Landgericht Nürnberg:Freisprüche im Prozess um krankes Flüchtlingskind

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Der kleine Leonardo mit seinen Eltern Jovica und Klaubdija. (Foto: dpa)
  • Im Berufungsprozess um ein schwer krankes Flüchtlingskind aus der Zirndorfer Aufnahmeeinrichtung sind nun alle drei Angeklagten freigesprochen worden.
  • Der kleine Leonardo wäre fast gestorben, als ein Bereitschaftsarzt seine Krankheit nicht erkannte und zwei Pförtner im Flüchtlingslager ihn zu Fuß zur nächsten Ärztin schickten.
  • Der Fall könne nicht mehr vollständig aufgeklärt werden, so die Begründung.

Von Katja Auer, Nürnberg

Im Berufungsprozess um den kleinen Leonardo, für den die Mitarbeiter des Flüchtlingslagers in Zirndorf keinen Notarzt riefen, obwohl er schwer krank war, sind alle drei Angeklagten freigesprochen worden. Damit hob das Landgericht Nürnberg ein Urteil des Amtsgerichts Fürth auf, das zwei Wachmänner vor gut einem Jahr wegen fahrlässiger Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt hatte. Die Männer an der Pforte seien "das kleinste Rad im Getriebe", sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass die Angeklagten die Erkrankung des Jungen erkannt und dennoch keinen Notarzt oder wenigstens ein Taxi gerufen hätten. Die Familie wurde zu Fuß zu einer etwa zwei Kilometer entfernten Kinderärztin geschickt. Die wies Leonardo sofort in die Klinik ein, wo eine Meningokokken-Infektion diagnostiziert wurde. Es war schon Gewebe abgestorben, Haut musste transplantiert, Glieder mussten amputiert werden.

Warum die Staatsanwaltschaft Berufung einlegte

Der Bereitschaftsarzt, der den Jungen in der Erstaufnahmeeinrichtung am Vorabend untersucht hatte, war in erster Instanz freigesprochen worden. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die nun eine Geldstrafe für den Mediziner gefordert hatte. Er hätte sicherstellen müssen, dass das Kind überwacht werde, sagte der Staatsanwalt.

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Dem widersprach der Richter. Es gelte der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Auch wenn es etwas vermessen sei, dass der Arzt behaupte, er brauche kein Fieberthermometer, sondern könne mit der Hand feststellen, wie hoch die Temperatur sei. Jedoch sei die Schwere der Krankheit am Vorabend noch nicht zu erkennen gewesen.

Wie es zum Freispruch kam

"Der Prozess krankte an einer Reihe von Widersprüchen, die nicht mehr aufzuklären sind", sagte der Richter. Glaubhaft sei die Aussage eines Zeugen, der Leonardos Vater am Morgen getroffen hatte, bevor er sein Kind zum Arzt gebracht hatte. Da sei der Mann noch nicht besonders aufgeregt gewesen, sagte der Zeuge. "Der Vater hat das Geschehen im Nachhinein dramatisiert", sagte der Richter.

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Man könne annehmen, dass den Eltern damals noch nicht klar gewesen sei, wie dramatisch die Erkrankung tatsächlich gewesen sei. In der Klinik waren die Eltern darauf vorbereitet worden, dass Leonardo sterben könnte. Er wurde gerade noch gerettet.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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