Landtagswahl:Veganer oder Separatisten? Bayern hat die Wahl

Bayerischer Landtag

Bei der Wahl des neuen Landtags können im Oktober 9,5 Millionen Menschen in Bayern ihre Stimme abgeben.

(Foto: Stephan Rumpf)

Insgesamt 18 Parteien treten im Oktober zur Landtagswahl an. Chancen, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen, haben nicht alle. Ein Überblick.

Von Johann Osel und Lisa Schnell

Sitzen ein paar Leute zusammen und kommen dazu noch ein paar Flaschen Wein oder Bier, dann dauert es oft nicht lange und das Politisieren beginnt. Oft geht es darum, was den Teilnehmern der Runde fehlt: Wer kümmert sich eigentlich um die Interessen der Alten oder der ganz Jungen? Und wer um die der Veganer oder um all jene, die mehr digital als analog leben?

Eigentlich, so die Conclusio eines solchen Abends, müsste da doch eine neue Partei her. Meistens bleibt es dabei, einige Male aber finden sich wirklich Bürger zusammen, die bei der nächsten Wahl ihr Glück versuchen wollen. Dazu allerdings braucht es neben dem Willen eine Menge an Formalitäten, die zuerst erfüllt werden müssen (siehe Kasten). Trotzdem ist selbst in Bayern, das auf den ersten Blick von der CSU dominiert zu sein scheint, die Parteienlandschaft recht vielfältig. 18 Parteien und Wählergruppen dürfen in gut zwei Monaten antreten, wenn es nach den Wahlausschüssen geht. Noch bis Montagabend konnte gegen die Entscheidung allerdings Beschwerde eingelegt werden. Ein Überblick, wer sich in Bayern 2018 zur Wahl des neuen Landtags stellt.

Da sind natürlich die Altbekannten: CSU, SPD, Grüne und Freie Wähler sitzen jetzt schon im Landtag. Ihnen fällt es nicht schwer, die Voraussetzungen für eine weitere Teilnahme zu erfüllen. Eine andere Partei allerdings, die in den Umfragen bei 13 Prozent liegt, hat erst mal die Hürden nehmen müssen. Gleich mehrmals mussten sich die Mitglieder der AfD beim letzten Landesparteitag in Nürnberg mahnende Worte vom Podium anhören. Tenor: "Nehmt das nicht auf die leichte Schulter, sammelt fleißiger!" Das war im Juni, zu der Zeit konnte die Partei nur in Unterfranken genug Unterstützerunterschriften vorweisen.

Zur Landtagswahl 2013 waren die Rechtspopulisten nicht angetreten, daher brauchten sie pro Bezirk eine bestimmte Anzahl von Bürgern, die den Wahlantritt per Unterschrift goutiert. Es wäre ja ein "Treppenwitz", sagte ein einflussreicher AfD-Mann beim Parteitag, "wenn ausgerechnet wir nicht in allen Bezirken antreten" - also die Partei, meinte er, die den größten Zuwachs in Umfragen hat und mit ihrem Hauptthema Asylpolitik die CSU zu einem Rechtsschwenk veranlasst hat. Nun steht fest: Die AfD ist überall zur Landtags- und Bezirkstagswahl zugelassen. Dem Vernehmen nach war die Unterstützersammlung mitunter etwas mühsam.

Eine Arbeit, die sich FDP und Linke sparen konnten, weil sie bei der Landtagswahl 2013 mehr als 1,25 Prozent der Stimmen auf sich vereinigten. Auch sie sind in ganz Bayern zugelassen. Schwieriger war es für Claudia Stamm, die bei den Grünen austrat und die neue Partei "mut" gründete. Diese soll all das sein, was die Grünen aus Sicht von Stamm einmal waren und jetzt nicht mehr sind: eine Partei, die ohne Kompromisse für soziale Gerechtigkeit, Frieden und eine humane Asylpolitik eintritt.

Stamm schaffte es, die notwendigen 8200 Unterschriften in ganz Bayern zusammen zu bekommen. "mut" hat knapp 400 Mitglieder und ist in allen Bezirken wählbar. Stamms Ziel ist es, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken. Das dürfte schwer werden, schmerzlich könnte ihre Kandidatur in dem neuen Stimmkreis München-Mitte für die Grünen trotzdem werden. Dort will deren Spitzenkandidat Ludwig Hartmann das erste Direktmandat für die Grünen holen und ist auf jede Stimme angewiesen.

