Kultur:Die bewegte Geschichte des Bierkrugs

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Bei einer Ausgrabung in Peterskirchen kamen Produktionsabfälle zum Vorschein, die einen einzigartigen Einblick in das Formenspektrum der frühen Herstellung von Steinzeug in Altbayern ermöglichen. (Foto: Kastenhof Landau)

Am besten schmeckt das Bier aus einem Krug aus Steinzeug. Einst wurden Töpfer, die solche Gefäße herstellen konnten, umworben und nach Bayern gelockt. Eine Ausstellung in Landau zeigt Urtypen des steinernen Masskrugs.

Von Hans Kratzer, Landau

Dass die im Rottal gelegene Ortschaft Peterskirchen einst als Vogelnirscherldorf bekannt war, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Der seltsame Name rührte von daher, dass dort viele Töpfereiprodukte hergestellt wurden, darunter auch sogenannte Vogelnirscherl (Futternäpfe für Vögel).

Menschen, die sich für Archäologie und Geschichte interessieren, sind im Rottal reich vorhanden, was wiederum bedingt, dass fast jede Baugrube mit wachen Augen inspiziert wird. So geschah es auch bei einem Aushub im Ortszentrum von Peterskirchen. Sofort setzten sich Mitglieder des Förderkreises Niederbayerisches Archäologiemuseum in Bewegung und sicherten bei ehrenamtlichen Grabungen keramische Relikte sowie die Überreste eines alten Steinzeugtöpferofens.

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Steinzeug ist eine Keramikart, die vor allem durch die steinernen Bierkrüge auf den Volksfesten bekannt ist. "Die Geschichte dieser Gefäße reicht in Bayern aber bis ins 18. Jahrhundert zurück", sagt die Archäologin und Museumspädagogin Anja Hobmaier, die im Museum in Landau an der Isar gerade eine Ausstellung über den Beginn und den Aufstieg der Steinzeugtöpferei in Bayern kuratiert.

Sicher ist, dass in Bayern schon lange vor der Produktion in Peterskirchen Steinzeug benützt wurde. Beispielsweise Flaschen mit Heilwasser aus Mineralbrunnen sowie hochpreisige Trink- und Schankgefäße, die auf Märkten feilgeboten wurden.

Archivalien belegen eine interessante Entwicklung. Demnach wanderten um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Peterskirchen Töpferfamilien aus dem Westerwald ein, aus einer Gegend, die auch das Kannenbäckerland genannt wurde. Es handelte sich um hochspezialisierte Handwerker. "Die große Distanz zwischen der Herkunftsregion und Niederbayern wurde sicher nicht ohne Vermittlung vor Ort ausgeführt", sagt Hobmaier. Der damalige Graf Maximilian Franz von Tattenbach, zu dessen Besitz Peterskirchen gehörte, hatte auch in der Rheingegend zu tun. Den dortigen Steinzeugtöpfern könnte er eine Probe des Peterskirchener Tons zur Prüfung mitgebracht haben, vermutet Hobmaier. Dahinter steckte wohl die Absicht, für seine Ländereien einen neuen Wirtschaftszweig anzuwerben.

"Die Rechnung ging auf", sagt Hobmaier. Gut 50 Jahre lang hatten die Peterskirchener Steinzeugtöpfer das Monopol für die Produktion in Bayern südlich der Donau inne. Die Westerwälder Familien gliederten sich schnell durch Heiraten und Patenschaften in Peterskirchen ein und erwirtschafteten in kürzester Zeit großes Vermögen. Zwei notarielle Urkunden bezeugen, dass einer der Töpfer Summen verliehen hat, die dem Wert mehrerer Stadthäuser entsprachen.

Der Reichtum fand ein jähes Ende, als im 19. Jahrhundert die Zollgrenzen fielen, die den Import von Steinzeug überaus teuer gemacht hatten, weshalb die Peterskirchener Töpfer konkurrenzlos arbeiten konnten. Eisenbahnen transportierten jetzt große Mengen billigen Steinzeugs aus anderen Regionen herbei und schnürten den Peterskirchener Familienbetrieben damit die Luft zum wirtschaftlichen Überleben ab.

Die Ausgrabung zeigte, dass um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Peterskirchen bereits Steinzeug mit blauer Bemalung hergestellt wurde. Bisher waren überwiegend Objekte aus der Spätzeit bekannt, die in der Regel braun sind. (Foto: Kastenhof Landau)

In bayerischen Festzelten kommen die grauen steinernen Bierkrüge heute noch zum Einsatz. Nach allgemeinem Urteil schmeckt das Bier daraus doppelt so gut, und das hat seinen guten Grund. Nicht nur, dass für Steinzeug ein spezieller Ton verwendet wird, er wird auch bei sehr hohen Temperaturen gebrannt. Durch die Hitze verschmelzen die Partikel des Tons und werden dadurch dicht und wasserabweisend. Bekannt ist vor allem die graue Ware mit blauer Bemalung sowie die dunkel-rotbraune, wie sie in Peterskirchen produziert wurde.

Blick in die Steinzeug-Ausstellung im Museum Kastenhof Landau. (Foto: Kastenhof Landau)

In der Ausstellung wird deutlich, dass in Deutschland schon seit Langem walzenförmige Bierkrüge produziert und nach Bayern importiert wurden. Die Steinzeugtöpfer in Peterskirchen stellten diese Stücke erstmals auch südlich der Donau her. "Peterskirchen kann also als Wiege der in Altbayern produzierten steinernen Bierkrüge gelten", sagt Frau Hobmaier.

Irdene Bierkrüge, die bei niedrigeren Temperaturen gebrannt wurden, gab es schon viel länger. Diese weisen gegenüber dem Steinzeug allerdings einige Nachteile auf, etwa die erhöhte Wasserdurchlässigkeit, eine schlechtere Kühleigenschaft sowie schnellere Abnutzung. Daher konnte sich der Steinzeug-Bierkrug auf den Volksfesten durchsetzen.

Den Ursprung des Masskrugs verorten manche Experten in Keferloh bei München, schließlich steht der Begriff "Keferloher" seit jeher für einen Steinzeug-Masskrug ohne Deckel. Siegfried Rübensaal, der wohl die größte Steinzeug-Bierkrugsammlung der Welt besitzt, fand in Keferloh tatsächlich Tonscherben, die diese These stützen. Sie weisen aber darauf hin, dass die aus diesem Material gefertigten Krüge porös waren, überdies enthielt die Glasur Blei. Der frühe Keferloher war demnach kein Steinzeugkrug.

Was den Deckel auf dem Bierkrug betrifft, so war dieser laut Rübensaal ein Statussymbol. Den Deckel ließ man individuell vom Zinngießer gestalten. Mit den Bierzelten kam ein Problem auf: Der Deckel war nämlich erheblich teurer als der Krug. Und er hielt viel länger her. Ging ein Krug zu Bruch, musste der Deckel neu montiert werden. Der Kommerzienrat Georg Pschorr führte dann um 1880 herum unter dem Traditionsnamen Keferloher mit größtem Erfolg den deckellosen Krug ein.

"Steinzeug! Von Kannenbäckern und altbayerischen Bierkrügen". Kastenhof Landau. Museum für Steinzeit und Gegenwart, bis 5. März. Mittwoch bis Sonntag 10-13 Uhr und 14-17 Uhr.

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