Sozialdemokraten:Der Wahlkampf der Bayern-SPD wirkt bisweilen absurd

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Die SPD in Bayern: Spitzenkandidat Florian Pronold, Generalsekretär Uli Grötsch und die stellvertretende Landesvorsitzende Johanna Uekermann (von links) zeigen sich beim Gillamoos volksnah. (Foto: Bayern-SPD/oh)
  • Florian Pronold ist der Spitzenkandidat der Bayern-SPD, doch der frühere Landesvorsitzende bleibt im Wahlkampf blass.
  • Johanna Uekermann ist Bundesvorsitzende der Jusos und als stellvertretende SPD-Landeschefin viel präsenter - doch sie tritt von Platz 26 der Landesliste an.
  • Manches Mitglied der Partei bezeichnet diese Konstellation als "Schieflage".

Von Lisa Schnell, Landau an der Isar

Es ist kurz nach neun, die SPD wird in großen Buchstaben aus der Landauer Stadthalle getragen, in falscher Reihenfolge, SDP, aber das ist jetzt egal. Die Veranstaltung ist vorbei. In kleinen Grüppchen geben die Besucher eine Kurzkritik. Toll, der Sigmar Gabriel. Reden kann der. Und witzig ist er auch. Aber der Außenminister steht in Bayern für die SPD ja leider nicht zur Wahl.

Wer war da noch? Drei Frauen und ein Mann aus Bayern standen auf der Bühne. Die eine, die junge mit den langen braunen Haaren - Uekermann? - die sei gut gewesen. So richtig mit Herzblut dabei. Die anderen? Eher blass. Und Florian Pronold, der Mann, immerhin SPD-Spitzenkandidat in Bayern? "Der hat doch bloß die einleitenden Worte gesagt."

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Bei diesem Wahlkampf kann man schon mal durcheinander kommen. Da ist Florian Pronold, 44. Er ist Spitzenkandidat, Parlamentarischer Staatssekretär, früherer Landesvorsitzender, und wird als erster aus Bayern für die SPD in den Bundestag einziehen. Ein Spitzenkandidat soll theoretisch Zugpferd sein, Medienmagnet. Theoretisch. In der Praxis gilt Pronold vielen als der unsichtbare Kandidat, "kaum wahrnehmbar".

Und dann gibt es Johanna Uekermann, 30. Sie ist Bundesvorsitzende der Jusos, stellvertretende SPD-Landeschefin. Was sie so macht, kriegen schon mehr Leute mit. Sie bewirbt sich von Platz 26 der Landesliste. Damit sie es in den Bundestag schafft, braucht es ein mittelgroßes Wunder: um die 26 Prozent für die SPD.

Manche sagen, ob der SPD-Spitzenkandidat nun so richtig einschlage oder nicht, mache eh keinen großen Unterschied. Andere bezeichnen die Konstellation aber durchaus als "Schieflage", wie es ein Mitglied tut. Wer für sie verantwortlich ist, da zeigt der eine in der Partei auf den anderen. Hier nur die Fakten: Noch im Dezember 2016 wählte die Partei Florian Pronold mit 89 Prozent zu ihrem Spitzenkandidaten, ein gutes Ergebnis.

Pronold bleibt im Schatten

Ein paar Monate später drängte sie den gleichen Mann aus dem Amt des Landesvorsitzenden, heftete ihm das Etikett der alten Bayern-SPD an und feierte den "Neuanfang". Uekermann erlebte das gleiche, nur andersherum: Auf dem einen Parteitag wurde sie auf der Bundestagsliste ganz hinten platziert, auf dem nächsten zur Vize-Chefin gekürt. Das ergibt einen Wahlkampf mit einer hoffnungslosen Hoffnungsträgerin und einem Zugpferd, das nicht mehr so richtig zieht.

Große Martin-Schulz-Festspiele in München. Vor den Martin-Martin-Rufen gehört der Bayern-SPD die Bühne. Als erstes wippt zum Mikrofon: Landeschefin Natascha Kohnen. Als zweites die bayerische Juso-Vorsitzende. Dann erst kommt Pronold. Der Moderator will ihn zwischen den Damen platzieren, Pronold winkt ab. Er stellt sich ein wenig abseits. Später sagt Schulz, er sei hier, um seine Partei im Wahlkampf zu unterstützen. Er nennt jeden Münchner Kandidaten namentlich, dankt Kohnen mehrmals. Pronolds Name vernimmt der aufmerksame Zuhörer nicht.

"Alles in der Partei wird jetzt auf Kohnen zugeschnitten, da ist es nicht leicht für den Florian", sagt ein Mitglied. Früher stand der als Landesvorsitzender im Mittelpunkt, jetzt steht er an einem Infostand in Niederbayern. Stört ihn das nicht? Pronold sitzt in Plattling beim Italiener vor ein paar roten Garnelen. Natürlich bekomme er nicht mehr die gleiche mediale Aufmerksamkeit, sagt er. Zu seinem Rückzug aber habe es keine Alternative gegeben. "Die Bayern-SPD brauchte frischen Wind, und den hätte ich nicht mehr verkörpern können", sagt Pronold.

