Kommunalwahlen in Bayern:Wählen gehen - trotzdem!

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Ein Mann in einer Wahlkabine in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Inmitten der Corona-Krise können die Bayern zeigen: Die deutsche Demokratie lebt. In den Städten und Gemeinden geht es um sehr viel mehr als nur Halteverbote und Bordsteinabsenkungen.

Kommentar von Dominik Hutter

Es mag ein wenig absurd erscheinen: Gerade jetzt, da das ganze Land coronabedingt in eine Auszeit geht, findet in Bayern eine Kommunalwahl statt. Ist das überhaupt zu verantworten? Das fragen Wähler wie Wahlhelfer, darüber diskutieren längst Krisenstäbe. Der aktuelle Stand ist: Ja, die Behörden finden, dass es verantwortbar ist. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betont, es seien alle Vorkehrungen getroffen. Der Münchner Wahlleiter vergleicht das Ansteckungsrisiko beim Wählen mit dem Einkaufen im Supermarkt oder dem Fahren mit der U-Bahn. Und wenn die Wahl schon stattfindet, dann sollten die Bürgerinnen und Bürger auch hingehen und abstimmen.

Kommunalwahlen haben zu Unrecht den Ruf, etwas piefig zu sein. In München sind bei der Kommunalwahl im Jahr 2014 nur 42 Prozent der Wähler an die Urnen gegangen. 42 Prozent - zu einer Wahl, bei der sich für immerhin sechs Jahre entscheidet, wie die unmittelbare Umgebung politisch ausgestaltet wird. Irgendwann wird eine solche Verweigerungshaltung auch demokratietheoretisch zum Problem. Wie groß ist die Legitimation von Politikern, die nur von einem Bruchteil der Bevölkerung gewählt wurden, dennoch aber für deren Gesamtheit Entscheidungen treffen sollen?

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Kommentar von Dominik Hutter

Allein dieser Aspekt sollte Grund genug sein, am Sonntag trotz Corona nicht zu Hause zu bleiben. Demokratie lebt vom Mitmachen, von breiter Akzeptanz politischer Entscheidungen. Und: Auf kommunaler Ebene geht es eben nicht um Halteverbote und Bordsteinabsenkungen, darüber entscheidet die Verwaltung zumeist in Eigenregie. Es geht um Stadtplanung, um neue Wohngebiete und die Zusammensetzung von deren Bevölkerung. Es geht um kommunale Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bibliotheken, Theater, Konzertsäle, Kindertagesstätten und Sportplätze.

Größere Städte wie München betreiben eigene Schulen, Altenheime, Kliniken oder Volkshochschulen und besitzen eigene Energieversorger. In den Kommunalparlamenten wird bestimmt, ob neue Buslinien, Trambahnen oder U-Bahnen fahren. Es geht um die Grundsatzfrage, wie viel Platz auf den Straßen für den Fahrradverkehr und wie viel für Autos oder den Nahverkehr reserviert wird. Das ist auch eines der beherrschenden Themen im Wahlkampf in München gewesen, wo Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gegen die Kandidatinnen Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU) sein Amt verteidigen will.

Mit ihren Kreuzen auf dem Wahlzettel entscheiden die Bürger nicht zuletzt auch über die Grundstimmung ihres Wohnorts: Wie weltoffen soll die Kommune sein? Ist sie aufgeschlossen gegenüber anderen Nationalitäten und Lebensformen, wie intensiv wird Integration gefördert? Angesichts immer größeren Zulaufs für rechtspopulistische Gruppierungen, für Blender mit vermeintlich einfachen Lösungen ist die Gefahr groß, dass die Stimmung in den Kommunalparlamenten und damit irgendwann in der gesamten Gemeinde kippt. Wer nicht zur Wahl geht, stärkt die radikalen Ränder. Denn die eingeschworenen Gruppen tun sich leichter, Anhänger zu mobilisieren.

Inmitten der Corona-Krise können die Bayern an diesem Sonntag ein Zeichen setzen: Die deutsche Demokratie lebt.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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