Landwirtschaft im Zeichen des Klimawandels:"Derzeit haben die Bauern keine Chance, auf Elektro umzustellen"

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Der Hoflader am Huabahof fährt mit Sonne statt Diesel. (Foto: Molkerei Berchtesgadener Land/oh)

Franz Xaver Demmel betreibt in Schönrain einen nahezu autarken Biohof. Bei den großen Traktoren ist jedoch auch er noch auf Diesel angewiesen. Woran hakt es bei der E-Mobilität in der Landwirtschaft?

Interview von Stephanie Schwaderer, Königsdorf

Der Huabahof in Schönrain ist seit 2005 ein Naturland-zertifizierter Biobetrieb zur Fleisch- und Milchproduktion. Zugleich gilt der technisch hochmoderne Bauernhof als einzigartiges Modellprojekt, das Besucher aus aller Welt anzieht. Franz Xaver Demmel, Landwirt und Ingenieur, erprobt mit Wissenschaftlern, wie sich moderne Landwirtschaft mit Klimaschutz und Ressourcenschonung vereinbaren lässt.

SZ: Herr Demmel, Bauern gehen auf die Barrikaden, weil die Agrardiesel-Subventionen gestrichen werden sollen. Haben Sie dafür Verständnis?

Franz Xaver Demmel: Hochgradig! Aber das Problem sitzt ja tiefer. Agrar-Subventionen sind keine Subventionen für die Bauern, sondern Verbilligungsmaßnahmen für Lebensmittel. In Deutschland haben wir mit die niedrigsten Lebensmittelpreise in Europa, was für den sozialen Frieden sicher gut ist. Der Wohlhabende trägt über die Steuern stärker dazu bei, dass es günstige Lebensmittel gibt, als der weniger Wohlhabende - an sich ein gutes Prinzip.

Mit Tablet und Mistgabel: Franz Demmel (links) bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Gerlinde und Sohn Xaver den Huabahof. (Foto: Molkerei Berchtesgadener Land/oh)

Sie arbeiten in Schönrain schon seit mehreren Jahren mit elektrischen Arbeitsmaschinen. Ist das nicht die Richtung, in die sich auch die Landwirtschaft bewegen müsste?

Wir nutzen jede technische Möglichkeit, um von fossilen Energieträgern wegzukommen. Aber derzeit ist leider noch nichts auf dem Markt, was den Diesel in der Landwirtschaft, insbesondere im Feldeinsatz, ersetzen könnte. Ich gehe davon aus, dass das, je nach Technologie, noch ein bis zehn Jahre dauern kann.

Woran hakt es?

Ein Leistungsbereich bis 80 PS ist gut elektrisch bedienbar, also etwa ein Hoflader oder ein kleiner Schlepper, wie ihn Fendt demnächst herausbringt. Ein Leistungsbereich bis 200 PS könnte in der Zukunft mit Wasserstoff machbar sein - daran wird gerade gearbeitet. Damit könnten größere Traktoren fahren, wie man sie hier im Oberland kennt. Elektro ist da nach derzeitigem Stand raus, weil die Geräte zu schwer werden. Und alles darüber hinaus erfordert bislang E-Fuels oder Diesel. Die Streichung der Diesel-Subventionen kommt zu einer Unzeit. Derzeit haben die Bauern keine Chance umzustellen.

Der neue Tesla hat mehr als 1000 PS. Fendt hingegen bringt gerade erstmals serienmäßig einen kleinen E-Schlepper mit 80 PS heraus. Wo ist das Problem?

Leistungen in dieser Größenordnung lassen sich durchaus konzipieren, das Problem ist die Mitführung der nötigen Energie. Bei der Ernte sollte ein Schlepper die benötigte Tagesmenge an Energie dabei haben - im Tank oder in der Batterie. Der genannte Tesla hat eine Batteriekapazität von 130 kWh, das reicht beim Traktor bei einem durchschnittlichen Arbeitseinsatz nur etwas mehr als eine Stunde. Der Traktor bräuchte also ein Batteriepaket in der zehnfachen Größe - da entsteht das Gewichts- und Preisproblem. Fakt ist: Diesel hat eine sehr hohe Energiedichte. Bei Hofführungen verdeutliche ich das immer in der Garage, wo die Akkus für den Stallbetrieb stehen: Das sind 137 kWh, und die sind so groß wie ein Kleinwagen. Die Dieselmenge, die die gleiche Menge Energie trägt, passt in einen halben Kanister. Ich zeige bei dieser Gelegenheit dann auch immer ein 200-Liter-Fass. An einem schönen Tag produziert unser Hof via Photovoltaik das Energie-Äquivalent von 200 Litern Diesel. In fünf Tagen hab' ich also 1000 Liter. Leider nicht in Diesel, sondern als gespeicherte Elektrizität, und die bringe ich - Status quo - nicht aufs Feld.

Radlader und Futtermischwagen fahren auf dem Huabahof elektrisch, größere Fahrzeuge hingegen noch immer mit Diesel. (Foto: Molkerei Berchtesgadener Land/oh)
Die Akkus rechts im Bild fassen ebenso viel Energie wie ein halber Kanister Diesel. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wenn die Technik auf sich warten lässt, welche Alternativen haben die Bauern im Oberland?

