Landespolitik:Piazolo verteidigt Vorstoß zur Senkung des Wahlalters

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Michael Piazolo von den Freien Wählern bei der Vereidigung des bayerischen Kabinetts im November 2018. (Foto: dpa)
  • Schulminister Michael Piazolo bringt das Wahlrecht für 16-Jährige in einem Interview zur Sprache - und provoziert damit Aufruhr in der Koalition.
  • Die CSU ist gegen eine Absenkung des Wahlalters.
  • Dagegen sind sich SPD, Grüne, FDP sowie die Lehrerverbände einig und begrüßen Piazolos Vorstoß.

Von Anna Günther, München

16-Jährige könnten künftig in Bayern bei Kommunalwahlen ihr Kreuzchen machen, jedenfalls wenn es nach Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler) geht. Zwar betont er, diese Idee im BR-Hörfunk als Vize-Parteivorsitzender und nicht als Minister geäußert zu haben. Und tatsächlich vertritt der frühere Politikprofessor seit Jahren diese Haltung. Trotzdem brachte sein Vorstoß die bayerische Politik in Wallung, denn es hat deutlich mehr Gewicht, wenn ein Mitglied der Staatsregierung etwas anspricht - und damit sogar Zoff in der Koalition riskiert. Seine Fraktion sei für die Senkung des Wahlalters, auch wenn es intensive Diskussionen gegeben habe, sagte Piazolo der SZ. Die CSU ist bisher klar dagegen. Deshalb stehe das auch nicht im Koalitionsvertrag.

Den Aufruhr will Piazolo nicht ganz verstehen. "Es ist ja nicht so, dass in einer Koalitionsregierung jeder seine persönliche Meinung an der Garderobe abgibt", sagte er. Zur Kommunalwahl 2026 soll Bayern mit Ländern wie Niedersachsen oder Thüringen gleichziehen. Elf der 16 Bundesländer lassen bei Kommunalwahlen 16-Jährige an die Urne, Schleswig-Holstein und Brandenburg auch bei Landtagswahlen. Vor 2026 sei das kaum zu schaffen, sagte Piazolo. Politische Diskussionen müssten geführt, Gesetze geändert und die jungen Leute vorbereitet werden, damit sie sich in Parteien engagieren und als Kandidaten aufstellen lassen. Das passive Wahlrecht sei so wichtig wie das aktive. Und wieso nicht zu Landtags- und Bundestagswahlen? Das sei der "Beginn", auf kommunaler Ebene seien politische Zusammenhänge noch leichter im Alltag zu erfassen. "Die Landtagswahl wäre der nächste Schritt", sagte Piazolo.

Studien sehen in der Senkung des Wahlalters einen Weg, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Das ist gar nicht Piazolos vorrangiges Ziel. Die Beteiligung der jungen Wähler steigt in Bayern seit 2008 wieder und lag bei der Bundestagswahl 2017 sogar um 13 Prozentpunkte höher als 2013. Seit zehn Jahren stelle er fest, dass Jugendliche sehr politisch seien, sagte Piazolo. "Beim Volksbegehren gegen die Studiengebühren waren auch viele Schüler dabei, nicht nur Studenten." Dieses Interesse aufzunehmen sei schlüssig. Mit den seit Wochen dauernden Demonstrationen der Schüler zum Klimaschutz habe das nichts zu tun.

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Das allerdings nimmt ihm die Opposition nicht ab. Stattdessen schießen die Spekulationen ins Kraut: Piazolo taktiere und wolle sich gegen die CSU profilieren, heißt es. Andere wollen keine Struktur in Piazolos Politik erkennen können und vermuten jetzt den Versuch, davon abzulenken. Beim Thema "Fridays for future" wurde zuletzt immer wieder Kritik laut, weil Piazolo Schulleitern keine Vorgaben zum Umgang mit Schulschwänzern mache, sondern auf deren Ermessensspielraum im Schulgesetz verweise. Jede Schule geht individuell mit dem Thema um. Das nennen manche pädagogische Vielfalt, andere Chaos.

Markus Bayerbach (AfD) wirft Piazolo nun sogar "Populismus" vor. "Das ist ein bisschen opportunistisch, jetzt mit der Jugend zu rechnen", sagte Bayerbach. Er würde die Altersgrenzen im Wahlrecht beibehalten oder auch im Strafrecht überdenken. Dagegen sind sich SPD, Grüne, FDP sowie die Lehrerverbände einig und begrüßen Piazolos Vorstoß.

SPD und Grüne wollen 16-Jährige schon zur Kommunalwahl 2020 wählen lassen. Einen entsprechenden Antrag will die SPD an diesem Donnerstag im Landtag einbringen. "Jede Woche gehen in Deutschland Tausende Jugendliche für den Klimaschutz auf die Straße und sind politisch aktiv. Wir wollen ihnen auch eine Wahlstimme geben", sagte SPD-Fraktionschef Horst Arnold. Die Grünen gehen noch weiter und erhoffen sich davon bei den nächsten Bundestags- und Landtagswahlen Zuwächse für ihre Partei, die bei der Landtagswahl 2018 besonders bei jungen Wählern gut ankam. "Politische Mitsprache ist ein Recht und kein Geschenk, das bei gutem Willen verteilt wird", sagte Eva Lettenbauer.

Wer mit Schülern spricht, vernimmt Euphorie: "Wir begrüßen es sehr, dass der Minister einen Schritt in unsere Richtung macht", sagte Landesschülersprecher Joshua Grasmüller, 16. Seit Jahren fordert der Landesschülerrat mehr Mitsprache. Das Wahlrecht ab 16 könnte Politiker wachrütteln, hofft er, "damit sie nicht nur für die Alten Politik macht, sondern auch für uns Jugendliche".

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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