld ausgeben darf, um das Erbe der Nationalsozialisten zu erhalten. Ein prominenter Kritiker war Norbert Frei, Professor für Geschichte an der Universität Jena und ehemaliger Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte in München. Der Historiker plädierte für einen "kontrollierten Verfall" des Zeppelinfelds zu Ruinen. Wer den ursprünglichen Zustand sehen wolle, könne ins nahe Dokumentationszentrum gehen, argumentierte er.
Nürnbergs Stadtspitze hat sich immer wieder sehr ernsthaft auf die Debatte eingelassen und die eigene Haltung auch bei mehreren wissenschaftlichen Tagungen hinterfragen lassen. Sie argumentiert: Ohne die millionenschwere Investition müsse die Stadt das Zeppelinfeld samt Tribüne einzäunen. Es wäre dann der Öffentlichkeit entzogen, was eine ungewollte Mystifizierung auslösen könne. Außerdem sei es wichtig, das Monströse der NS-Herrschaft durch einen unmittelbaren Eindruck der NS-Propaganda-Architektur auch für künftige Generationen erlebbar zu machen. Maly spricht dabei von einem "authentischen Lernort".
Soll das Zeppelinfeld zum Museum werden?
Ausdrücklich nein. Die Stadt setzt weiter auf ihr Konzept der gemischten Nutzung zur Profanierung des Areals. Das Zeppelinfeld ist ein Erinnerungsort, dient aber auch als Freizeitgelände und Veranstaltungsfläche. Und bislang drehen einmal im Jahr beim "Norisring"-Rennen Motorsportwagen ihre Runden um die Haupttribüne.
Was ist im Dokuzentrum geplant?
Im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände können sich Besucher seit 2001 über die Geschichte des Areals und über Ursachen und Folgen der NS-Diktatur informieren. Es ist in einem Teil der von Speer geplanten, nicht vollendeten Kongresshalle untergebracht. Weil inzwischen statt der erwarteten 100 000 Besucher pro Jahr 275 000 kommen, muss vergrößert werden. Dazu werden dem Zentrum weitere Teile der Kongresshalle zugeschlagen. Entstehen sollen 5000 statt bisher 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, zusätzliche Veranstaltungsräume und Toiletten, ein Medien- und Recherchezentrum sowie Büros. Gleichzeitig wird der Eingang barrierefrei ins Erdgeschoss verlagert. Begonnen wird im Herbst 2019.
Wer zahlt wie viel?
Zum Ausbau des Dokumentationszentrums steuert der Bund sieben Millionen Euro aus dem Programm "Nationale Projekte des Städtebaus" bei. Vier Millionen Euro kommen vom Freistaat, 4,3 Millionen Euro wird die Stadt Nürnberg selbst aufbringen müssen. Für die Sanierung des Zeppelinfelds hat der Bundestag bei den Haushaltsberatungen 42,6 Millionen Euro zugesagt. Nun fehlt noch eine Entscheidung des Freistaats, umstritten ist das Projekt dort aber nicht. Bisher war im Gespräch, dass Bayern halb so viel zahlen könnte wie der Bund.
Wie geht es weiter?
Die Sanierung des Zeppelinfelds soll von einem verstärktem Bildungsangebot des Dokuzentrums begleitet werden, etwa durch zusätzliche Informationstafeln im Gelände, digital abrufbare Inhalte und eine sinnvolle Einbindung des "Goldenen Saals" ins Museumskonzept. Doch nicht nur auf dem Reichsparteitagsgelände wird in die Aufarbeitung der Geschichte investiert: Auch das 2010 eröffnete Memorium Nürnberger Prozesse, in dem es um die Bewältigung dieser dunklen Vergangenheit geht, soll deutlich wachsen.
Bislang wird der Saal 600 im Ostflügel des Justizzentrums, in dem die Haupttäter des Nationalsozialismus in den Nürnberger Prozessen vor Gericht standen, noch immer für Strafprozesse genutzt. Die Ausstellung hat man ins Dachgeschoss darüber gequetscht. Das soll Ende 2019 vorbei sein, wenn die Justiz einen neuen Erweiterungsbau bezieht.