Der Weg auf den Wahlzettel

Wer Demokratie wagen will, der muss die Gesetze studieren und viel Papierkram erledigen. Denn um in Bayern bei der Landtagswahl antreten zu dürfen, müssen eine Menge Formalitäten eingehalten werden. In der ersten Phase geht es für Parteien und Wählergruppen darum, den Landeswahlleiter über den Wunsch zu informieren, bei der nächsten Wahl mit dabei zu sein.

Das können sich alle sparen, die schon im Bundes- oder Landtag sitzen, in Bayern also etwa die FDP, die Linke oder die AfD. Alle anderen müssen spätestens 90 Tage vor dem Wahltermin ihren Namen beim Wahlleiter melden, wobei darauf zu achten ist, dass der wirklich neu ist, um Verwirrung beim Wähler zu vermeiden. Zudem muss allerhand eingereicht werden: die Unterschriften von drei Vorstandsmitgliedern des Landesverbands, die Satzung, das Programm und ein Nachweis, dass der Vorstand nach demokratischen Grundsätzen gewählt wurde. Macht der Landeswahlausschuss bei allem seinen Haken dran, ist die erste Hürde genommen.

Dieses Jahr schafften das 23 Parteien und Wählergruppen, acht von ihnen waren schon im Bundes- oder Landtag, 15 noch nicht. Die zweite Hürde meisterten nach dem Urteil der Wahlausschüsse nur noch 18 Parteien. Noch bis zum Montagabend konnten die Parteien Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen. Dabei geht es darum, welche Parteien das Recht haben, Wahlkreisvorschläge zu machen. Es ist nun bekannt, wer antreten will, aber noch nicht, wer es am Ende wirklich darf. Auch die zweite Runde ist an Bedingungen geknüpft. Hierbei geben alle Parteien an, wer für sie wo kandidieren soll mit Name, Anschrift, Stand und Beruf. Jeder der sieben Regierungsbezirke ist ein Wahlkreis, die wiederum in insgesamt 91 Stimmkreise aufgeteilt sind, je ein Stimmkreis pro Abgeordneter. 91 Abgeordnete werden mit der Erststimme im Stimmkreis gewählt, die übrigen mit der Zweitstimme auf Wahlkreislisten. Um überhaupt zugelassen zu werden, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein. Um in einem Wahlkreis antreten zu dürfen, muss eine Partei mindestens für einen Stimmkreis dort einen Kandidaten haben. Außerdem ist es die Zeit der großen Unterschriftensammlungen. Jede Partei, die neu antritt oder bei der letzten Wahl weniger als 1,25 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichte, muss sammeln gehen. Zugelassen ist eine Partei, wenn sie die Unterschriften von 0,1 Prozent aller Stimmberechtigten in dem Wahlkreis einreicht. In Oberbayern sind das etwa 2000 Unterschriften, in der Oberpfalz nur 850. Es kann damit auch vorkommen, dass eine Partei nur in bestimmten Bezirken zugelassen ist.

Rund 9,5 Millionen Menschen können am 14. Oktober ihre Stimme abgeben, 36 000 mehr als 2013. Eine knappe Mehrheit von ihnen ist weiblich, die meisten Wähler sind über 60 Jahre alt. 599 000 Personen dürfen zum ersten Mal wählen.nell

Zu den Großen unter den Kleinen gehören die Ökologisch-Demokratische Partei, die Piraten und die Bayernpartei - sie hatten 2013 jeweils um die zwei Prozent der Stimmen erzielt und sind somit in allen sieben Bezirken zugelassen. Die ÖDP betont im Wahlprogramm Klima- und Umweltschutz sowie "Wachstumskritik", aber auch den Kampf gegen Kriminalität. Nach ihrem Siegeszug in vielen Bundesländern sind die Piraten in keinem Landtag mehr vertreten. In Bayern halten ihre Leute aber derzeit gut 300 kommunale Mandate.

