Regensburg:Wie Wolbergs seine Wiederwahl vorbereitet

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Joachim Wolbergs war am Mittwochabend besserer Laune als zuletzt im Gerichtssaal. Er will wieder bei der Kommunalwahl antreten. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Regensburgs suspendierter Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat einen Verein gegründet, mit dem er bei der Kommunalwahl 2020 antreten möchte.
  • Die Gruppierung mit 70 Gründungsmitgliedern trägt den Namen "Brücke".
  • Vom Urteil im Korruptionsprozess gegen Wolbergs hängt jedoch ab, ob der bisherige SPD-Politiker überhaupt bei der nächsten Wahl antreten darf.

Von Andreas Glas, Regensburg

Das Fenster zum Hof steht offen. Um 21.01 Uhr dringt Applaus durch dieses Fenster im ersten Stock des Regensburger Kolpinghauses. Es ist der Moment, als eine Männerstimme die Zahl der Gründungsmitglieder bekannt gibt: 70. Dann ist eine zweite Stimme zu hören. "Ich habe damit nicht gerechnet", ruft Joachim Wolbergs in den Saal. Er hört sich glücklich an. Und sieht auch glücklich aus, als er gegen 22.30 Uhr vor die Reporter tritt, die unten im Foyer auf ihn warten. Er sagt: "Ich fand es sehr prima."

Man hat ihn lange nicht mehr so gesehen, Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister. So gelöst, so aufgeräumt. Er schwitzt, die Ärmel seines Hemds sind hochgekrempelt. "Total interessante Leute", sagt Wolbergs über jene 70 Menschen, die er für seinen Verein namens "Brücke" gewinnen konnte. Ob damit sein Wahlkampf begonnen habe, will ein Reporter wissen. "Das ist doch kein Wahlkampf", sagt der OB. "Ich will einfach mit Menschen, die Lust haben, sich in der Stadt zu engagieren, etwas tun. Ganz einfach, das ist alles."

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Der suspendierte OB will bei der Kommunalwahl 2020 erneut kandidieren, allerdings nicht für die SPD. Dort fürchten manche eine Spaltung der Partei.

Von Andreas Glas

Alles ganz einfach? Nun ja. Was am Mittwochabend im Kolpinghaus geschieht, ist ziemlich einmalig. Ein suspendierter OB, der unter Korruptionsverdacht steht, bereitet seine Wiederwahl vor - obwohl der Gerichtsprozess gegen ihn noch läuft und ein Urteil frühestens Ende Juni fallen soll. Gerade erst hat Wolbergs den Bruch mit der SPD bekanntgebeben, schon ist er Vorsitzender seiner eigenen Liste. Mit dieser Liste will er bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2020 antreten.

Als "Fanclub" hatte SPD-Unterbezirkschef Sebastian Koch die Menschen verspottet, die sich nun in einer Wählervereinigung um Wolbergs geschart haben. Dazu sprach Koch von einem "unreflektierten Personenkult". Scharfe Worte, die wohl auch an jene SPD-Mitglieder gerichtet waren, die weiterhin loyal zum suspendierten OB stehen. Davon gibt es ja gar nicht so wenige in der SPD. In der Partei herrschte zuletzt die Sorge, dass gleich mehrere SPD-Stadträte zum neuen Wolbergs-Verein überlaufen könnten.

Zu den potenziellen Überläufern in der SPD-Stadtratsfraktion gehören Hans Holler, Thomas Thurow, Ernst Zierer und Michael Staab. Am Mittwoch, kurz nach 21 Uhr, stehen die vier Männer im Hinterhof des Kolpinghauses, eingehüllt in Zigarettenqualm. Bis gerade eben waren sie oben, im ersten Stock, wo Joachim Wolbergs für seinen Verein geworben hat, vor etwa 100 Interessierten. Holler, Thurow, Zierer und Staab gehören zu jenen rund 30 Zuhörern, die zunächst keinen Mitgliedsvertrag unterschrieben haben und den Saal deswegen wieder verlassen mussten. "Wir reflektieren noch", sagt Staab. Auch Holler sagt, dass er Bedenkzeit braucht. Er lässt durchblicken, dass er das Urteil im Korruptionsprozess abwarten möchte.

Vom Urteil hängt ja ab, ob Wolbergs am Ende tatsächlich als OB-Kandidat der "Brücke" antritt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit vor, das Landgericht hat die Anklage auf Vorteilsannahme herabgestuft. Außerdem steht eine Verurteilung wegen Verstößen gegen das Parteiengesetz im Raum. Auf SZ-Nachfrage im Frühjahr 2018 hatte Wolbergs seine Kandidatur noch an einen Freispruch geknüpft. Mittlerweile macht er keine so großen Einschränkungen mehr. Am Mittwoch sagt er: "Wenn ich wegen Bestechlichkeit verurteilt werde, dann stehe ich für kein Amt zur Verfügung." Womöglich tritt Wolbergs also selbst dann zur OB-Wahl an, falls er wegen Vorteilsannahme verurteilt wird und dafür eine Bewährungsstrafe kassiert, die unter einem Jahr liegt. Sollte die Strafe höher ausfallen, würde Wolbergs sein passives Wahlrecht verlieren. Dann hätte sich eine Kandidatur von selbst erledigt.

"Ein Abbild der Stadtgesellschaft"

Für die 70 Gründungsmitglieder der "Brücke" scheint all das aber nebensächlich zu sein. Viele sind davon überzeugt, dass Wolbergs unschuldig ist oder zumindest nicht in krimineller Absicht gehandelt hat. "Ich kenne den Wolli seit 40 Jahren, ich glaube an ihn", sagt eine Frau, die am späten Mittwochabend das Kolpinghaus verlässt. Ein Mann sagt: "Er hat viel Gutes für Regensburg getan." So oder so ähnlich sagen das mehrere Leute, die man fragt, wieso sie dem Wolbergs-Verein beigetreten sind.

"Ein Abbild der Stadtgesellschaft", sagt Wolbergs über die 70 Mitglieder der "Brücke". Dem frischgewählten Vorstand des Vereins gehören unter anderem ein Lehrer, eine Rechtsanwältin, ein IT-Berater und zwei Journalisten des lokalen Fernsehsenders TVA an. Zum erweiterten Vorstand gehören einige stadtbekannte Namen, etwa der Inhaber eines Autohauses, ein Universitätsprofessor und eine pensionierte Redakteurin der Mittelbayerischen Zeitung, die jahrelang über die Regensburger Kommunalpolitik berichtete. Auch einige SPD-Mitglieder gehören nun der "Brücke" an - jedoch vor allem Mitglieder aus der zweiten Parteireihe. Man habe sich "auch schon über Inhalte unterhalten", sagt Wolbergs Nähere Details werde der Verein aber erst im Mai bekannt geben.

Unterdessen geht für Wolbergs der Korruptionsprozess weiter. Nach einer kurzen Nacht erscheint er am Donnerstagmorgen wieder in Saal 104 des Landgerichts. Kurz vor Ende der Beweisaufnahme holen die Wolbergs-Verteidiger noch einmal zum Rundumschlag gegen die Medien aus und kritisieren die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft während der Ermittlungen. Der Kritik schließen sich auch die Verteidiger der übrigen Angeklagten an. Am 29. April wird der Prozess fortgesetzt. Bis dahin dürfte Wolbergs längst Post vom SPD-Bezirksvorsitzenden bekommen haben - mit der Aufforderung, binnen einer Woche aus der Partei auszutreten.

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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