An Bekanntheit aber habe er nicht eingebüßt. Zu seinen Veranstaltungen kämen genauso viele Leute wie früher. Nein, unsichtbar fühlt sich Pronold nicht, vielleicht ein wenig erleichtert. Jahrelang war er das Gesicht für die schlechten Umfragewerte der Bayern-SPD. Jetzt ist er noch der Staatssekretär im Bauministerium, der am Kabinettstisch in Berlin eine Verdreifachung der Mittel für sozialen Wohnungsbau ausgehandelt hat. Angenehmer, oder? Mit der Bayern-SPD in Verbindung gebracht zu werden, sehe er natürlich nicht als Bürde, sagt Pronold. Das ständige Rechtfertigen der Umfragezahlen vermisse er aber nicht.

Was Pronold an Aufmerksamkeit verloren hat, hat Johanna Uekermann gewonnen. Ihrer Rolle haftet ein Hauch des Absurden an. Da fährt sie zu anderen Kandidaten, um sie mit ihrer Prominenz als Vize zu unterstützen. Dabei hat sie selbst kaum Chancen, in den Bundestag einzuziehen. Uekermann gibt sich trotzdem optimistisch und versucht, so viel wie möglich in ihrem Wahlkreis Straubing präsent zu sein. Auch wenn es sie fast zerreißt.

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Neben ihrer Aufgabe als stellvertretende Landesvorsitzende organisiert sie den Wahlkampf der Jusos im Bund. Die seien hoch motiviert, weil sie viele ihrer Forderungen, etwa die faire Bezahlung von Azubis, im Wahlprogramm durchgeboxt hätten, sagt Uekermann. Selbst die bayerischen Jusos seien mit dem Herzen dabei. Auch wenn das nicht gerade für Pronold schlägt, den die Jusos für die schlechte Positionierung von Uekermann verantwortlich machen.

Sie selbst sagt: "Irgendwann muss man mit sich ins Reine kommen." Jetzt müsse man kämpfen. Ähnlich klingen die Bundestagsabgeordneten Christian Flisek oder Carsten Träger, die trotz ihrer Position als Bezirkschefs von Niederbayern und Mittelfranken auf unsicheren Plätzen sind.

Wahlkampfzeiten sind keine Jammerzeiten, in denen der alte Zwist wiederbelebt wird. Ein paar Tage vor der Wahl sucht selbst die Bayern-SPD ihre Kontrahenten im gegnerischen politschen Lager. Doch in allen Umfragen liegt die Union weit vor der SPD. An den Infoständen aber, versichern die Kandidaten, werde die SPD positiv gesehen. Wahlkampfstimmung komme aber kaum auf. Statt einem leidenschaftlichen "Wir brauchen mehr Gerechtigkeit" höre man eher "Ihr schafft das schon", sagt ein Mitglied.

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Das könnte am TV-Duell liegen, bei dem SPD-Themen kaum vorkamen, und Merkel und Schulz recht einig wirkten. Andere meinen, statt eines Blumenstraußes an Themen, die Schulz ohne Zweifel rhetorisch brillant und leidenschaftlich vorbringe, hätte sich die SPD auf wenige konzentrieren sollen.

Vor allem in den Grenzregionen Bayerns sei etwa die Zuwanderung ein Wahlkampfthema. Eines, auf das die SPD mit ihrem Konzept für ein modernes Einwanderungsgesetz Antworten habe. Darüber müsse allerdings geredet werden, wenn die Wähler nicht bei der AfD landen sollten. Die macht einigen Sorgen. Noch nie habe es im Wahlkampf so viel Hetze und Hass gegeben, berichten viele.

Auf Umfragen gibt Pronold nichts, sagt er

Und was sagt Florian Pronold, der ja schließlich Spitzenkandidat ist? Die Auftritte von Schulz seien gelungen, die Themen richtig gesetzt. Auf Umfragen gebe er nichts. Schulz habe in den Fernsehauftritten seine Bürgernähe bewiesen und einen Stimmungswandel bewirkt. Es sei nur die Frage, ob die SPD den auch in Stimmen umsetzen könne. Das Ziel sei es, in Bayern mindestens wieder 20 Prozent zu holen wie 2013. In Berlin will Pronold im Bereich Bauen weiter gestalten. Das ginge derzeit wohl nur in einer großen Koalition, die in der Partei alles andere als beliebt ist.

Uekermann wird es wohl nicht nach Berlin schaffen. Vielleicht probiert sie es in vier Jahren noch einmal. Als stellvertretende Landesvorsitzende müssten ihre Chancen auf einen guten Platz gestiegen sein. Aber bei der Bayern-SPD weiß man ja nie.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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