Nah- und Regionalverkehr:Züge müssen für Verspätung schneller Strafe zahlen

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Ein recht häufiger Anblick für S-Bahn-Kunden: Das Wort "Verspätung" auf dem Zuganzeiger. (Foto: Niels P. Jørgensen)
  • Bislang wurden sogenannte Pünktlichkeitspönalen fällig, wenn ein Zug mehr als fünf Minuten und 59 Sekunden Verspätung hatte.
  • Künftig will der Freistaat die Verkehrsunternehmen ab einer Verspätung von drei Minuten zur Kasse gebeten werden.
  • Bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) wird ein Zug bereits als unpünktlich eingestuft, wenn er mehr als 120 Sekunden hinter dem Plan ist.

Von Marco Völklein, München

Wann ist ein Zug pünktlich unterwegs? Ganz klar, sagt der Laie: Wenn er zu der Zeit abfährt, zu der er laut Fahrplan abfahren soll. Bei der Münchner S-Bahn, beim Regionalverkehr in Bayern und beim Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB) gilt dies aber nicht. Dort ist ein Zug auch dann pünktlich, wenn er seinem Fahrplan bis zu fünf Minuten und 59 Sekunden hinterherfährt. Bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) wird ein Zug bereits als unpünktlich eingestuft, wenn er mehr als 120 Sekunden hinter dem Plan ist.

Der Freistaat will sich bei der S-Bahn und im Regionalverkehr nun diesem Wert annähern. "Wir werden unser System für die Pünktlichkeitspönale umstellen", sagt Wolfgang Oeser, Qualitätsmanager bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG). Die BEG plant im Auftrag von Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) den S-Bahn- und Regionalzugverkehr in Bayern. Mit den einzelnen Verkehrsunternehmen, also der Deutschen Bahn oder deren Konkurrenten, etwa der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), schließt die BEG Verträge ab mit einer Laufzeit von meist mehr als zehn Jahren.

Und in diesen Verträgen legt sie nicht nur fest, wie viele Züge in welchem Takt auf welcher Strecke mit wie vielen Sitzplätzen, Toiletten und Zugbegleitern an Bord durch die Lande rauschen - sondern auch, dass Strafen fällig werden, sogenannte "Pönalen", etwa dann, wenn ein Zug unpünktlich ist. Im vergangenen Jahr mussten die DB und ihre Wettbewerber insgesamt 18,7 Millionen Euro an die BEG abführen. Im Jahr davor hatte der Wert bei über elf Millionen Euro gelegen.

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Bislang wurden Pünktlichkeitspönalen fällig, wenn ein Zug mehr als fünf Minuten und 59 Sekunden Verspätung hatte. Künftig soll bayernweit dieser Wert auf zwei Minuten und 59 Sekunden gesenkt werden, eine Verspätung wird dann "ab der dritten Minute gemessen und bestraft", sagt Qualitätsmanager Oeser. Damit würden auch kleinere Verspätungen, die bei den Fahrgästen aber zu teils großem Unmut führen, "angemessen berücksichtigt".

Hinzu kommt: Bislang wog eine sechsminütige Verspätung genauso schwer wie eine Verspätung von einer halben oder gar dreiviertel Stunde - für beides hatten die Bahnbetreiber die gleiche Strafe zu zahlen. Künftig will die BEG eine lineare Steigerung einbauen: Eine Verspätung von vier Minuten soll weniger teuer sein als eine von zehn Minuten. "Das entspricht der Perspektive der Fahrgäste", sagt Oeser, "über einen Zug, der vier Minuten verspätet ist, ärgert man sich nicht so sehr wie über einen mit zehn oder mehr Minuten Verspätung."

Bis die verschärfte Verspätungsregelung greift, wird es noch dauern

Das sieht auch Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn so und lobt das neue System der BEG als "Schritt in die richtige Richtung". Zugleich mahnt er grundsätzliche Veränderungen an. Seit Jahren schon beklagt er, dass die verhängten Strafen "offensichtlich zu niedrig sind, um den Unternehmen weh zu tun" - nur mit drastischen Pönalen könne man die DB als Betreiberin der Münchner S-Bahn zu Verbesserungen zwingen.

S-Bahn-Chef Bernhard Weisser hält dagegen, seine Züge hätten von Januar bis April 2016 eine Pünktlichkeitsquote von 96,6 Prozent erreicht, im Mai habe der Wert bei 95,2 Prozent gelegen. So schlecht sei man also gar nicht. Fahrgäste beklagen dennoch ständige Verspätungen und Zugausfälle. Barth fände es daher gut, wenn die Strafzahlungen nicht nur an die BEG flössen, sondern "auch die Kunden etwas zurückbekämen", etwa eine Entschädigung am Jahresende auf ihr MVV-Abo.

Bis die verschärfte Verspätungsregelung greift, wird es aber noch dauern. Das Verfahren werde zunächst da angewandt, "wo wir Verträge neu ausschreiben", sagt Oeser, etwa bei den Dieselzugnetzen um Nürnberg und Ulm. Bei laufenden Verträgen müsse nachverhandelt werden. "Hier müssen die Unternehmen natürlich einer Vertragsumstellung zustimmen."

Bei der Münchner S-Bahn läuft der bestehende Vertrag zum Jahresende 2017 aus; die BEG und Verkehrsminister Herrmann haben bereits klar gemacht, dass die DB den Folgevertrag für die Jahre 2018 und 2019 erhalten wird. "Das Minutenverfahren", sagt Oeser, "werden wir in die Verhandlungen mit einbringen."

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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