Die Woche in Bayern:Geklauter CSU-Slogan, 346 Seiten Wahlprogramm, (fast) chancenlose Parteien

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Was, wenn diese Typen für verschiedene Parteien stünden? Würden die sich dann auch so friedlich zuprosten? (Foto: Getty Images)

Was in der bayerischen Politik los war - ein Rückblick.

Von Sebastian Beck

Die Wahlkampfwoche in Bayern lässt sich im Wesentlichen so zusammenfassen, dass SPD und CSU sich gegenseitig Internet-Domains geklaut haben und danach ein bisschen übereinander herzogen sind. Deshalb blieb endlich mal Zeit, in der Bahn ein paar Wahlprogramme zu lesen. CSU, SPD, Grüne, Freie Wähler und AfD kommen zusammen auf 346 Seiten, was vier Pendeltagen oder acht Stunden entspricht. Das Erfreuliche dabei: Alle Parteien sind sich einig, dass mehr Schulsport und generell Bewegung an der frischen Luft wichtig sind. Das ist ja schon mal was.

Im Gehirn des Wahlprogrammlesers tauchen nach einigen Tagen der Lektüre aber seltsame Bilder auf, in denen die Parteien menschliche Gestalt annehmen: Die AfD beispielsweise wird von einem Frührenter verkörpert, der alleine in einer Wirtschaft sitzt und grantelt, weil die Halbe Bier nicht bis zum Eichstrich eingeschenkt wurde. Für die Grünen springt eine Abiturientin mit ihrem super Zeugnis durch den Neokortex des Wahlprogrammlesers. Sie hat jetzt ganz, ganz viele tolle Ideen und nervt damit alle. Den Frührentner widert jede Form von Optimismus an, er findet, dass auch das Bier immer schlechter wird. Die SPD ist eine männliche Neutralperson, so um die Vierzig. Sie redet wenig, hat viele Meetings, trägt Anzug und fällt nicht weiter auf. Die Freien Wähler entsprechen einem Ehepaar aus Niederbayern: Sie ist Hauswirtschaftsmeisterin, er Landrat und Mitglied in 26 Vereinen. Sie hat die vier Kinder und generell das Sagen. Ab und an muss sie ihm die Wadel viere richten, wie der Bayer sagt, damit er auf der Spur bleibt. München halten beide für sündhaft, weil es da LSBTIQ* gibt.

Ach so, die CSU: Sie hat kein Wahlprogramm, sondern nur zwanzig Seiten Regierungserklärung von Markus Söder vom April. Schließt man nach der Lektüre die Augen, steigt ein Bild von Söder im blauen Anzug auf, ein Hauch sportiv und jugendlich. Er sagt an alle anderen gerichtet: "Bayern ist stark. Bayern wird größer. Bayern ist solide. Bayern ist sicher." Möglicherweise hilft Ihnen all das bei der Wahlentscheidung noch nicht weiter. Deshalb sei hier noch kurz angemerkt, dass die Grünen den Begriff "Heimat" auf 107 Seiten nur zweimal verwenden, davon einmal im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Dafür setzen sie knapp 300-mal das Gender-Sternchen. Bei der AfD kommt 31-mal der Begriff "Islam" vor, und 48-mal "Deutschland". Die SPD hält mit ungefähr 132 Treffern den Rekord beim Wort "Staat", und in der Söder-Regierungserklärung kommt der Begriff "Leitkultur" 0-mal vor.

Wie passt das zusammen? Und was würde passieren, wenn man den Rentner, die Abiturientin, die Neutralperson, das Landratspaar und Söder in einen Raum sperrt? Alles ungelöste Fragen. Zum Glück sind es noch eineinhalb Monate bis zur Wahl.

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DAS KOMMT AUF UNS ZU

Der heiße Sommer fordert seinen Tribut, die Bauern klagen über die Trockenheit und über Ernteausfälle, nur die Winzer könnten profitieren von der Hitze. Am Montag beginnt offiziell die Weinlese, auch wenn die ersten Winzer schon längst angefangen haben, ihre Trauben zu ernten und auf einen besonders guten Jahrgang hoffen. Landwirtschaftsmininsterin Michaela Kaniber kommt am Montag in Weinfranken vorbei und pflückt fürs Foto bestimmt ein bisschen mit.

Es ist Ferienzeit, da machen die Minister, die gerade nicht im Urlaub sind, all jene Termine, für die sonst keine Zeit blieb. Verkehrsministerin Ilse Aigner weiht ein Fahrgastinformationssystem an einer S-Bahn-Station ein und Wirtschaftsminister Franz Pschierer gibt den Promi beim Stammtisch einer Fürther Landtagsabgeordneten.

Selbst CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer lässt sich wieder einmal sehen, er schaut zusammen mit Innenminister Joachim Herrmann bei der Grenzpolizei vorbei. Die erste Bilanz wird vermutlich positiv ausfallen, so viel Hellseherei sei erlaubt.

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