Landtagswahl:Bei der SPD in Bayern herrscht Frustration - aber nicht überall

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Einsam ist es vielerorts um die SPD geworden, manche Ortsvereine mussten fusionieren. Dabei steigt die Mitgliederzahl insgesamt. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Schlechte Umfragewerte trüben die Motivation für den Wahlkampf, besonders in der Stadt. Auf dem Land glaubt auch niemand an Wunder, doch die Genossen verspüren dort offenbar mehr Ansporn.

Von Lisa Schnell, München

Martin Baumann vergleicht die Bayern-SPD gerne mit dem TSV 1860 München: Bei beiden geht es eher nach unten als nach oben. Trotzdem hat er sich daheim im oberbayerischen Trostberg bei Traunstein vor 16 Jahren sein rotes Parteibuch geholt. Mittlerweile ist er Ortsvereinsvorsitzender. Dass seine Partei nicht in der ersten Liga spielt, stört ihn nicht. "Man weiß ja, auf was man sich einlässt", sagt er. Wahlkämpfen will er freilich dennoch.

Gerade aber wird nicht nur Baumanns leidgeprüfte SPD-Seele hart auf die Probe gestellt. Mit mageren zwölf, dreizehn Prozent in den Umfragen gehen die Genossen in die Sommerpause, kurz bevor der große Endspurt vor der Landtagswahl beginnen soll. Dafür wird jedes Mitglied gebraucht, um Plakate zu kleben und Bekannten und Unbekannten zu erzählen, wie fantastisch die SPD ist. Wie motiviert kann ein Läufer sein, der von weit hinten startet? Oder anders: Woher nimmt ein Zwerg die Kraft, ein Riese werden zu wollen? Wer diese Fragen Genossen in Bayern stellt, der begegnet einem unerschütterlichen Kampfeswillen, Optimismus, aber auch der Sorge, dass die Motivation dieses Mal nicht ganz so leicht fällt wie sonst.

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In Trostberg befindet sich Baumann irgendwo dazwischen. Resignation sieht er in den Gesichtern beim SPD-Stammtisch nicht, aber doch einen "sehr realistischen Blick", sagt er. "Es ist nicht so, dass man sich einredet, in den letzten Wochen vor der Wahl können noch Wunder passieren." Die Grünen hinter sich lassen und wieder zweitstärkste Partei werden, das sei aber machbar, auch wenn es ein Kraftakt werde. Woher die Kraft kommt? Baumann erzählt vom Kampf gegen rechts, der den Genossen bei ihm besonders wichtig sei. Die schrillen Töne der CSU und die AfD seien Motivation genug, dagegen aufzustehen.

Etwa 90 Kilometer weiter, in München und Umgebung gelangt man in weniger zuversichtliche Gebiete. "Zunächst begegnet einem natürlich die Frustration", sagt Bela Bach, Unterbezirksvorsitzende von München-Land. Ihr Rezept dagegen? Nichts schönreden, aber positiv sprechen von der SPD, die sich als stolze Partei mit einem guten Programm nicht verstecken müsse. Nur was, wenn niemand mehr kommt, den man aufbauen kann?

In manchen Ortsvereinen finde politische Arbeit kaum mehr statt, sagt Bach. "Sie müssen fusionieren, um die Ressourcen zu bündeln." Sicher, in den Sommerferien sei es meist mau und viele kämen wieder, wenn Bach sie dazu auffordert. Es sei aber schon mal einfacher gewesen, zu mobilisieren. Mancher Landtagsabgeordnete fragt sich, wo all die Hände sind, die seine Flyer verteilen sollen.

"Die Leute wollen kämpfen, aber die Umfragewerte sind nicht gerade motivierend", fasst Bundestagsabgeordneter Florian Post aus dem Münchner Norden die Stimmung an der Basis zusammen. Was sich ändern muss? Sich nicht von der CSU treiben lassen, sondern eigene Themen setzen, sagt Bach. Nicht immer darauf achten, wer sich in der SPD auf die Füße getreten fühlen könnte, sondern mit klaren Positionen auftreten, sagt Post. Was er "Konsenssoße" nennt, beschreibt Christoph Rabenstein als das "alte Problem der SPD".