Das Wahlprogramm betont, "dass die digitale Revolution alle Lebensbereiche umfasst" und diese entsprechend zu gestalten seien. Unter dem Hashtag #NeustartBayern geht die Partei im Internet in die Wahl - das betrifft wohl nicht nur die digitale Thematik, sondern auch die Piraten selbst. "Bayern ist zu schön für Deutschland", lautet ein Motto der Bayernpartei. Zum Beispiel müsse in Bayern erwirtschaftetes Steuergeld konsequent der hiesigen Bevölkerung zugute kommen, Dialekt solle vom Kindergarten an gefördert werden.

"Die Partei" will Modelleisenbahnen besteuern, aber nur in Ingolstadt

Die Partei für Franken will dagegen vornehmlich Nordbayern stärken - "Wir fordern, die überproportionale Bevorzugung Oberbayerns, insbesondere des Großraums München, zu beseitigen." Sie tritt nur in zwei der drei fränkischen Bezirke an. Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei) ist überall außer in Niederbayern wählbar. Mit dem Satiriker Martin Sonneborn stellt sie einen Europa-Abgeordneten, satirisch sind auch viele Forderungen. Sie verspricht eine Abgabe auf Modelleisenbahnen in Ingolstadt, ein Seitenhieb auf den berüchtigten Hobbykeller von CSU-Chef Horst Seehofer - zur Finanzierung eines Transrapids zur Zugspitze.

Tief seriös tritt dagegen LKR an den Start: Liberal-Konservative Reformer mit dem Beinamen "Die Eurokritiker". Es ist eine Abspaltung von oder - anders gesehen - der Ursprungskern der AfD: also viele jener Leute um den Ökonomen Bernd Lucke, der 2015 im Machtkampf gegen Frauke Petry unterlag und die AfD verließ. Das Kernthema der Partei, die mit Vortragsabenden derzeit durch Bayern zieht und gern etwas professoral daherkommt, sind die Euro-Politik und die EU, aber auch die Asylpolitik - klar rechtskonservativ im Anliegen, im Ton jedoch gedimmt. Die LKR sind nur in Oberbayern und Schwaben für die Landtagswahl zugelassen.

Die Partei für Gesundheitsforschung tritt in Oberbayern, der Oberpfalz sowie in Ober- und Mittelfranken an. Sie will Politik machen, um die Entwicklung wirksamer Medizin gegen Alterskrankheiten wie Krebs, Alzheimer und Diabetes Typ 2 zu beschleunigen. Die Partei der Humanisten nennt sich "liberal, sozial und progressiv"; Kernthemen sind Bildung und Wissenschaft, die Trennung von Staat und Religion und allgemein die Freiheit des Individuums - dazu gehört laut Grundsatzprogramm auch eine "aufgeklärte Drogenpolitik", mit besserer Forschung zum Konsum psychoaktiver Substanzen und auch Legalisierungen mit einer "einheitlichen Drogensteuer". Dafür können sich aber nur oberbayerische Wähler entscheiden.

Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) ist in Oberbayern, Niederbayern und Unterfranken zur Landtagswahl zugelassen. Sie wehrt sich zum Beispiel gegen "lobbyismusgesteuerte Förderung der tierquälerischen Agrarindustrie" und fordert "ein schnelles Umdenken hin zu einer ethisch orientierten Wirtschaft"; dazu gehörten auch soziale Gerechtigkeit und "absolute Chancengleichheit im Bildungssystem". In allen Bezirken geschafft hat es die Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer, abgekürzt V-Partei³. Deren Vorsitzende beschreibt die Partei als "grün - nur heller". Etwa zehn Millionen Vegetarier in Deutschland ohne parlamentarische Vertretung, heißt es, seien geradezu eine Verpflichtung zur Parteigründung gewesen.

Einige Parteien, die laut Landeswahlausschuss zur Einreichung von Wahlvorschlägen berechtigt waren, haben es nicht geschafft und tauchen in der Liste der Zulassungen jetzt nicht auf. Darunter ist die Allianz Deutscher Demokraten, eine Partei für Einwanderer und gegen Rassismus und Diskriminierung. Sie zog wegen ihrer Nähe zur Partei AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan seit ihrer Gründung 2016 immer wieder Kritik auf sich.

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