Theoretisch könnte man sagen: Wir fahren gar nicht mehr mit großen Maschinen aufs Feld, sondern kehren zu einer kleinteiligen, biodiversen, nachhaltigen und umweltfreundlichen Landwirtschaft zurück. Kleinere Flächen, mehr Hecken dazwischen, da sind alle begeistert ...

Ja, das klingt gut.

Bis zu dem Satz, den ich jetzt sage: Die Lebensmittelpreise würden sich verdoppeln. Die Gesellschaft müsste begreifen, dass Landwirtschaft von Land und Landschaft kommt. Hier im Oberland haben wir noch diese schöne kleinteilige Landschaft mit Wäldern, Hecken und Weihern - und wir haben einen großen Wettbewerbsnachteil: Wer diese klein parzellierte Landschaft pflegt, ist betriebswirtschaftlich chancenlos gegen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern. In diesen mit Monokulturen bestellten Agrarwüsten möchten Sie nicht Karl der Käfer sein. Aber bei uns sterben gerade die Bauern weg, die wir für die Zukunft bräuchten. Das haben wir erreicht durch die Billigpreise in der Landwirtschaft. Nehmen wir als Beispiel die Gaißacher Bauern, die noch vorbildlich ihre Hoag pflegen, wo die Grenzen mit Bäumen bepflanzt sind. Eine faire Entlohnung für diesen Mehraufwand können sie leider nicht erwarten.

Man müsste also das Rad ein Stück zurückdrehen?

Eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft ist das größte globale Öko-Projekt, das brachliegt. In Bayern geht es um 80 Prozent der Landesfläche. Technisch wäre das alles machbar. Und auch ein Anstieg der Lebensmittel-Preise wäre locker zu verkraften - im Schnitt geben die Deutschen gerade einmal zehn bis zwölf Prozent ihres Geldes dafür aus. Würde man sagen: Ein bisschen kleinere Autos, ein bisschen weniger Urlaub, weniger oder gar nicht fliegen, auf zwei Konzerte im Jahr verzichten - einfach maßhalten, dann hätten wir das Geld, um unser Land auf der größtmöglichen Fläche nachhaltig positiv zu verändern.

Franz Demmel mit seiner Lieblingskuh Fräulein Schmid. Die Lebensmittelpreise müssten sich verdoppeln, sagt er. (Foto: Molkerei Berchtesgadener Land/oh)

Diese Zusammenhänge sind nicht neu. Was müsste Ihrer Ansicht nach geschehen?

Auf Verbraucherseite hilft nur Aufklärung. Auf Seiten der Politik könnte man ganz einfach die Parzellengröße gesetzlich begrenzen: Zehn Hektar, dann muss mit Hecke oder Wald getrennt werden. Was das für einen Einfluss auf Wasser, Klima und Biodiversität hätte! Wir sprechen von einer Kulturlandschaft, wie sie einmal war und wie sie etliche traditionsbewusste oberbayerische Bauern noch erhalten - unter persönlichen wirtschaftlichen Einbußen, meist mit zwei Berufen und einer 70- bis 80-Stunden-Woche.

Nicht jeder könnte mehr Geld fürs Essen ausgeben.

Für die sozial Schwächsten müsste es natürlich parallel ein Netz geben. Ansonsten kann man sagen: Wir haben den Wert des Essens nach drei satten Generationen völlig vergessen. Würden wir heute einen 120-Jährigen ausgraben und in einen Supermarkt führen, würde der sagen: Ihr spinnts komplett! Wir sind hemmungslos. In den Fünfzigerjahren haben die Leute 44 Prozent ihres Geldes fürs Essen ausgegeben. Da wollen und müssen wir nicht mehr hin. Aber ich würde jetzt einmal sagen: 18 Prozent. Man könnte europaweit ein Öko-Projekt aufziehen. Die nachhaltige Produktion müsste dringend vor billigeren Natur-Raubbau-Produkten aus dem Ausland geschützt werden.

Merken Sie in Ihrem Betrieb, dass sich das Bewusstsein der Leute beim Einkaufen verändert hat?

Seit einiger Zeit geht der Trend leider in die falsche Richtung. Immer mehr greifen an Bio vorbei zu den brutalen Billigprodukten. Die hochwertige Biomilch hat Absatzprobleme. Dafür gibt es einen neuen Flugrekord am Münchner Flughafen. Vor Mikrofon und Kamera sprechen sich 80 Prozent der Leute für Nachhaltigkeit aus, an der Kasse sind es dann aber nur zehn bis 15 Prozent. Land, Landschaft, Landwirtschaft, das vergisst man dann schnell - und fliegt nach Bali.

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Huabahof in Königsdorf
:Der Bauernhof der Zukunft

E-Fahrzeuge, Melkmaschine und Mind-Map: Die Familie Demmel aus Königsdorf baut ihren Huabahof zu einer autarken Landwirtschaft um. Das kostet viel Kraft und Geld, könnte aber ein Modell für andere Betriebe sein.

Von Kathrin Müller-Lancé

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