CSU:Seehofer versetzt Fraktionschef Kreuzer aufs Abstellgleis

Lesezeit: 3 min

  • "Latent aggressiv" trete Seehofer dem CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer derzeit entgegen, heißt es aus der Fraktion.
  • Der Fraktionschef galt vor kurzem noch als "Panzerkreuzer", nun glaubt kaum einer mehr, dass er Seehofer gegenüber in den Anliegen der Fraktion hart bleibt.

Von Lisa Schnell, München

Ministerpräsident Horst Seehofer macht "Arbeitsurlaub" in seinem Ferienhaus im Altmühltal. Von Zeit zu Zeit wird er dort wohl auch in den Keller zu seiner Modelleisenbahn steigen. Grüne Wiesen, Büsche und Bäume gibt es da kaum. Es ist mehr seine politische Wunschwelt, die Seehofer sich hier zusammenbastelt. Kanzlerin Angela Merkel stand lange als Playmobil-Mutti auf dem Abstellgleis, derzeit würde Seehofer dort wohl lieber einen anderen platzieren: Thomas Kreuzer.

Eine Playmobilfigur hat Seehofer für den 57-Jährigen wohl nicht angeschafft, dafür ist dessen Bedeutung bundesweit zu gering. Seit drei Jahren führt Kreuzer jetzt die CSU-Fraktion im Landtag an. Er gilt als robust und knurrig. Einer, der auch mal lauter wird, wenn ihm was nicht passt. Jetzt hat er dem Ministerpräsidenten ein bisschen zu oft geknurrt. Auf Seehofers Liste der Unliebsamen steht er nun wohl auf Platz eins, wo sonst Markus Söder rangierte.

Kabinettsklausur
:Bayerische Gymnasien dürfen künftig G9-Züge anbieten

Das Kabinett hat auf seiner Klausurtagung am Tegernsee außerdem beschlossen, das Gesundheitsministeriums nach Nürnberg zu verlegen.

"Latent aggressiv" trete Seehofer ihm derzeit entgegen, heißt es aus der Fraktion. Als Kreuzer früh von der Kabinettsklausur in St. Quirin abreiste, kam sofort das Dementi: Nein, er sei nicht wutschnaubend davongestürmt. Grund genug gäbe es dafür. In Parteigremien schimpfte Seehofer, Kreuzer erschwere ihm seine Arbeit "unheimlich". Sogar öffentlich rüffelte er ihn scharf, und das in Kreuzers Heimatzeitung, der Augsburger Allgemeinen.

Kreuzer hat sich in letzter Zeit einige Schnitzer erlaubt

Kreuzers Äußerungen seien "schädlich für die CSU", ließ sich Seehofer dort aus. Es ging um Kreuzers "Bagger-Panne", wie sie in der CSU genannt wird. Wenn die ersten Bagger rollen, werde sich der Protest gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen schon erledigen, hatte Kreuzer vor Journalisten gesagt. Acht Jahre gibt sich Seehofer als Volkskoalitionär, und dann sendet da einer das Signal: Was die Leute denken, ist uns eigentlich egal. Nicht der einzige Schnitzer, den sich Kreuzer aus Seehofers Sicht in letzter Zeit erlaubt hat.

Der jüngste ist die Sache mit der Skischaukel am Riedberger Horn. Vom Naturschutz soll Kreuzer nicht viel halten, noch weniger von den Naturschützern, die ihm seinen Skilift vermiesen wollen. Dass er ihn unbedingt will, machte der Allgäuer in seiner Heimat deutlich. Seehofer kam ihm zu Hilfe. Das Kabinett beschloss, für einen Skilift im Allgäu den Alpenplan und damit die ehernen Grundsätze des Naturschutzes in Bayern auszuhebeln.

Großer Aufschrei bei den Umweltschützern. Scharfe Attacken gegen Seehofer. Von Kreuzer aber hörte man wenig. Für Seehofer wohl zu wenig. Dass die, für die er sich verkämpft, auf Tauchstation gehen, wenn es brenzlig wird, habe Seehofer nicht als besonders tapfer empfunden, heißt es.

Ähnlich formulierte es Seehofer im Parteivorstand. Auch beim Thema G 8/G 9 ging Kreuzer Seehofer "im Weg um", wie ein CSU-Mann sagt. Kreuzer sprach sich gegen die Wiedereinführung des G 9 aus, dabei hatte Seehofer nichts einzuwenden gegen eine versteckte Rolle rückwärts zum G 9.

Vor einem Jahr war Kreuzer noch der "Panzerkreuzer"

Kreuzer selbst will sich zu seinem Verhältnis zu Seehofer nicht äußern. Über persönliche Beziehungen rede er in der Öffentlichkeit nicht, lässt er ausrichten. Hört man sich in der Fraktion um, bekommt man aber durchaus ein Bild: "Menschlich enttäuscht" war Kreuzer demnach von Seehofers öffentlicher Attacke. Auch wenn Kreuzer auf Kritik "etwas dünnhäutig" reagiere, klangen Seehofers Worte auch für andere ungewohnt scharf. Vor einem Jahr war Kreuzer noch der "Panzerkreuzer".

Die Opposition nannte ihn so wegen seiner cholerischen Ausbrüche. In der CSU aber sieht man den Panzerkreuzer als einen, der mit seiner Forderung nach Grenzkontrollen Seehofer den Weg hinaus aus der Willkommenskultur der Kanzlerin hin zu einem strikten Kurs in der Flüchtlingspolitik gebahnt hat. Jetzt aber habe sich das Verhältnis umgekehrt. Nur wenige sehen in Kreuzer einen, der gegenüber Seehofer hart bleibt in den Anliegen der Fraktion.

Auch wenn er nach außen aufmüpfig erscheinen mag, intern ist klar, wer das Sagen hat. "Im Zweifel macht Kreuzer genau das, was Seehofer sagt", heißt es. Beim klärenden Gespräch zur Startbahn soll er sich "komplett unauffällig" verhalten haben. "Eingeknickt" nennen es andere. Die Bedingungen der Fraktion für einen von Seehofer favorisierten neuen Bürgerentscheid mussten andere deutlich machen. Noch zehre Kreuzer von seiner klaren Positionierung in der Flüchtlingskrise, doch seitdem habe er keine klaren Akzente mehr gesetzt.

Das liegt auch daran, dass Seehofer in der Partei derzeit so stark ist wie lange nicht. Es gibt wohl kaum jemanden, der sich ihm derzeit in den Weg stellen kann. Kreuzer werde das auch deshalb vermeiden, weil er insgeheim die Hoffnung hege, selbst mal in die Staatskanzlei einzuziehen, sagt einer. Dass Seehofer ihn vom Abstellgleis so schnell ins Führerhäuschen seiner Modelleisenbahn setzen wird, gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Seehofer zu Merkel
:Fürs Poltern sind andere zuständig

Horst Seehofer distanziert sich zwar von Angela Merkels "Wir schaffen das", aber markige Worte überlasst der bayerische Ministerpräsident diesmal lieber seinem Finanzminister - aus gutem Grund.

Von Wolfgang Wittl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: