Kommunalwahl in München:Wahlkampf-Finale mit Hindernissen

Kommunalwahl in München: Robert Habeck und Katrin Habenschaden mussten ihre geplante Veranstaltung auf dem Marienplatz absagen.

Robert Habeck und Katrin Habenschaden mussten ihre geplante Veranstaltung auf dem Marienplatz absagen.

(Foto: Catherina Hess)

Das Coronavirus durchkreuzt die Pläne: Aus einer Großveranstaltung der Grünen wird eine Fragestunde auf dem Sofa - und auch die Konkurrenz verzichtet auf größere Aktionen. Sogar auf die obligatorischen Wahlpartys.

Von Anna Hoben und Dominik Hutter

"Sag alles ab", sang einst die Hamburger Band Tocotronic - ein Motto, das sich nun auch die Wahlkämpfer in München angeeignet haben. Bis auf kleinere Restbestände fällt diesmal das große Finale vor dem Wahlsonntag aus. Robert Habeck am Mittwoch auf dem Marienplatz? Abgesagt. Dieter Reiter am Freitag auf dem Marienplatz? Gecancelt. Und wer zu Hause gerne Besuch von Stadtrats- oder Bezirksausschusskandidaten erhält, wird ebenfalls enttäuscht. Auch der Haustürwahlkampf diverser Parteien wird mit sofortiger Wirkung abgeblasen. Bitte selbst informieren, wer ein Kreuzerl auf dem Wahlzettel verdient hat.

Ganz auf Wahlkampf verzichten wollen zumindest die Grünen vier Tage vor der Wahl dann aber doch nicht - vor allem nicht auf Schützenhilfe von ihrem Bundesvorsitzenden Robert Habeck. Der steigt am Mittwochmittag um 13 Uhr in der Corneliusstraße beim Gärtnerplatz aus einem Taxi und überquert die Straße. Hier, in einem Ladenlokal, das sonst eine Galerie ist, haben die Grünen vor einer knappen Woche ihre Wahlkampfzentrale eingerichtet.

Die Atmosphäre erinnert an einen Coworking-Space, an den Wänden hängen neben der Kunst nun auch Wahlplakate - und ein Blatt, auf dem steht: "Anstrengender Tag? Nimm dir hier eine Portion gute Laune". Letztere besteht aus einem Stück Luftpolsterfolie, die man in den Händen zerdrücken kann - der Knallerbseneffekt macht ja immer noch so viel Spaß wie damals als Kind. Die Grünen, so viel ist sicher, wollen auch in Zeiten von Corona ihren Ruf als Partei der guten Laune nicht unnötig aufgeben.

Wie Habeck der grünen Stadtvorsitzenden Gülseren Demirel ohne Händeschütteln guten Tag sagt, könnte als humorvolle Studie zum Grüßen in diesen Ausnahmetagen durchgehen (leichte Verbeugung, Stups mit dem Ellbogen). Kurz darauf aber steht er sehr ernst vor einer Fernsehkamera und spricht über den veränderten Wahlkampf. Schutz und Prävention gingen vor, die Absage von Veranstaltungen im Endspurt sei insofern keine Abwägungssache gewesen.

Traditionell sei der Wahlkampf stark auf eine Mobilisierung am Ende ausgerichtet, weil die Menschen sich immer später entschieden. Mit der neuen Situation gehe man dennoch gelassen um. "Es würde mich wundern, wenn wir am Sonntag traurig aus der Wäsche schauen." Warum die Münchner für Katrin Habenschaden stimmen sollen? Sie habe diese "besondere Kombination aus Erfahrung und Frische", wirbt Habeck.

Sie weichen jetzt eben auf andere Kanäle aus oder, wie Katrin Habenschaden sagt, "wir gleisen in einen Online-Wahlkampf ein". Erst am Morgen hat sie auf Facebook ein Video mit den Musikern der Band Annen May Kantereit gepostet, die ihre Kandidatur unterstützen. Gleich will sie zusammen mit Robert Habeck live in den sozialen Netzwerken Fragen beantworten.

Vorige Woche hatte Habenschaden ihr Programm für die ersten 100 Tage ihrer Amtszeit vorgestellt, sollte sie zur Oberbürgermeisterin gewählt werden - und dabei mit Unterstützung der Parteispitze auf Angriff gegen Amtsinhaber Dieter Reiter geschaltet. Er gebe sich gern "hemdsärmlig", habe aber in den vergangenen sechs Jahren "deutliche Führungsschwächen" bewiesen, attackierte die Münchner Grünen-Chefin Gülseren Demirel den OB. Für viele Probleme, die München beschäftigen, lägen zwar Konzepte bereit, doch es werde nicht mit der Umsetzung begonnen. Zu oft habe die SPD vor der CSU und vor Debatten in den Stadtvierteln "gekuscht".

Damit die Verkehrswende gelingt, will Habenschaden eine "Taskforce Busspuren" einrichten und mit der Umsetzung eines großen Trambahnausbau-Pakets starten. Sie will einen konkreten Fahrplan zum Erreichen der Ziele für alle Referate in Auftrag geben, angelehnt an den Plan, mit dem Kopenhagen seine Ziele umsetzt. Es brauche einen Klimaschutzmanager und alle zwei Jahre einen Klimareport. Sofort umsetzen will Habenschaden ihren Plan für verpflichtende Photovoltaik-Anlagen auf allen städtischen Neubauten und eine Sanierungsoffensive.

Neben einer Reform der sozialgerechten Bodennutzung möchte sie eine dritte städtische Wohnungsbaugesellschaft gründen, die Impulse von progressiven Genossenschaften aufgreifen soll. Mit einer App für Bürgerfragen will sie die Kommunikation verbessern. Das mit dem virtuellen Gespräch probiert sie einfach jetzt schon mal aus. In der Wahlkampfzentrale im Gärtnerplatzviertel setzen sich Katrin Habenschaden und Robert Habeck auf ein hippes, grünes Chesterfield-Sofa, vor ihnen auf dem Tisch ein Laptop, daneben dekorativ das Lastenfahrrad der Kandidatin. Erste Frage, Kamera läuft.

Der OB verbringt viele Stunden im Krisenstab

Der politische Schaden durch die Absagen der analogen Veranstaltungen dürfte sich für alle Parteien in Grenzen halten. Das Coronavirus killt ja nur die allerletzten Tage des Wahlkampfes - mehrere Wochen lang gab es keinerlei Einschränkungen. Auch ohne den Totalstopp wäre zumindest das Werbeprogramm des Oberbürgermeisters stark eingeschränkt gewesen. Denn Dieter Reiter verbringt inzwischen viele Stunden im städtischen Krisenstab Coronavirus.

Kommunalwahl in München: So hat die SPD am Wochenende in der Münchner Fußgängerzone Präsenz gezeigt.

So hat die SPD am Wochenende in der Münchner Fußgängerzone Präsenz gezeigt.

(Foto: Georg Fleischer)

Die für Samstag geplanten große Stadtvierteltour, von SPD-Infostand zu SPD-Infostand, war daher schon zuvor abgesagt worden. Dringende Amtsgeschäfte gehen vor, lautet die Botschaft. Immerhin muss sich Reiter nun keine Gedanken mehr machen, ob der St. Patrick's Day in seinen Terminkalender passt, die am Wochenende geplante Fete zum irischen Nationalfeiertag ist ebenfalls gestrichen.

Die CSU hat ihr Wahlkampfprogramm ohnehin im Großen und Ganzen durch. Gestrichen ist eine interne Mobilisierungsveranstaltung für die Schlussphase des Wahlkampfs, die im "Freiheiz" an der Donnersbergerbrücke angesetzt war. Einige Parteien machen allerdings wacker weiter, vorerst zumindest. Die ÖDP hat ihre Wahlparty am Sonntag im Stemmerhof bislang nicht abgesagt, und auch "Mut" plant weiter mit seiner Abschlussveranstaltung.

Markus Blume , Kristina Frank , Markus Söder / Stadtgespräch Mit Markus Söder und der Bürgermeisterkandidatin der CSU K

Markus Söder und Kristina Frank plauderten Anfang März noch vor vollen Rängen im Kinosaal.

(Foto: imago images/Overstreet)

Ansonsten aber werden am Sonntagabend zahlreiche Säle leer stehen: das Oberanger-Theater, in dem die SPD feiern wollte, das "Schloss", das Schauplatz der Grünen-Fete sein sollte, und das Parkcafé, das die CSU angemietet hatte. Am Mittwoch sagte dann noch die FDP ihre Wahlparty im Hackerhaus ab. Die Folge der Stornierungswelle könnte ein Wahlabend wie anno dazumal sein.

Einst, bevor das Internet die Übertragung des aktuellen Auszählungsstands in jedes Wohnzimmer und auf jede Wahlparty ermöglichte, drängelten sich die Kandidaten im Kreisverwaltungsreferat vor den Bildschirmen. Dort gab es stets die neuesten Zahlen, das muss schon sein. Das Geschehen hat sich inzwischen jedoch dezentralisiert, auf die Wahlpartys vor allem. Das KVR ist bei Wahlen längst nicht mehr das politische Zentrum Münchens. Außer diesmal. Mangels anderer Gelegenheiten, adäquat in die Öffentlichkeit zu gelangen, wird es wohl wieder ein großes Schaulaufen in den Fluchten des KVR geben. Eine Absage auch dieser Veranstaltung, die für Politiker und Journalisten reserviert ist, ist bislang nicht geplant.

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