Rabenstein aus Bayreuth sitzt seit 1998 im Landtag und hat viele Wahlkämpfe erlebt. Das Desinteresse spürt er weniger bei den eigenen Leuten, sondern beim Bürger. "In der SPD sind meistens 50 Prozent dafür und 50 dagegen", sagt er. So sei das in der Asylpolitik oder bei der Diskussion um den Flächenfraß gewesen. Da falle eine klare Ansage schwer, eine Mobilisierung auch. Und so ergebe sich oft folgendes Phänomen: Während die SPD noch diskutiert, sprechen Vertreter anderer Parteien ihre Meinung schon in die Mikros. Die ist vielleicht nicht so ausgewogen, aber schneller in der Welt und im Ohr des Wählers.

Oder in dem von SPD-Mann Baumann. Egal wann er das Radio einschalte, meistens spreche Katharina Schulze von den Grünen, sagt er. Seine eigene Spitzenkandidatin Natascha Kohnen höre er selten. Und wenn, dann finde er zwar alles richtig, was sie sagt, nur nicht wie: ruhig und sachlich. "Ein Handelsvertreter würde rausfliegen, weil er so nichts verkauft." Mehr Biss, nicht aggressiv, aber hörbar, öfter in den Medien, das wünschen sich viele von Kohnen.

Warum etwa hat Natascha Kohnen nicht bei der großen Demo gegen die CSU in München gesprochen? Wieso tritt sie nicht mehr bei Großveranstaltungen auf, in Bierzelten, die doch zu Bayern gehören? Vor allem in München keimt bei aller Loyalität auch ein wenig Unverständnis.

Sie sei eben eine Teamplayerin, die auch andere reden lasse, sagt Kohnen. Wahlkampfgebrüll, das sei nicht ihr Stil. "Das habe ich von Anfang an gesagt." Und bei den Leuten komme das gut an. Gerade reist sie quer durch Bayern, eine Regionalzeitung nach der anderen berichte. "Da müssen wir auftauchen", nicht nur "in den großen Zeitungen Sachen loslassen".

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Von Frust spüre sie nichts, im Gegenteil. "Alle wissen, wie schwierig die Lage ist und genau deshalb gehen sie mit einer unglaublichen Geradlinigkeit in den Wahlkampf." Das sei es auch, was sie motiviere. Und die SPD-Oberbürgermeister, die sich zum ersten Mal voll in den Wahlkampf einbrächten. "Die sind zu allem bereit." All das empfinde sie als "fast schon magisch".

Auch Juso-Vorsitzende Stefanie Krammer kann die Klagen kaum verstehen. "Mit schlechten Umfragen können wir mittlerweile umgehen. Das steigert eher noch die Motivation." Außerdem sind da ja noch all die Neumitglieder. Allein 2018 gewann die Bayern-SPD mehr als 1000 neue Genossen dazu, die Austritte miteingerechnet. "Die sind eingetreten, weil sie wissen, wie schwierig die Lage ist und anpacken wollen", sagt sogar Bela Bach aus dem sorgenvollen München und lässt ein wenig Zuversicht zu.

Weit weg von der Hauptstadt scheint es davon genug zu geben. Wo er auch hinkomme, überall gute Stimmung, sagt Bernd Rützel, Bezirkschef von Unterfranken. Auch Kohnen komme gut an. Und trotzdem diese Umfragen. "Das macht mich verrückt." Ähnlich geht es Ruth Müller.

Gerade hat die Landtagsabgeordnete aus Niederbayern eine Mail von ihrem Ortsverein bekommen, Betreff: "Auf geht's zum Plakatieren". Zur SPD-Radltour letztens seien 30 Leute gekommen und das bei 38 Grad. Nein, von Umfragen will sie sich nicht runterziehen lassen. "Was sollen wir sonst auch machen? Den Wahlkampf einstellen, weil man zwölf Prozent auch ohne bekommt?" Das gehe doch auch nicht.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir Bela Bach fälschlicherweise als Bundestagsabgeordnete bezeichnet.

© SZ vom 10.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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